Hamburg. Was René Benkos ehemaliger Hamburg-Statthalter und der Insolvenzverwalter sagen – und warum potenzielle Investoren verärgert sind.
Vor sechs Monaten verkündete das HamburgerAbendblatt exklusiv per Eilmeldung den Baustopp für den Elbtower in der HafenCity. Das war am 26. Oktober 2023 um 19.34 Uhr. Die Lupp Gruppe, die mit dem Rohbau beauftragt war, hatte die Arbeiten eingestellt. Der Grund dafür waren ausstehende Zahlungen des Bauherrn Signa.
Seitdem herrscht Stillstand auf Deutschlands wohl berühmtester Baustelle. Das Hochhaus ist bei gut 100 Meter Höhe stehen geblieben. Inwiefern jemals die geplanten 245 Meter erreicht werden, das ist zum aktuellen Zeitpunkt völlig unklar.
Elbtower Hamburg: „Schwierigkeiten“ wurden bereits Anfang 2023 deutlich
Im vergangenen halben Jahr ist dennoch viel passiert: Der Signa Immobilienkonzern des schillernden österreichischen Unternehmers René Benko ist in sich zusammengebrochen. Zuletzt wurde bekannt, dass Gläubiger insgesamt rund zwei Milliarden Euro Forderungen gegen Benko angemeldet haben.
Aber zurück zum Elbtower: Seit 2018 war Torben Vogelgesang der Niederlassungsleiter von Signa Real Estate in Hamburg, die im Auftrag der Signa Prime Selection das Leuchtturmprojekt errichten sollte. Im exklusiven Abendblatt-Gespräch berichtet Vogelgesang: „Dass es Schwierigkeiten gab, wurde uns ab Anfang 2023 deutlich. So bestand teilweise meine Hauptaufgabe darin, zu organisieren, dass die entsprechenden Verantwortlichen bei der Signa die notwendige Liquidität zur Zahlung der Rechnungen der am Bau beteiligten Firmen bereitstellten, damit wir die Elbtower-Baustelle weiter am Laufen halten konnten.“
Signa-Niederlassungsleiter war vor einem Jahr noch überzeugt: „Wir sind im Zeitplan“
Der Diplom-Ingenieur erzählt weiter: „Als andere Projekte schon am Straucheln waren, ging es bei uns noch relativ lange gut, weil das ja für die gesamte Signa das Prestigeprojekt war.“
Zuletzt hatte das Abendblatt den 48-Jährigen im Mai vergangenen Jahres zu einem Ortstermin auf der damals noch pulsierenden XXL-Baustelle neben den Elbbrücken getroffen. Damals war Vogelgesang, der von Haus aus Architekt ist, noch guter Dinge und sagte diesen Satz: „Wir sind im Zeitplan.“
Signa: Fertigstellung des Elbtowers war für Ende 2025 geplant – das ist inzwischen Utopie
Der ausgewiesene Immobilienexperte ging damals – trotz der inzwischen aufgetretenen finanziellen Schwierigkeiten bei der Signa – noch von einer planmäßigen Fertigstellung Ende 2025 aus. Dann sollte das 64-stöckige Vorzeigehochhaus mit Büroflächen, Hotel, Gastronomie, Sportflächen und öffentlicher Aussichtsplattform zu einem neuen architektonischen Wahrzeichen der Hansestadt werden.
Dieses Datum ist inzwischen utopisch, aber Vogelgesang steht weiter hinter dem Projekt: „Die Entscheidung, einen Elbtower zu bauen, dabei bleibe ich auch heute noch, ist richtig. Das ist ein Leuchtturmprojekt mit einer außergewöhnlichen Architektur, das ein absolutes Alleinstellungsmerkmal für Hamburg hat“, sagt Vogelgesang. „Aber dann kamen eben viele Dinge zusammen, die die Signa in die hinlänglich bekannte Schieflage brachten.“
Ende Januar hat Vogelgesang einen Aufhebungsvertrag bei der Signa Real Estate unterzeichnet. Aber er ist weiterhin freiberuflich als Berater für seinen ehemaligen Arbeitgeber tätig. Er unterstützt den vorläufigen Insolvenzverwalter der Hamburg Elbtower Immobilien GmbH & Co. KG, Torsten Martini von der Kanzlei Görg. „Ich bin Ansprechpartner, wenn es um technische Dinge beim Elbtower geht, und natürlich haben potenzielle Investoren viele Fragen“, sagt Vogelgesang.
Elbtower: Verkaufsprozess nimmt laut Insolvenzverwalter „erhebliche Zeit in Anspruch“
Zur Erinnerung: Für die Hamburg Elbtower Immobilien GmbH & Co. KG wurde am 18. Januar dieses Jahres Insolvenzantrag gestellt. Daraufhin hat das Amtsgericht Berlin Charlottenburg Torsten Martini als vorläufigen Insolvenzverwalter eingesetzt. Übrigens auch für weitere Premium-Immobilien aus dem Signa-Portfolio in Hamburg wie dem Alsterhaus am Jungfernstieg oder dem Karstadt-Warenhaus an der Mönckebergstraße.
Im Abendblatt-Interview hatte Martini Anfang März angekündigt, dass der Verkaufsprozess für den Elbtower Mitte März offiziell gestartet wird. Dafür verantwortlich ist der Immobiliendienstleister CBRE. Zum aktuellen Stand in Sachen Elbtower-Vermarktung sagte Martini jetzt dem Abendblatt: „Der Prozess läuft, nimmt bei diesem Projektvolumen aber naturgemäß erhebliche Zeit in Anspruch.“
Inzwischen ist nach Abendblatt-Informationen die erste Runde, in der Interessenten aufgerufen waren, ein Kaufpreisangebot abzugeben – es gab kein Mindestgebot – abgeschlossen. Nun wird entschieden, mit wem in der zweiten, finalen Runde weiterverhandelt wird.
Elbtower-Baustelle in der Hamburger HafenCity wird „gegen Beschädigungen“ gesichert
Und noch ein spannendes Detail nennt Jurist Martini: „Um die Verwertungsmöglichkeiten im Interesse der Gläubiger zu erhalten, sichern wir die Baustelle gegen Beschädigungen. Dies erfordert ein nennenswertes finanzielles Engagement, das einstweilen sichergestellt ist.“
Ergänzend sagt Rechtsanwalt Gerrit Hölzle aus dem Elbtower-Team von der Kanzlei Görg dem Abendblatt zum Verkaufsprozess: „Die Vermarktung eines Projekts in der Größenordnung des Elbtowers im Rahmen eines Insolvenzverfahrens ist schon unter ,Normalbedingungen‘ herausfordernd. Im gegenwärtigen Markt- und Zinsumfeld gilt dies aber in besonderer Weise. Im Interesse der Gläubiger und der Freien und Hansestadt Hamburg streben wir schnellstmöglich eine zufriedenstellende Lösung an.“
Elbtower in Hamburg: Passenden Investoren zu finden, wird zur „Herausforderung“
Auch der Ex-Benko-Statthalter äußert sich zur Zukunft des Wolkenkratzers: „Ich gehe davon aus, dass der Elbtower weitergebaut wird. Aber die passenden Investoren zu finden, ist eine Herausforderung und wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen“, so Vogelgesang.
Der Immobilienexperte wird noch genauer: „Ich vermute, dass es am Ende nicht einer allein machen wird, sondern ein Konsortium. Ich schätze, dass es nochmals 600 Millionen braucht, um den Elbtower fertigzustellen. Das umfasst alle notwendigen Kosten, nicht nur Bau- und Baunebenkosten.“
Vogelgesang war einst mitverantwortlich für den Bau des Tower 185 in Frankfurt am Main, der rund 200 Meter hoch ist. Der Elbtower würde noch 45 Meter weiter in den Himmel ragen. Der gebürtige Niedersachse sagt im Abendblatt-Gespräch: „Natürlich ist das für mich auch eine persönliche Challenge. Ich bringe gerne meine Expertise bei der Fertigstellung des Elbtowers mit ein.“
Potenzielle Investoren für den Elbtower ärgern sich über Agieren des Hamburger Senats
Verantwortlich für die Entwicklung von Hamburgs jüngstem Stadtteil ist die HafenCity Hamburg GmbH. Im Januar 2023 wurde das Grundstück für den Bau des Elbtowers von der Stadt final an die Signa übergeben. Kurz nachdem das Abendblatt vor einem halben Jahr über den Baustopp exklusiv berichtet hatte, sagte HafenCity-Hamburg-Chef Andreas Kleinau im Interview: „Uns gegenüber hat die Signa versichert, dass es sich nur um eine kurzfristige Bauunterbrechung handelt und die Arbeiten zügig wieder aufgenommen werden.“
Inzwischen weiß auch Kleinau, dass die Signa da wohl nicht die Wahrheit gesagt hatte. Heute sagt der HafenCity-Chef: „Der Elbtower ist ein privatwirtschaftliches Projekt. Wir erwarten, dass im Rahmen des Insolvenzverfahrens eine ebensolche Lösung für die zeitnahe Wiederaufnahme der Bautätigkeit gefunden und der Elbtower im Einvernehmen mit der Stadt Hamburg fertiggestellt wird. An weiteren Spekulationen beteiligen wir uns nicht.“
Unterdessen ist aus dem Kreis potenzieller Investoren Verwunderung und Ärger über das Agieren des Senats zu hören: „Der Bürgermeister hält sich geradezu demonstrativ zurück. Das mag mit Hinblick auf die Wahl nachvollziehbar sein, schadet aber dem Standort“, sagt ein Unternehmer. „Ich halte das für einen Riesen-Managementfehler, der auch auf die Stadt und die SPD zurückstrahlt. Der Elbtower ist ein fürchterlicher Schandfleck.“
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Stadtentwicklungssenatorin Karen Pein (SPD) wollte sich auf Anfrage nicht zum Elbtower äußern. Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) hatte immer wieder betont, der Wolkenkratzer liege in der Verantwortung und im Risiko der privaten Investoren. Das ist inhaltlich richtig – allerdings hatte sein Vorgänger, der heutige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), das Projekt erst auf den Weg gebracht und den Investor Benko ausgesucht.
Elbtower in Hamburg: Kühne-Holding sieht sich „weit entfernt von einer Rolle als ‚Retter‘“
Die potenziellen Investoren – neben der Commerzbank-Tochter Commerz Real waren die Kühne-Holding von Milliardär Klaus-Michael Kühne und der Versicherungskonzern Signal-Iduna im Gespräch, hoffen darauf, dass sich die Stadt wie einst bei der Rettung von Hapag-Lloyd an einer Lösungssuche beteiligt.
Aufgrund der mangelnden Bereitschaft der Politik hat sich die Kühne-Holding als potenzieller Investor vorerst zurückgezogen. „Wir sind in der Tat weit entfernt von einer Rolle als ‚Retter‘. Es gibt gute Überlegungen von Immobilienspezialisten aus Hamburg, aber was fehlt, sind die Investoren“, sagt Karl Gernandt, Präsident des Verwaltungsrats der Kühne Holding. „Ich drücke die Daumen, dass sich letztlich doch ein Konzept umsetzen lässt.“
Der Elbtower ist am 14. Mai auch wieder Thema auf der Tagesordnung im Haushaltsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft: Das hat die Linke beantragt. „Wir erwarten dann eine Berichterstattung des Senats zum aktuellen Stand in Sachen Elbtower“, sagt Vize-Fraktionschefin Heike Sudmann.