Hamburg. HCOB hat sich aus dem Großprojekt zurückgezogen. Nach den Spekulationen herrscht Gewissheit. Die Hintergründe zu der Entscheidung.
Am Mittwoch meldete die „Mopo“, die Hamburg Commercial Bank HCOB habe nicht länger vor, mehrere Etagen im Elbtower anzumieten. Das Bankhaus wollte die Meldung weder bestätigen noch dementieren: „Wir bitten um Ihr Verständnis, dass wir aus Vertraulichkeitsgründen und mit Blick auf das Betriebs- und Geschäftsgeheimnis hierzu keine Auskunft geben“, sagte eine Sprecherin.
Zuletzt hieß es, dass die Insolvenz allein noch kein Rücktrittsrecht vom Vertrag beinhaltet. Entscheidend sei, dass die Räume rechtzeitig übergeben werden müssen. Trotz der dreieinhalbmonatigen Bauunterbrechung könnte das noch fristgerecht klappen, hieß es. Eine Woche später steht jetzt fest: Die Hamburg Commercial Bank HCOB ist von dem Mietvertrag für Büroflächen im Elbtower bereits im Januar „vertragskonform zurückgetreten“, wie sie gegenüber der Deutschen Presseagentur auf Anfrage am Mittwoch mitteilte.
Man habe sich zum Rücktritt entschlossen, nachdem der Baustopp bekannt war und die weitere Entwicklung der gesamten Signa-Unternehmensgruppe mit deutlichen Unsicherheiten behaftet war. „Da sich die Bank im vollen Geschäftsbetrieb befinde, müsse sie jederzeit über entsprechende Bürogebäude verfügen – diese Sicherheit sei beim Elbtower aktuell nicht mehr gegeben.“
Das Projekt gerät nun von zwei Seiten unter Druck
Der Elbtower gerät nun von zwei Seiten unter Druck. Derzeit fehlt dem Wolkenkratzer ein Bauherr für den Weiterbau – und jetzt auch der Ankermieter.
Es ist bereits 38 Monate her, dass die Signa damals stolz den ersten Mietvertrag für den Elbtower verkündete. Die Hamburg Commercial Bank (HCOB) sollte nach Fertigstellung des Elbtowers im Jahr 2025 mindestens 11.000 Quadratmeter mit Option auf weitere 2000 Quadratmeter Bürofläche anmieten. Die Vertragslaufzeit beträgt ab Mietbeginn mindestens zehn Jahre, eine Option über weitere fünf Jahre ist vereinbart.
Angesichts von insgesamt 79.000 Quadratmetern Bürofläche im Elbtower war das ein wichtiger Abschluss. „Noch vor dem offiziellen Vermarktungsstart der Flächen im Frühjahr 2021 haben wir die ersten großen Mieter für den Elbtower gefunden“, freute sich an diesem 16. Dezember 2020 Timo Herzberg, der längst geschasste CEO der Signa Real Estate Germany. „Dieser frühzeitige Vermietungserfolg zeigt die hohe Attraktivität des Elbtowers mit seinen modernen, flexibel gestaltbaren Flächen und des Standorts.“
Elbtower: Signa lieferte, was die Politik wünschte
Und Signa lieferte weitere Mieter, so, wie es die Politik vor der Grundstücksübergabe verlangt hatte: Neben der Hamburg Commercial Bank (HCOB) erklärte die Weltmarke Nobu, eine von Nobu Matsuhisa, Robert De Niro und Meir Teper gegründete globale Lifestyle-Firma, ihre deutschlandweit erste Dependance im Elbtower eröffnen zu wollen. Geplant sind 191 Zimmer und Suiten, ein Nobu-Restaurant mit 200 Sitzplätzen, eine Terrassenbar und eine Lounge mit Blick auf die Elbe.
Als weiterer Mieter stand zudem der Versicherungsmakler Aon fest. Im Sockelbereich hat das Unternehmen Eterno Health 4000 Quadratmeter angemietet. Die Flächen in der sechsten Etage sollen Ärzte und Therapeuten als Praxis- und Behandlungsräume nutzen.
Vorvermietungen sind wichtig für den Weiterbau
Diese Vorvermietungen sind für die Zukunft des Elbtowers von zentraler Bedeutung. Hinter den Kulissen versuchen die Anteilseigner und der Insolvenzverwalter, eine schnelle Einigung zu finden, um einen Weiterbau zu ermöglichen. Die Commerz Real, mit 50 Millionen Euro am Elbtower beteiligt, hatte vor knapp vier Wochen erklärt: „Alle Seiten haben ein hohes Interesse an der erfolgreichen Realisierung der Projektentwicklung, sodass wir davon ausgehen, dass die Bauarbeiten bald fortgesetzt werden.“
Auch Klaus-Michael Kühne, dessen Holding ihren Anteil an der Signa Prime im Sommer 2022 auf zehn Prozent erhöht hatte, bekundete mehrfach seine Bereitschaft, sich an einer Lösung zu beteiligen, und forderte die Stadt auf, sich intensiver einzubringen. „Wir sind erst bereit und in der Lage, uns in das Projekt einzubringen, wenn sich die Stadt positioniert hat und eine mögliche Rettungsaktion wirkungsvoll unterstützen würde“, sagte Kühne.
Elbtower: Stadt Hamburg hält sich bei der Lösungssuche bedeckt
Der Elbtower ist ein Bauwerk, das weit über die Grenzen der Stadt hinausstrahlen soll(te): Entworfen vom renommierten Architekturbüro David Chipperfield Architects, sollte es mit 245 Metern und 64 Stockwerken das dritthöchste Gebäude der Republik werden.
Die Vertreter des Senats halten sich dem Vernehmen nach aber aus einer Lösungssuche heraus. Öffentlich betonten sowohl Bürgermeister Peter Tschentscher als auch Stadtentwicklungssenatorin Karen Pein, beim Elbtower handele es sich um ein privates Investment. „Das ist ein privates Vorhaben, und es wird privat gelöst werden“, hatte die SPD-Politikerin Ende Januar erklärt.
Opposition: „Kartenhaus Elbtower fällt endgültig in sich zusammen“
Die Opposition sieht das naturgemäß etwas anders. „Das Kartenhaus, das Scholz, Tschentscher und Benko errichtet haben, fällt nun endgültig in sich zusammen“, kritisierte nun Katarina Blume, stellvertretende FDP-Landesvorsitzende. Der mögliche Rückzug der HCOB als Hauptmieter im Elbtower könne das Aus für das gesamte Bauprojekt bedeuten, hieß es. „Mit dem Absprung der skandalumwitterten ehemaligen Landesbank kommt ein weiterer Schmuddel-Deal ans Licht. Investor Benko hat sich seinen Hauptmieter im Elbtower mit ausreichend Geld gefügig gemacht.“
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Mit der Übernahme der in die Jahre gekommenen HCOB-Immobilie am Gerhart-Hauptmann-Platz zu einem überteuerten Preis habe er sich die Vorvermietungsquote erkauft, mutmaßt Blume. „Ob der Umzug der Bank in den Elbtower tatsächlich je geplant war, wird man nie herausfinden. Ein krummes Geschäft, das zeigt, welches trickreiche Spinnennetz der windige Investor in der Stadt gewebt hat.“
Kritisch äußerte sich auch Heike Sudmann, stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke: „Wenn die HCOB wirklich vom Vertrag zurückgetreten ist, ist das auch eine Ohrfeige für den Senat. Die Beteuerungen des Senats, einen supersicheren Vertrag mit Signa abgeschlossen zu haben, entpuppen sich als Luftnummer. Kein Wunder: Weder Senat noch Bürgerschaft haben die Vorvermietungsverträge überhaupt gesehen!“ Der Rückzug der HCOB werfe die Frage auf, wozu der Elbtower überhaupt weiter in die Höhe gebaut werden sollte. Die Nachfrage nach Büroflächen sinke weiter. „Deshalb kann der ‚Kurze Olaf‘ sein Wachstum einstellen. Deckel drauf – und gut ist“, so Sudmann.