Grüne fordern parlamentarische Sondersitzung wegen Polizeigewalt – Über 10.000 Bürger demonstrierten friedlich

Hamburg. Zu schweren Ausschreitungen ist es am Rande eines Aufmarsches von 700 Neonazis am Wochenende in Hamburg gekommen. Die Polizei schirmte die Rechtsextremisten am Samstag im Stadtteil Wandsbek vor Tausenden Gegendemonstranten ab. Linksextremisten griffen die Polizisten mit Steinen oder Böllern an. 38 Beamte wurden verletzt, wie ein Polizeisprecher am Sonntag sagte. Die Polizei wehrte sich mit Wasserwerfern und Pfefferspray. Rund 4.400 Beamte waren stadtweit im Einsatz.

Mindestens ein Gegendemonstrant sei verletzt worden, die abschließende Zahl liege aber noch nicht vor, sagte der Sprecher. 26 Personen wurden festgenommen und 62 in Gewahrsam genommen. 20 der Festgenommenen gehörten zur linken Szene, sechs waren Neonazis. Die Rechtsextremisten waren am Nachmittag nach einer Genehmigung des Verwaltungsgerichts in Wandsbek aufmarschiert.

Doch Hunderte setzten sich den Rechten in den Weg und blockierten die geplante Strecke. Trotz Wasserwerfern gelang es der Polizei nicht, die Sitzblockaden aufzulösen. „Es waren einfach zu viele Gegendemonstranten“, sagte eine Polizeisprecherin der dapd. Die Route wurde daraufhin geändert und verkürzt. Gegen 17.30 Uhr wurde der Neonazi-Aufmarsch am S-Bahnhof Hasselbrook beendet. Die Demonstration der Rechtsextremisten verlief friedlich.

Immer wieder musste die Polizei aber gegen gewalttätige Gegendemonstranten vorgehen. Am Vormittag flogen etwa aus einer Gruppe mit bis zu 700 Demonstranten Steine, Flaschen und Böller auf die Polizei. Die Einsatzkräfte kesselten die Gruppe daraufhin ein und nahmen sie in Gewahrsam, um Personalien zu überprüfen. Es wurden Verfahren wegen schweren Landfriedensbruchs eingeleitet.

Zudem errichteten Gegendemonstranten in Wandsbek Barrikaden aus Mülltonnen und zündeten diese an. Ein Polizeifahrzeug und mehrere Autos brannten. Schließlich lösten sich alle großen Gegendemonstrationen in kleine Gruppen auf, die unkontrolliert durch die Straßen zogen. Bis zu 3.000 Menschen waren es der Polizei zufolge. Bereits in der Nacht zu Samstag hatten Brandstifter elf Polizeifahrzeuge auf dem Parkplatz eines Hamburger Hotels angezündet, wo für den Einsatz zugereiste Beamte schliefen.

Das „Hamburger Bündnis gegen Rechts“ warf der Polizei ein zu hartes Vorgehen gegen die friedlichen Sitzblockaden vor. „Es wurden Pfefferspray und Wasserwerfer eingesetzt, und die Reiterstaffel ritt in die Sitzenden direkt hinein“, hieß es in einer Erklärung. Zudem hätte die Polizei den Neonazi-Aufmarsch beenden können. Die Polizeisprecherin wies die Vorwürfe zurück. „Wir mussten eine Ausweichroute anbieten, um das Grundrecht der Versammlungsfreiheit zu gewährleisten“, sagte sie.

Die Hamburger Grünen-Fraktion forderte eine Sondersitzung des Innenausschuss, der das „rabiate Vorgehen“ der Polizei untersuchen solle. Die Einkesselung Hunderter Gegendemonstranten sei ein „massiver Eingriff in die Freiheitsrechte“ gewesen, sagte die Innenexpertin ihrer Fraktion, Antje Möller.

Die Hamburger Polizei ihrerseits verurteilte die Gewalt „einer kleinen Gruppe aus der linken Szene“, die nicht repräsentativ für die weitgehend friedlichen Proteste gewesen sei. Viele der verletzten Polizisten hätten Knalltraumata durch explodierende Böller erlitten. Insgesamt sei der Einsatz aber erfolgreich gewesen, sagte ein Sprecher.

Die Hamburger SPD-Fraktion verurteilte die Gewalt der Gegendemonstranten als „nicht zu rechtfertigen“. Gewalt gegen Personen oder Sachen „ist keine Antwort auf den rechten Mob“, sagte Arno Münster, Fachsprecher Inneres der SPD-Fraktion.

Tatsächlich protestierte der überwiegende Teil der Demonstranten am Samstag friedlich in der Hamburger Innenstadt gegen den Aufmarsch der Rechtsextremen. Am Morgen gab es eine Veranstaltung des DGB mit Polizeiangaben zufolge 3.000 Teilnehmern und eine Kundgebung des vom Senat unterstützten Bündnisses „Hamburg bekennt Farbe“ auf dem Rathausmarkt. Nach Polizeiangaben versammelten sich dort 10.000 Menschen. Es gab ein buntes Bühnenprogramm, Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) hielt eine Rede, in der er zu mehr Toleranz aufrief.

Das Ausmaß der Ausschreitungen war deutlich größer als bei den Maikrawallen vor einem Monat. Auch in der Nacht zum Sonntag zündete ein Gruppe ein Feuer im Schanzenviertel an, das jedoch bald gelöscht wurde. Insgesamt blieb es ruhig.