Gremium startet mit der Anhörung Sachverständiger. Friedrich will unterdessen einen Plan zur Beweisführung für ein NPD-Verbot aufstellen.
Zwickau/Berlin/Leipzig. Am Tag der ersten Sitzung des Untersuchungsausschusses des Bundestags zu den Neonazi-Morden gab es eine weitere beunruhigende Nachricht: Bayerns Innenminister Joachim Herrmann berichtete, dass die Anzahl der rechtsextrem motivierten Straftaten seit Entdeckung der Neonazi-Zelle noch angestiegen ist. Gleichzeitig will Bundesinnenminister Friedrich einen zeitlichen Plan aufstellen, um in dem Zusammenhang noch einmal ein NPD-Verbot anzustreben.
Der Neonazi-Untersuchungsausschuss hat zunächst den Fahrplan für die ersten Wochen abgesteckt. In den beiden letzten Märzwochen wird es zwei Anhörungen mit Sachverständigen geben. Themen werden die Entwicklung des Rechtsextremismus und die gegenwärtige Struktur der Sicherheitsbehörden sein. Die Abgeordneten wollen die Ombudsfrau für die Opfer der rechtsextremen Terrorzelle, die frühere Berliner Ausländerbeauftragte Barbara John, einladen, um von ihr Informationen aus Sicht der Opfer zu erhalten.
Nach Ostern will der Ausschuss mit der Beweisaufnahme beginnen. Dazu beschlossen die Abgeordneten am Donnerstag in Berlin einstimmig 38 Beweisanträge, um Akten, Organigramme und Unterlagen auch vom Generalbundesanwalt anzufordern. In welcher Reihenfolge der Ausschuss seine Untersuchungen vornehmen wird, ist nach Angaben der Obleute aber noch offen. Dies soll in der Sitzung Anfang März beschlossen werden. Möglichst früh soll es ein Treffen mit der am Mittwoch eingesetzten Bund-Länder-Kommission und Mitgliedern des Thüringer Untersuchungsausschusses geben, um Doppelarbeiten zu vermeiden.
Die erste reguläre Arbeitssitzung des Untersuchungsausschusses dauerte am Donnerstag nur 45 Minuten. Die Obleute hatten sich bereits zuvor über ihr Vorgehen abgestimmt. Der Ausschuss soll klären, wie es zu den Morden und Raubzügen der Zwickauer Terrorgruppe kommen konnte, welche Pannen es bei Sicherheitsbehörden gab und wie diese vermieden werden können. Den Neonazi-Terroristen werden Morde an neun Kleinunternehmern türkischer und griechischer Herkunft sowie an einer Polizistin vorgeworfen. Die entscheidende Frage ist, warum die Sicherheitsbehörden die Rechtsextremisten nicht im Visier hatten.
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Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) will unterdessen auf einer Sonderkonferenz der Ministerpräsidenten am 22. März „einen Kriterien-Katalog für eine neue Beweisführung mit dem Ziel eines NPD-Verbotsantrages“ vorlegen. Das kündigte Friedrich in einem Gespräch mit der „Leipziger Volkszeitung“ (Donnerstagsausgabe) an. Auf dieser Basis könne dann konkret mit der Beweissammlung begonnen werden.
Sollte sich dabei herausstellen, dass der sogenannte Nationalsozialistische Untergrund (NSU) „eine Art militärischer Arm der NPD war, dann könnte es mit dem Verbot sehr schnell gehen“, sagte Friedrich. Falls es sich nur um ideologische Partner handele, „würde es deutlich schwieriger“.
Friedrich erklärte weiter, dass auf der Innenministerkonferenz Ende Mai ein erster Überblick über die Beweislage für den Verbotsantrag möglich sein solle. Dies würde zusammenfallen mit einem Zwischenbericht der Bund-Länder-Kommission zur Aufklärung der politischen und organisatorischen Schlussfolgerungen rund um die NSU-Terrorgruppe. Bei der Beweissammlung für den Verbotsantrag beim Bundesverfassungsgericht „wird dann klar sein, dass die V-Leute abgeschaltet sind, die für die Informationssammlung eine Rolle spielen könnten“, sagte Friedrich. Allerdings werde man durchaus mit V-Leuten der Sicherheitsdienste weiter den versuchten „Reinwaschungs-Prozess“ der NPD beobachten.
Seit Entdeckung der rechtsextremen Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) haben die Aktivitäten von Neonazis nach Angaben von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) zugenommen. „Wir müssen feststellen, dass die Aufdeckung der Taten des Zwickauer Neonazi-Trios nicht dazu geführt hat, dass sich Mitläufer des rechtsextremen Milieus davon distanzieren“, sagte der Minister der „Passauer Neuen Presse“. Er habe gehofft, dass sich viele Rechte wegen der Mordserie von der Szene abwenden. Tatsächlich aber gebe es in der Neonazi-Szene eine Solidarisierung. „In manchen Bereichen wird nun eher dreister, noch markiger aufgetreten als zuvor“, sagte Herrmann weiter.
Die Mitglieder des Neonazi-Untersuchungsausschusses:
Der Neonazi-Untersuchungsausschuss des Bundestags hat am Donnerstag seine Arbeit aufgenommen. Er hat elf Mitglieder:
Union:
Clemens Binninger (Obmann)
Stephan Stracke
Tankred Schipanski
Elisabeth Winkelmeier-Becker
SPD:
Sebastian Edathy (Ausschuss-Vorsitzender)
Eva Högl (Obfrau)
Sönke Rix
FDP:
Hartfrid Wolff (Obmann
Serkan Tören
Grüne:
Wolfgang Wieland (Obmann)
Linke:
Petra Pau (Obfrau)
(dpad/dpa/epd)