Hamburg. Zum dritten Mal binnen weniger Wochen gingen in Hamburg Zehntausende auf die Straße. Hier gibt es den Newsblog zum Nachlesen.
Großer Bahnhof am Dammtor: Zum dritten Mal binnen weniger Wochen war Hamburg an diesem Sonntag (25. Februar) Schauplatz einer Großdemonstration gegen Rechtsextremismus. Unter dem Motto „Wir sind die Brandmauer“ hatte Fridays for Future für 13 Uhr zu dem Protestzug aufgerufen, etwa 40 Verbände und Organisationen hatten sich angeschlossen. Erwartet worden waren 30.000 Menschen, der Veranstalter sprach von mehr als 50.000 Teilnehmenden. Der Demo-Newsblog zum Nachlesen.
Demo gegen rechts am 25.2. in Hamburg – die Entwicklungen
- Demo gegen rechts: Fridays for Future schätzt Teilnehmerzahl
- Demo gegen rechts: Palästina-Block sorgt für Unbehagen
- Grüne Politprominenz bei Hamburger Demo gegen rechts
- Demo gegen rechts: Göpel lädt AfD-Protestwähler zu Dialog ein
- Demo gegen rechts: Deichkind rappen gegen AfD
- Demo gegen rechts: Redner warnen vor „erinnerungspolitischer Wende“
- Demo gegen rechts: Was Teilnehmende sagen
- Demo gegen rechts: Menschen stehen bis weit hinter Dammtor
- Demo gegen rechts: So verläuft der Protestzug in Hamburg
- Demo gegen rechts: Auftritte von Deichkind, G’emma und Vize
- Demo gegen rechts: Wird es zum dritten Mal sechsstellig?
- Demonstrationen gegen rechts auch in anderen Städten
Demo gegen rechts: Fridays for Future schätzt Teilnehmerzahl
Um 16.54 Uhr, gut eine Stunde früher als erwartet, war Hamburgs dritte und durchweg friedliche Großdemonstration gegen rechts Geschichte. Aber wie groß war sie nun?
Die Bilder lassen aber vermuten, dass trotz widrigen Wetters Menschen in fünfstelliger Zahl zum Dammtor gekommen sind. Schätzungen der Polizei zufolge waren 50.000 bis 60.000 Teilnehmer bei der Veranstaltung dabei, wie ein Sprecher des Lagezentrums auf Abendblatt-Anfrage bekannt gab.
Ein ähnliche Schätzung gab auch Fridays for Future ab: Am Nachmittag sprach man hier von mehr als 50.000 Teilnehmenden. Also deutlich mehr als die bei der Anmeldung erwarteten 30.000 Menschen.
Offenbar stehen die Behörden mit ihrer Vorsicht noch unter dem Eindruck ihrer krassen Fehleinschätzung von der ersten Demonstration am Jungfernstieg. Damals war zunächst von 50.000 Teilnehmenden die Rede. Die Zahl wurde Wochen später auf 180.0000 korrigiert.
Demo gegen rechts: Palästina-Block sorgt für Unbehagen
Für Unbehagen sorgte bei der Demonstration offenbar ein pro-palästinensischer Block, aus dem Transparente wie „Nur Rassisten supporten Genozid“ hochgehalten wurden.
Ein Teilnehmer wandte sich via X (vormals Twitter) an Fridays for Future: „Eure Demo ist nicht inklusiv, wenn sich Menschen nicht vor Antisemitismus sicher fühlen können. Genozid-Geschwurbel ist unerträglich. Da hilft es auch nix, wenn ihr darum bittet, Nationalfahnen wegzulassen, wenn ihr nicht aktiv werdet.“
Anlässlich des Krieges in Nahost hatten pro-palästinensische Gruppierungen zur Teilnahme an der Demonstration gegen Rechtsextremismus aufgerufen. Dabei wurde die Politik Israels mit Rassismus in Deutschland verglichen. „Was sich deutsche Faschisten wünschen, setzen Israels Faschisten schon um“, hieß es etwa in einem Aufruf der Gruppe Thawra bei Instagram.
Grüne Politprominenz bei Hamburger Demo gegen rechts
Sie stand zwar nicht auf der Rednerliste, trotzdem war auch die Politik bei der Demo vertreten. Der frühere Justizsenator Till Steffen, jetzt parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen im Bundestag, posierte bei X mit seiner Nachfolgerin Anna Gallina. Die veröffentlichte das gleiche Fotomotiv bei Instagram.
Demo gegen rechts: Göpel lädt AfD-Protestwähler zu Dialog ein
Politökonomin Maja Göpel wendet sich in ihrer Rede an all diejenigen, die aus Protest und Unzufriedenheit AfD wählen. „Wenn drei Landesverbände und die Jugendorganisation dieser Partei als rechtsextrem eingestuft werden und eine Führungsfigur wie Björn Höcke Naziparolen benutzt: Wie kann ich überlegen, dass eine solche Partei zu wählen als Denkzettel eine gute Idee ist?“
Sie lud alle AfD-Wähler zum Dialog ein: „Guckt mal über die Brandmauer, und sagt uns, was für euch Rechtsextremismus ist und wie sich das unterscheiden soll von dem, vor dem uns das Grundgesetz schützen soll. Was bräuchtet ihr, um wieder genug Vertrauen in eure Mitmenschen und Institutionen zu finden, damit ihr glaubt, dass eine Gesellschaft ohne Hass, Hetze, Rassismus und Gewalt nicht nur möglich ist, sondern das wünschenswerte Zukunftsversprechen?“
Demo gegen rechts: Deichkind rappen gegen AfD
Erster Höhepunkt der Demonstration ist der Auftritt von Deichkind. Und die Hamburger Hip-Hop-Formation kommt mit greller Verkleidung und einer klaren Botschaft: „Wir wollen keine Nazis – und keine AfD“. Und: „Nehmt die Brandmauer mit nach Hause – und das Gefühl“.
Die Rapper hatten im Vorwege bei ihren Fans für die Demonstration geworben. „Wir sagen Stopp zu rechten Ideologien. Demokratie braucht keine Alternative. Dafür gehen wir auf die Straße. Der Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung, unter denen viele Menschen täglich leiden, ist dringender denn je“, schrieb Deichkind bei Instagram.
Demo gegen rechts: Redner warnen vor „erinnerungspolitischer Wende“
Die ersten Redebeiträge von Oliver von Wrochem, Leiter der KZ-Gedenkstätte Neuengamme, und Christoph Bautz, Mitbegründer und Geschäftsführer der Organisation Campact, werden von Applaus und „Wir sind die Brandmauer“-Rufen begleitet.
Von Wrochem, der zum ersten Mal auf einer Demonstration spricht, warnt: „Die aktuellen Vordenker der völkischen Politik vertreten oft eine ‚erinnerungspolitische Wende um 180 Grad‘. Sie wollen vergessen machen, wohin derartige Ideologien im Nationalsozialismus geführt haben. Das werden wir nicht zulassen.“
Bautz schließt sich an: „Wir sind hier, um zu verhindern, dass sich Geschichte wiederholt, und laut und deutlich zu sagen: ‚Nie wieder ist jetzt!‘“ Er erinnert an die Europawahl, bei der es eine Stärkung der AfD zu verhindern gelte.
Demo gegen rechts: Was Teilnehmende sagen
Auch Flora (9), Arthur (7), und Theo (8) aus Winterhude machen sich gegen rechts stark: „Wir wollen nicht, dass unsere Freunde abgeschoben werden.“ Katrin Jäger aus Altona ist da, um Farbe zu bekennen: „Lesben für Vielfalt“, steht auf ihrem Schild. „Es ist wichtig, dass sich Frauen aus unterschiedlichen Kontexten zusammenschließen!“
Annette (61) aus Stellingen wüsste eigentlich auch anderes zu tun, als in der Kälte zu stehen. Die „Correctiv“-Recherche habe sie allerdings aufgeschreckt. „Es macht Mut, in einer Masse mit anderen zu stehen, die ebenfalls aufstehen“, sagt sie mit einem Lächeln.
Demo gegen rechts in Hamburg: Menschen stehen bis weit hinter Dammtor
Um Viertel vor eins ist der Platz vor der Bühne der Demonstration auf der Edmund-Siemers-Allee gut gefüllt. Familien, Jugendbündnisse, Parteien und Verbände setzen ein gemeinsames Zeichen. Die Flagge der europäischen Union weht im Wind, genau wie die der Pride und des FC St.Pauli. Die Stimmung ist entspannt, bevor die Redebeiträge um 13:00 starten, schallt „Wind of Change“ über die Köpfe der Wartenden.
Auf Plakaten sind verschiedenste Statements zu lesen: „Demokratie nicht ver-Höcke-rn“, „Menschen-Rechte statt rechte Menschen“ und „bunt statt braun“ sind nur einige davon. Trotz beginnenden Regens stehen die Menschen bereits bis weit hinter das Dammtor Richtung Jungfernstieg.
Demo gegen rechts: So verläuft der Protestzug in Hamburg
Um 13 Uhr startet die Demonstration auf der Edmund-Siemers-Allee im Stadtteil Rotherbaum. Von dort führt die Route über die Verbindungsbahn zum Fernsehturm, weiter über die Karolinenstraße und den Valentinskamp zum Gänsemarkt. Es folgt eine Schleife um die Binnenalster über Jungfernstieg, Ballindamm und Lombardsbrücke, bevor die am Neuen Jungfernstieg unterquert wird uns es über das Alsterglacis zurück zum Dammtor geht. Dort soll auch die Abschlusskundgebung stattfinden. Das Ende der Veranstaltung ist für 18 Uhr geplant.
Fridays for Future empfiehlt, zu Fuß oder mit dem Fahrrad zu kommen oder über die Bahnstationen Dammtor, Stephansplatz oder Gänsemarkt anzureisen. Rund um die Route kommt es zu Straßensperrungen.
Demo gegen rechts: Auftritte von Deichkind, G’emma und Vize
Die Demo bekommt auch musikalische Unterstützung. Geplant sind unter anderem Auftritte der Hamburger Hip-Hop- und Elektropunk-Formation Deichkind, der Berliner Musikerin G’emma und des DJs Vize.
Vize, Sohn eines Einwanderers aus Laos, sagte, es sei heutzutage einfach, online gegen Rassismus und Intoleranz vorzugehen. „Das Gleiche jedoch draußen auf der Straße zu tun, ist unbequem, aber mindestens genauso entscheidend. Lasst uns alle gemeinsam am Sonntag ein starkes Zeichen setzen und für eine Gesellschaft einstehen, die von Respekt, Vielfalt und Solidarität geprägt ist.“
Redebeiträge kommen unter anderem von der Politökonomin Maja Göpel, der Politikwissenschaftlerin und Netzaktivistin Katharina Nocun und vom Leiter der Hamburger KZ-Gedenkstätte Neuengamme, Oliver von Wrochem.
Demo gegen rechts: Wird es zum dritten Mal sechsstellig?
Es ist die dritte Großdemonstration gegen Rechtsextremismus in Hamburg, seitdem das Recherchezentrum „Correctiv“ Anfang Januar über ein Geheimtreffen in Potsdam berichtet hatte, bei dem Rechtsextreme im Beisein von Vertretern der AfD und der Werteunion unter anderem über die Abschiebung von Millionen Menschen mit Migrationshintergrund berieten.
Zur ersten Großkundgebung waren am 19. Januar 180.000 Menschen – so die offiziell korrigierte Zahl – zum Jungfernstieg geströmt. Die Kundgebung wurde aus Sicherheitsgründen abgebrochen. Bei der zweiten Großdemonstration liefen am 28. Januar geschätzt 100.000 Menschen durch die Hamburger Innenstadt.
Demonstrationen gegen rechts auch in anderen Städten
Nicht nur in Hamburg wurde und wird an diesem Wochenende gegen Rechtsextremismus demonstriert. In Stuttgart gingen nach Schätzungen der Polizei am Sonnabend zwischen 8000 und 9000 Menschen unter dem Motto „Rechte Welle brechen“ auf die Straße. In mehreren anderen Städten gab es ebenfalls Protestkundgebungen. Am Sonntag sind weitere Demonstrationen geplant, unter anderem in Berlin und Dresden.
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In Marl wurde der Landesparteitag der nordrhein-westfälischen AfD am Sonnabend von Protesten begleitet. Laut Veranstalter DGB kamen zu der Kundgebung am Vormittag rund 800 Menschen. Die Polizei sprach von etwa 400 Teilnehmern. Schon bei der Zufahrt zu der Eventhalle wurden die AfD-Delegierten von etwa 100 lautstark protestierenden Demonstranten empfangen.