Hamburg. Linke fordert Bürgerschaftspräsidentin auf, umstrittenem CDUler Vosgerau Hausverbot zu erteilen. Was sagen Veit und die Hamburger CDU?

Es ist schon ein paar Tage her, da hatte Thorsten Prenzler, Geschäftsführer der Hamburger AfD, Großes zu verkünden. Am 29. Februar, so sagte es Prenzler vor gut einer Woche interessierten AfD-Sympathisanten, werde es einen außerplanmäßigen Gastvortrag im Hamburger Rathaus geben. Ulrich Vosgerau, ein Teilnehmer der höchst umstrittenen Potsdamer Konferenz, werde über genau diese Auskunft erteilen. „Dann“, so versprach es Prenzler, „werden wir die Wahrheit erfahren.“

Die Wahrheit also. Ob aber am letzten Donnerstag des Februars tatsächlich eben jener Vosgerau über die Potsdamer Konferenz – eine aus seiner Sicht harmlose private Zusammenkunft eines Freunden- und Bekanntenkreises, der sich informell „Düsseldorfer Kreis“ nennt – referieren darf, ist seit diesem Dienstag zumindest fraglich.

Gast des Potsdamer Treffens im Rathaus: Linke will Hausverbot für Vosgerau durchsetzen

Denn nachdem die Hamburger AfD den Termin auf ihrer eigenen Veranstaltungsseite („Fraktion im Dialog“) im Internet auch offiziell angekündigt hat, regt sich im Rathaus nun großer Widerstand gegen den geplanten Vortrag. Die Linksfraktion hat am Dienstag sogar ein Hausverbot für den umstrittenen CDUler gefordert, der als Jurist auch immer wieder die AfD vertreten hat.

„Wir bitten Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit, Herrn Vosgerau und auch allen anderen Teilnehmern und Teilnehmerinnen dieses widerwärtigen Treffens die Räume im Rathaus sowie auch alle anderen Räumlichkeiten der Bürgerschaft zu entziehen“, sagt Cansu Özdemir, Fraktionsvorsitzende der Linken, in der Bürgerschaft.

Özdemir über Potsdamer Konferenz: „widerwärtiges Treffen“

Das Problem: Das Fraktionsgesetz (§ 2 a) regelt, dass den Fraktionen Sitzungsräume im Rahmen der vorhandenen Kapazitäten unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden. Für die Raumnutzung stellt der Rathausservice lediglich seine Dienstleistungen in Rechnung. Die AfD macht von diesem Angebot im Rahmen ihrer Bürgerdialoge einmal im Monat Gebrauch – vermutlich auch deswegen, weil es der rechtspopulistischen Partei ansonsten schwerfällt, in Hamburg Räumlichkeiten für Parteiveranstaltungen zu finden.

Mit dem grundsätzlichen Prozedere hat Linken-Chefin Özdemir gar kein Problem, mit dem speziellen AfD-Gast dafür umso mehr. Dem Abendblatt sagt sie: „Das Rathaus ist die Herzkammer der Demokratie in unserer Stadt – es wäre ein fatales Signal an die gesamte Bevölkerung, vor allem aber an all die Hamburger und Hamburgerinnen mit Migrationsgeschichte, wenn eine solche Person dort ein Forum für ihre menschenfeindliche Politik erhält.“

Bürgerschaftspräsidentin Veit: „Demokratie muss viel aushalten können“

Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD) relativiert: „Demokratie muss manchmal viel aushalten können“, sagt sie auf Abendblatt-Nachfrage. „Nicht alles, was hinter den Türen von Fraktionsveranstaltungen stattfindet, muss die politische oder gesellschaftliche Zustimmung anderer Fraktionen oder Außenstehender finden.“

Aus Veits Sicht aber am wichtigsten: „Eine Verletzung der Würde des Hauses oder der Grundsätze von Sicherheit und Ordnung ist bisher bei keiner der von den Fraktionen angebotenen Veranstaltungen zu vermuten gewesen oder festgestellt worden. Das gilt auch für die von der AfD periodisch angemeldeten ,Fraktion im Dialog‘-Formate.“

Carola Veit (SPD), Präsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft, will den Auftritt des umstrittenen CDU-Manns Vosgerau nicht verhindern.
Carola Veit (SPD), Präsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft, will den Auftritt des umstrittenen CDU-Manns Vosgerau nicht verhindern. © picture alliance/dpa | Axel Heimken

Der „Fraktion im Dialog“-Gast, den Özdemir trotz der Einschätzung von Bürgerschaftspräsidentin Veit im Rathaus nicht sprechen lassen möchte, ist kein Unbekannter. Vosgerau war einer von nur zwei CDU-Mitgliedern, die am 25. November bei der Potsdamer Konferenz dabei waren – und auf dieser sogar einen Vortrag gehalten hat. Die Hamburger AfD nennt ihn auf Nachfrage „einen renommierten Juristen und Staatsrechtler“, „der als Teilnehmer besser Auskunft geben kann als das nachweislich regierungsfinanzierte Verleumdungsportal Correctiv.“

Was die Hamburger AfD nicht sagt: Das Echo auf Vosgeraus Auftritt in Potsdam war verheerend. Die Uni Köln hat im Anschluss an die „Correctiv“-Veröffentlichungen sogar ein Überprüfungsverfahren gegen den Privatdozenten eingeleitet, nachdem der AStA den Titel-Entzug des Privatdozenten gefordert hatte. Auf Abendblatt-Nachfrage bestätigt die Uni Köln, dass ein Habilitationsausschuss im Sommersemester über die Forderung entscheidet.

Hamburger CDU begrüßt eingeleitetes Ausschlussverfahren gegen Vosgerau

Und auch die CDU hat ein Parteiausschlussverfahren gegen das offenbar zu rechte Mitglied aus dem Berliner Kreisverband Pankow angestrengt, das auch der „Werteunion“ angehören soll und in der Vergangenheit regelmäßig als Sachverständiger für die AfD im Einsatz war. „Diesen Schritt begrüßen wir ausdrücklich“, heißt es von der Hamburger CDU-Fraktion unmissverständlich.

Und wie reagiert Vosgerau selbst auf den Wirbel? Gar nicht. Zumindest nicht auf eine Abendblatt-Anfrage. In anderen, rechten Medien hat er sich zuvor lustig über die Berichterstattung über das Potsdamer Treffen gemacht. Im Interview mit der „Jungen Freiheit“ nennt er den „Correctiv“-Bericht „Gewäsch“. „Es gibt keine Enthüllungen“, sagt er – und kritisiert auch die „Mainstreammedien“ dafür, dass sie über das „Brimborium“ berichten.

Vosgerau bestätigt, dass Martin Sellner in Potsdam über Remigration gesprochen hat

Dass auf der Konferenz auch über Remigration gesprochen wurde, will Vosgerau allerdings gar nicht abstreiten. Doch Mitorganisator Martin Sellner, ein österreichischer Rechtsextremist der Identitären Bewegung, habe das natürlich alles ganz anders gemeint.

Laut Vosgerau habe Sellner lediglich von „naturalisierten deutschen Staatsbürgern“ gesprochen, die sich nicht so assimiliert verhalten hätten, „dass man sie im Grunde auch wieder loswerden will“. Selbstverständlich ganz freiwillig, versteht sich.

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Das dürfte Vosgerau auch am 29. Februar beim sogenannten AfD-Bürgerdialog ausführen – sofern man ihn denn lässt. Dabei darf man auch gespannt sein, wie Hamburgs AfD-Chef Dirk Nockemann Vosgerau empfangen und vorstellen wird.

Unmittelbar nach Bekanntwerden des „Correctiv“-Berichts hatte sich Nockemann noch von dem Potsdamer Treffen distanziert und zur „Mopo“ gesagt: „An einer Veranstaltung teilzunehmen, an der ein Martin Sellner teilnimmt, das ist ohne Sinn und Verstand.“ Die mehrfache Abendblatt-Nachfrage, ob also auch Konferenzteilnehmer und AfD-Ehrengast Vosgerau ohne Sinn und Verstand sei, wollte Nockemann nicht beantworten.

Linken-Chefin Özdemir will Vosgeraus Auftritt im Rathaus bei AfD verhindern

Geht es nach Linken-Chefin Özdemir, dann muss Nockemann den CDU-Gast auch gar nicht mehr ankündigen: „Die in den vergangenen Wochen viel zitierte ‚wehrhafte Demokratie‘ ist keine Floskel, sondern sie muss gelebt und umgesetzt werden. Dazu gehört es auch, rassistischen Aktivisten und Aktivistinnen rund um die AfD keine Infrastruktur zur Verfügung zu stellen“, sagt sie.

Ulrich Vosgerau, so Özdemirs Meinung, ist nach dem Potsdamer Treffen in Hamburgs Rathaus jedenfalls nicht willkommen. Er dürfe gerne in seiner Wahlheimat bleiben. Dabei könnte die Adresse seiner Kanzlei kaum passender sein: Berlin, Am Potsdamer Platz.