Hamburg. Wo ist es in der Stadt am schönsten? 50 leidenschaftliche Plädoyers. Teil 38: Vielfältig, einzigartig und selbstbewusst.

Bergedorf – hat weder echte Berge, noch ist es ein Dorf. Und doch. Es ist mein gemütliches Dorf und hat immerhin Anhöhen – eine sogar mit Doktortitel. Bergedorf ist vielfältig, einzigartig und selbstbewusst. Bergedorf, das sind die duftende Kaffeerösterei und die knuffige Buchhandlung im Sachsentor, das sind Hans und Luise, der Doktorberg, das Billtal-Stadion, das Schloss, rappeliges Kopfsteinpflaster und die gute alte Ringlinie 135. Bergedorf, das ist auch Baustelle und Veränderung

Ein meterlanges Leporello ließe sich mit Bildern all der Sehenswürdigkeiten bestücken. Allein die einzigartige Sternwarte bietet so viele Hingucker. Die Einkaufsmeile Sachsentor versammelt ebenfalls mindestens ein Dutzend Postkartenmotive – vom historischen Gasthof „Stadt Hamburg“ bis zum Sievers-Brunnen auf dem Kaiser-Wilhelm-Platz. Wer den Kopf in den Nacken legt, entdeckt noch viel mehr: Herrliche Häuserfassaden, Neorenaissance neben Modernem, Fachwerk neben Schlichtem. Shoppen und schauen sind im Sachsentor eins – Kaffeeduft und Bücherseiten­knistern gehören dazu.

Über das Sachsentor gut zu erreichen ist das einzige Schloss Hamburgs – allerdings ist es eigentlich gar keins. Denn es wurde im 13. Jahrhundert als Wasserburg angelegt. Beamte denn Blaublüter residierten dort. Aber wer wird so kleinlich sein? Das alte Gemäuer ist grandios, stattlich und fantasieanregend. Ein Juwel. Kinder stehen staunend vor Ritterrüstungen und der Löwenskulptur vor dem Eingang. Moderne Ausstellungen und gut recherchierte Historie finden sich im „Museum für Bergedorf und die Vierlande“. Dazu kommen Kaffee und Kultur. Immer einen Besuch wert. Plus Sonnenbad im Park.

Bergedorf: Das sind die Fakten

  • Einwohner: 35.289
  • Davon unter 18: 6145
  • Über 65: 7163
  • Durchschnittseinkommen: 35.049 € (2013)
  • Fläche: 10,3km²
  • Anzahl Kitas: 23
  • Anzahl Schulen: 4 Grundschulen; 2 Gymnasien
  • Wohngebäude: 5193
  • Wohnungen: 17.209
  • Niedergelassene Ärzte: 151
  • Straftaten im Jahr 2018: Erfasst: 4137; Aufgeklärt: 2057

Grün ist es auch im Bergedorfer Gehölz, das mit dem Doktorberg angeben kann: Mit etwa 1000 Metern bietet er die wohl längste Rodelbahn Hamburgs. Das nahe Billtal wiederum glänzt mit Vielfalt: Fußball, Leichtathletik, Schulsport, Nabucco-Oper oder Wutzrock-Premiere – hier ist alles möglich. Und schon sind wir bei Hans und Luise, die sich – schmuck anzusehen – im Villengebiet die Ehre geben. Hans steht für das Hansa-, Luise für das Luisen-Gymnasium. Früher lernten dort die Jungs, hier die Mädels. Heute ist alles bunt gemischt.

Der Pfingstberg (schon wieder ein Berg in Bergedorf!) führt ebenso wie der Reinbeker Weg zu Gehölz und Schulen, uriges Kopfsteinpflaster schüttelt besonders Radfahrer kräftig durch. Kommod ist dagegen die Anfahrt mit der Ringlinie 135 – eine Busverbindung, die gefühlt schon immer durch Bergedorf kreist. Untrennbar mit Bergedorf verbunden ist auch das Wasser. Es kann kein Zufall sein, dass Bille und Idylle einen ähnlichen Klang haben. Vom Serrahn aus, dem kleinen Hafen in der Stadtmitte, können Wasserwege in die Vier- und Marschlande, nach Hamburg und Berlin erkundet werden – auf Schiffen, die so hübsche Namen tragen wie „Serrahn Deern“. Es lässt sich auch unter Segeln schippern, mit „Uns Ewer“, einem originalgetreuen Nachbau der früher verkehrenden Vierländer Gemüse-Ewer.

Bergedorf ist auch Baustelle

Am Wasser wird derzeit zudem deutlich: Bergedorf ist auch Baustelle. Die Kupferhof-Terrassen entstehen dort, ebenso das neue Körber-Haus. Manches, was Bergedorf verändert, gefährdet das ureigene Flair. Enge Wohnquartiere, Einkaufspaläste und Handelsketten-Filialen gibt es in jeder Stadt. Den inhabergeführten Fotoladen oder den Bäcker, der noch selbst backt, eben nicht. Noch hat Bergedorf das gewisse Etwas, unverwechselbaren Charme und das Selbstbewusstsein seiner Bürger, die sich gegen baulichen Unsinn wehren.

Kraftvoll ist Bergedorf auch mit der TSG. Die Turn- und Sportgemeinschaft ist mit mehr als 11.000 Mitgliedern riesig, das Angebot ebenfalls. Früher führte der Weg zum Kinderturnen zum Bult, mittlerweile turnen Tausende auch im Sportforum am Billwerder Billdeich – von Aerobic über Judo bis Zumba. Ihr Slogan „Wir bewegen Bergedorf“ ist ein echtes Versprechen. Bergedorf strahlt über seine Grenzen hinaus.

Nur Puristen unterteilen streng in Bergedorf, Lohbrügge, Vier- und Marschlande. Doch ein paar Schritte unter der Eisenbahnbrücke hindurch nach Lohbrügge lohnen sich – schon wegen der Eisdiele mit ihrem schier göttlichen Eis. Und wo wir schon in Wolken schweben: Bergedorf besitzt mit St. Petri und Pauli ohne Zweifel eine zentrale, schöne Kirche (und noch weitere). Doch auch die Gotteshäuser im Landgebiet sind nicht minder interessant. Ob religiös oder nicht: In jeder ist zu finden, was jeder beste Stadtteil Hamburgs braucht. Frieden. Und Gelassenheit.

Bergedorf: Das sind die Highlights

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1. Bergedorfer Schloss

Schloss

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    Ein absolutes Muss in Bergedorf ist natürlich das Schloss, eine Wasserburg, in der es viel zu entdecken gibt. Aktuelle Ausstellungen bieten immer wieder Neues, aber auch die Historie ist in dem Gemäuer gut nachzuempfinden. Das Museum an der Bergedorfer Schlossstraße 4 ist von Dienstag bis Sonntag jeweils von 11 bis 17 Uhr geöffnet, Eintritt 5 Euro, ermäßigt 3,50 Euro.

    2. Serrahn und Schiffe

    Serrahn

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      Wasser gehört zu diesem Stadtteil, nicht nur am Schloss. Vom Serrahn aus, dem kleinen Hafen in der Stadtmitte, lassen sich das Landgebiet, Hamburg und sogar Berlin bereisen. Zudem sind Fahrten auf „Uns Ewer“ möglich, etwa zum Rieck-Haus in Curslack. Mehr Infos zu Schiffstouren unter www.barkassenfahrt.de sowie www.vierlanden-ewer.de.

      3. Sachsentor

      Sachsentor

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        Das Sachsentor – eine kleine, feine Fußgängerzone mit Charme – inklusive Kaffeerösterei, Buchladen und ungezählten Postkartenmotiven. Wer einmal den Blick von den Auslagen der Geschäfte lässt und nach oben schaut, kann architektonische Vielfalt genießen, denn die Häuserfassaden stammen zum Teil aus den vorigen Jahrhunderten.