Hamburg. Wo ist es in der Stadt am schönsten? Teil 34: Hip sind vielleicht die anderen. Hier gehört Understatement zum Lokalkolorit.

Sasel? Da kann man doch nicht wohnen!“ Es war ein Aufschrei des Unverständnisses, den der Mann vom Stapel ließ, ein nicht ganz unbekannter Politiker dieser Stadt. „Liegt Sasel nicht irgendwo im Westen?“, gab seine Nachbarin am Stehtisch ihre Ortsunkenntnis zum besten. Nein, es liegt im Nordosten. Aber es war ein lauer, schöner Sommerabend im baumbestandenen Garten einer sehr prächtigen alten Villa an einer der mondänsten Ecken Hamburgs. Da war Sasel so weit weg wie, sagen wir, Pinneberg. Also Schwamm drüber.

Nicht beachtet oder gekannt zu werden stört die Saseler wohl am allerwenigsten. Und nicht in einem Atemzug mit den angeblich angesagtesten Stadtteilen genannt zu werden ebenso. Das Understatement gehört hier zum Lokalkolorit. Sehr grün, ziemlich ruhig und, na ja, gut bürgerlich geordnet ist es hier, und das ist nicht für jedermann und jedefrau zuträglich, klar. Wer den etwas anderen Stadtteil allerdings kennenlernen will, der muss anhalten und aussteigen oder absteigen und zu Fuß weitergehen. Also bitte, hereinspaziert!

Wer mit der S 1 bis zur Endstation Poppenbüttel fährt, geht am besten den Heegbarg hinunter und biegt dann links in den Saseler Damm ein. Dann muss man vor der Bäckerbrücke den Fußweg nach rechts verlassen und steht plötzlich am Ufer der meist träge dahinfließenden Alster. Das Alstertal mit dem Wanderweg ist auch hier ein städtisches Idyll und bildet den grünen Rand des Stadtteils. Nach Osten geht der Blick auf das Saseler Hochufer (wo die Grundstücke so groß sind, dass man die Häuser von der Straßenseite aus kaum sieht). Bald läuft der Alsterwanderweg auf die wenig bekannte Alsterschleife zu.

Sasel: Das sind die Fakten

  • Einwohner: 23.778
  • Davon unter 18: 4570
  • Über 65: 6092
  • Durchschnittseinkommen: 61.360 € (2013)
  • Fläche: 8,4 km²
  • Anzahl Kitas: 12
  • Anzahl Schulen: 3 Grundschulen, 1 Gymnasium
  • Wohngebäude: 7528
  • Wohnungen: 10.987
  • Niedergelassene Ärzte: 32
  • Straftaten im Jahr 2018: Erfasst: 731; Aufgeklärt: 203

Hier, wo der Fluss einen langen Bogen schlägt, soll einst die Mellingburg gestanden haben. Heute ist die streng geschützte und nicht frei zugängliche Trockenrasenfläche Heimat vieler seltener Pflanzen, Falter, Insekten, Frösche und Vögel. Sogar Seeadler können gelegentlich beobachtet werden. Fuchs, Dachs und Hermelin sind hier heimisch (der Nabu bietet Führungen an). Ganz in der Nähe liegt die Mellingburger Schleuse, die älteste noch intakte Alsterschleuse von 1835, heute ein Baudenkmal. Sasel grenzt zudem im Norden an eines der kleinsten Hamburger Naturschutzgebiete – Hainesch/Iland mit drei eiszeitlich geformten Bachtälern –, und eine grüne Ader führt entlang der Saselbek bis zu den Teichwiesen im Osten.

Viel Natur also immer noch. Doch wo sich noch vor einigen Jahrzehnten Wiesen und Felder erstreckten, stehen jetzt Häuser, zumeist Einfamilienhäuser oder Doppelhaushälften. Heute ist Sasel ein gerade für junge Familien attraktiver Stadtteil, aber immer schwerer erschwinglich, weil die Grundstückspreise auch hier in die Höhe schießen.

Lange war Sasel ein Bauerndorf

Lange war Sasel ein Bauerndorf geblieben, während sich die Stadt rundherum ausbreitete. Den ersten Bevölkerungsschub gab es vor 100 Jahren: 1919/20 wurde der Siedlungsverein Sasel gegründet. Das Ziel: Familien mit geringen Einkommen, „Arbeiter aus der Stadt“ sollten im Alstertal ein kleines Haus bauen können. Der Plan ging auf: Bis in die 60er-Jahre hinein prägten die einfachen Siedlungshäuser mit relativ großen Grundstücken (bis zu 4000 Quadratmeter) für Gemüse- und Obstanbau – und häufig mit einem Stall für Geflügel – das Bild des Stadtteils.

Sasel war also schon damals anders als die großbürgerlich geprägten benachbarten Walddörfer und repräsentierte den kleinbürgerlichen, gewissermaßen sozialdemokratischen Traum vom Eigenheim. Auch wenn viele der großen Grundstücke mittlerweile aufgeteilt und neu bebaut sind: Noch immer stehen etliche der alten Siedlungshäuser, etwa im Donauviertel. Besonders schöne Exem­plare sind die denkmalgeschützten Häuser des Chilehaus-Architekten Fritz Höger an der Straße Op de Elg.

Ortskern ist von Gründerzeit geprägt

Auch der Ortskern, der Saseler Markt, mit seinen Gebäuden aus dunkelrotem Backstein – darunter das markante ehemalige Rathaus, heute ein Restaurant – ist noch von dieser Gründerzeit geprägt. Über die Neugestaltung des Marktplatzes wird zwar erst seit 20 Jahren mit Leidenschaft diskutiert, aber im Grunde kann er auch so bleiben, wie er ist. Donnerstags und sonnabends ist Wochenmarkt. Um den Platz herum gibt es eine Reihe von Geschäften für den täglichen Bedarf. Die Saseler müssen also nicht unbedingt ins nahe Alstertal-Einkaufszentrum fahren ...

Wichtigster Treffpunkt ist das Sasel-Haus, das mitten im Ort liegt. Das drittgrößte Stadtteilkulturzentrum Hamburgs, untergebracht in der ehemaligen Scheune des Gutshofs Sasel, bietet Konzerte, Sprach-, Gesundheits- und Kreativkurse an. Auch wenn viele (Neu-)Saseler vor allem die Lebensqualität dieses Stadtteils und die Naturnähe schätzen, es gibt noch eine traditionelle Vereinsstruktur – vom TSV Sasel über den Heimatverein bis zum Männerchor Salia und dem Frauenchor Sasel. Dass die Saseler zusammenhalten, bewiesen sie mit den 2007 erfolgreichen Protesten gegen einen Ausbau des Rings 3 über den Saseler Markt hinaus Richtung Berne.

Das ist Sasel: fast schon draußen und doch in der Stadt. Elbphilharmonie? Vielleicht, aber auf jeden Fall zum Weihnachtsmarkt ins Sasel-Haus.

Sasel: Das sind die Highlights

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1. Mellingburger Schleuse

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    Die älteste noch erhaltene Hamburger Alsterschleuse (1835) ist ein sehenswertes Baudenkmal und zugleich der Ausgangspunkt für spannende Touren zu Wasser und auf dem Alsterwanderweg. Die Alsterschleife, 100 Meter flussabwärts, ist eine Naturoase und Heimat seltener Pflanzen, Frösche und Vögel. Hier stand auch einst die namensgebende Mellingburg.

    2. Füerbarg

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      Der kreisrunde Platz sollte einmal das Ortszentrum Sasels werden. In den 20er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts hatte die Siedlungsbewegung starken Zulauf, bis heute existieren noch etliche der kleinen Häuser im Stadtteil. Aber der ganz große städtebauliche Plan wurde nie realisiert. Heute zünden die Anwohner auf dem Füerbarg jedes Jahr ein Osterfeuer an.

      3. Fischhaus Sasel

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        Seit 1932 werden in dem Ladengeschäft mit dem original erhaltenen Neon-Schriftzug am Saseler Markt frische Fische verkauft. Die Familie Veldhoen ist seit 1985 Inhaber – mittlerweile ist auch die zweite Generation am Start. Das Fischhaus Sasel bietet selbst gemachte Fischsalate und andere Fischspezialitäten aus Meer, See und Fluss – eine Institution im Norden.