Hamburg. Dr. S. und Dr. H. sollen mit dem untergetauchten Prof. Auffermann die Krankenkassen um 34 Millionen Euro betrogen haben. Plädoyer.
In einem der schillerndsten Prozesse gegen mutmaßlich betrügerische Ärzte und Apotheker hat die Staatsanwaltschaft Hamburg lange Haftstrafen für die beiden Angeklagten gefordert. Dr. S. (67) und Dr. H. (59) sollen gemeinsam mit dem nach Dubai entflohenen Prof. Dr. Wolfgang Auffermann durch Abrechnungsbetrug den gesetzlichen Krankenkassen einen Schaden in Höhe von 34 Millionen Euro zugefügt haben. Gleichzeitig sollen sie selbst dadurch Profite in Höhe von mehreren Hunderttausend Euro eingestrichen haben.
Am Freitag verlangte die Staatsanwaltschaft in dem Prozess vor der Großen Strafkammer des Landgerichts acht Jahre Haft für Dr. S. und sieben Jahre für Dr. H.
Urteil könnte im August fallen
Das Urteil könnte im August 2016 fallen. Die Pleite des Radiologie-Imperiums von Prof. Auffermann wurde Ende 2012 offenbar, die Anklage kam nach diversen Abendblatt-Berichten, Razzien und aufwendigen Recherchen der Ermittler Ende 2015 zustande, seitdem sitzen die Angeklagten in Untersuchungshaft. Auffermann entzieht sich dem Haftbefehl, Dubai hat ihn bislang nicht ausgeliefert. Sein Verfahren wurde abgetrennt.
Vier Monate dauerte bisher der Prozess gegen die mutmaßlichen Mittäter. Beide beteuerten, nicht gewusst zu haben, dass die Konstruktion, die für die Abrechnung von Kontrastmitteln, die Rabatte und die Gewinne gewählt wurde, kriminell sein könnte.
Vor Gericht wurde klar, dass es mehrere Gutachten für Hanserad gegeben hatte, die zeigten: Was Auffermann tat, um sein seit 2010 vor der Pleite stehendes Unternehmen Hanserad zu retten, war illegal. Nur eine Expertise hatte offenbar keine Bedenken gegen die Gewinnabschöpfung durch den schwungvollen Kontrastmittelhandel.
Gutachter soll Angeklagten gewarnt haben
Ein Gutachter soll den Angeklagten H. sogar gewarnt haben. Eine Zeugin sagte, sie habe H. gesagt: "Das ist Betrug." Er habe gesagt: "Egal, wir brauchen das Geld."
Die Staatsanwaltschaft hielt dem Angeklagten H. vor: Als Geschäftsführer hätte er wissen müssen, dass schon bei seinem Jobantritt 2010 Hanserad bei zehn Millionen Euro Jahresumsatz 23 Millionen Euro Verbindlichkeiten hatte und dass der gewinnversprechende Weg über die Verquickung von Kontrastmittel-Bestellung, Rabatten und Beteiligung am Lieferanten illegal sei.
Für ihn spreche, dass er teilgeständig sei, dass er anders als der zweite Angeklagte, nicht vorbestraft sei und dass H. "mutmaßlich nicht selbst darauf gekommen wäre, solch ein Konstrukt zu erfinden".
Heftige Kritik an Krankenkassen
In diesem Konstrukt soll Apotheker Dr. S. als Lieferant die Kontrastmittel besorgt haben. Über eine verschachtelte Beteiligung und Verträge soll er fünf Prozent der Gewinne, Auffermann mit Hanserad 95 Prozent abgeschöpft haben. Dabei, das behaupteten mehrere Zeugen im Prozess, soll Auffermann nach Gutdünken gewaltige Mengen ans Kontrastmitteln bestellt und dabei Blankorezepte verwendet haben. Sie sollen mit einer Arztnummer versehen und bereits unterschrieben gewesen sein. Zuletzt hätten noch Kontrastmittel für 16 Millionen Euro bei Hanserad gelagert.
Hier liegt einfach gesagt ein Kern des Vorwurfs: Ein Arzt darf nicht Rezepte ausstellen und von der Lieferung profitieren. Der banden- und gewerbsmäßige Betrug sei hier erfüllt, so die Staatsanwaltschaft in ihrer ausführlichen Begründung. Beide hätten gewusst, was sie taten.
Doch Staatsanwalt Karsten Wegerich übte auch heftige Kritik an Krankenkassen und Kassenärztlicher Vereinigung. Durch lasche Kontrollen seien die Angeklagten und Auffermann geradezu eingeladen worden, die Taten zu begehen.
Auffermann, der sich bisweilen aus Dubai per Videobotschaft (wie man Rückenleiden diagnostiziert) oder per Anwalt meldet, sollte in Hamburg für oder gegen seine ehemaligen Partner als Zeuge auftreten. Diese Aufforderung des Gerichts lehnte er dankend ab.