Heute beginnt im CCH Europas größter Stifterkongress. Die Mahnung: Wir können staatliche Leistungen nicht ersetzen. Zur feierlichen Eröffnung wird auch Bundespräsident Joachim Gauck kommen.
Hamburg. Die mehr als 20.000 Stiftungen in Deutschland haben ein Gesamtvermögen von rund 100 Milliarden Euro. Das geht aus einer Schätzung des Bundesverbands Deutscher Stiftungen hervor. Die Organisation veranstaltet von diesem Mittwoch an in Hamburg den größten Stifterkongress Europas mit mehr als 2000 Teilnehmern aus ganz Deutschland. Die 1300 Stiftungen in der Hansestadt verfügen insgesamt über ein Kapital von 7,8 Milliarden Euro. Allein im vergangenen Jahr wurden in Hamburg 35 neue Stiftungen mit einem Gesamtvermögen von 33 Millionen Euro gegründet. Sie unterstützen vorrangig Jugend- und Sozialarbeit. Die Hansestadt gilt mit umgerechnet 75 Stiftungen pro 100.000 Einwohnern als die führende Stiftermetropole in Deutschland.
Der Vorstandsvorsitzende des Bundesverbands Deutscher Stiftungen, Professor Wilhelm Krull, hat allerdings vor zu hohen politischen Erwartungen an die Stiftungen gewarnt. „Sie wollen und können nicht Ausfallbürgen der öffentlichen Hand sein. Stiftungen wirken immer ergänzend zum staatlichen Handeln“, sagte Krull zum Kongressauftakt im CCH dem Abendblatt. „Komplementär statt kompensatorisch lautet daher die Devise.“
Traditionell verfolgen die Stiftungen in Deutschland vor allem soziale Zwecke. Außerdem unterstützen sie Wissenschaft, Forschung, Bildung und Kultur. „Ohne diese finanziellen Mittel wäre manches Seniorenheim in Hamburg ohne Pfleger, manche Kirche wegen Baufälligkeit geschlossen und manche Vorlesung ohne Professor“, sagt Johanna von Hammerstein, Vorstandsvorsitzende der Bürgerstiftung Hamburg. Die Hamburger Stiftungsexpertin betont auch, dass Stiftungen staatliche Leistungen nicht ersetzen sollten. „Sie können oft für das Salz in der Suppe, selten aber für die Suppe selbst sorgen.“ Wirklich lebendig werde ein Land durch Menschen, die mehr tun, als sie tun müssten. Gerade die sehr kleinen Stiftungen lebten vom Engagement ihrer Stifter.
Bis zum Freitag debattieren die Kongressteilnehmer unter anderem über die Folgen der anhaltenden Niedrigzinsphase und das Potenzial für neue Stiftungen. Der Bundesverband hält Initiativen für digitale Bürgerrechte und den Kampf gegen rechtes Gedankengut für dringend notwendig. „Auch das Zusammenwachsen Europas sollte verstärkt in den Blick genommen werden“, sagte Wilhelm Krull. Zudem müsse noch mehr für die Förderung von Wissenschaft und Forschung getan werden.
Zur feierlichen Eröffnung wird heute Abend auch Bundespräsident Joachim Gauck kommen. Weitere prominente Gäste sind unter anderen der Unternehmer Richard Oetker, der Wissenschaftler Ulrich Beck und die Starköchin Sarah Wiener. Einer der Höhepunkte ist die Verleihung des Deutschen Stifterpreises an den Unternehmer Dietmar Hopp. Der Kongress steht unter dem Motto „Deutsche Stiftungen: Mitten im Fluss und gegen den Strom“.