Die Aufräumarbeiten nach dem verheerenden Orkantief „Christian“ laufen im Norden auf vollen Touren. Aber noch immer ist der S-Bahn- und Zugverkehr beeinträchtigt, und Wälder in einigen Regionen dürfen nicht betreten werden.
Hamburg/Kiel. Der Orkan „Christian“ wird die Versicherungsbranche nach Einschätzung von Experten eine dreistellige Millionensumme kosten. Die versicherten Schäden in Deutschland dürften sich auf 200 bis 300 Millionen Euro belaufen, prognostizierte der weltgrößte Rückversicherungsmakler Aon Benfield am Mittwoch in Hamburg. Dagegen erklärte der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft in Berlin, für eine Schätzung sei es noch zu früh, weil erst die einzelnen Versicherungsunternehmen die Schäden erheben müssten. Die Provinzial in Kiel geht für Schleswig-Holstein weiterhin von einer zweistelligen Millionensumme aus, die Feuerkasse Hamburg von etwa fünf Millionen Euro.
Die Folgen des Orkantiefs beeinträchtigten am Mittwoch weiter das öffentliche Leben. In erster Linie litten Bahnpendler. Mehrere Strecken konnten gar nicht oder nur eingeschränkt befahren werden. Besonders zwischen Hamburg, Kiel und Flensburg mussten viele auf Autos und Busse umsteigen oder ganz auf Fahrten verzichten. Züge fuhren immer noch nicht von Hamburg nach Kiel – der Streckenabschnitt zwischen Tornesch und Elmshorn war weiterhin voll gesperrt. „Da liegen etwa 100 Bäume auf den Gleisen“, sagte ein Bahnsprecher. Wer von Hamburg-Altona nach Westerland auf Sylt wollte, kam mit dem Zug zunächt nur bis Tornesch. Mit dem Bus ging es weiter nach Elmshorn, von dort fuhr der Zug dann bis Westerland. Ab Donnerstag sollten die Züge der Nord-Ostsee-Bahn auf der gesamten Strecke fahren, wenn auch mit größeren Verspätungen.
Zwischen Neumünster und Kiel sei derzeit nur ein Gleis befahrbar, teilte die Bahn mit. Ein Pendelbetrieb wurde eingerichtet. Reisenden zwischen Hamburg und Neumünster stand als Alternative die Strecke Bad Oldesloe-Neumünster zur Verfügung, wo Züge mit erhöhter Kapazität fahren. Die Strecke von Hamburg nach Padborg in Dänemark sei gesperrt, weil zwischen Neumünster und Flensburg mehr als 70 Bäume die Gleise blockieren.
Die vorübergehend freie Strecke zwischen Buxtehude und Stade musste am Mittwochnachmittag erneut für den S-Bahn- und Zugverkehr gesperrt werden, weil wieder ein Baum auf die Gleise gestürzt war. Die Züge der Linie S2 von Hamburg-Altona nach Bergedorf rollen wieder. Der Zugverkehr zwischen Kiel und Rendsburg läuft ebenfalls.
Die Landesforstbehörde warnte weiterhin davor, Wälder zu betreten. In den Kreisen Nordfriesland, Schleswig-Flensburg einschließlich der Stadt Flensburg sowie im Kreis Rendsburg-Eckernförde ist es ganz verboten. Für Waldkindergärten mit kleinem Areal gab es eine Sonderregelung.
Die Situation solle am Freitag neu bewertet und möglicherweise dann das Betretungsverbot gelockert werden. Der Orkan hat in den Wäldern Bäume geknickt und beschädigt, so dass rund 300 000 Kubikmeter Holz anfallen – so viel wie sonst in einem halben Jahr im Norden gefällt wird. Jetzt sollen erst Straßen und dann Waldwege geräumt werden. Die Forstverwaltung gehe davon aus, das Holz bergen und normal vermarkten zu können, sagte die Sprecherin. Das Orkantief war am Montag mit Spitzengeschwindigkeiten von mehr als 170 Kilometer je Stunde über das Land gefegt.
In Schleswig-Holstein war außer Nordfriesland der Raum Flensburg besonders stark betroffen. In Flensburg fiel an mehreren Schulen erneut der Unterricht aus. Die dortige Universität nahm nach der vorübergehenden Schließung wegen Sturmschäden ihren Betrieb weitgehend wieder auf. Einzig im Hauptgebäude fanden weiter keine Veranstaltungen statt. Dort hatte der Sturm das Dach teilweise abgedeckt. Der Schaden erreicht vermutlich Millionenhöhe.
Unterdessen sind alle Haushalte in Schleswig-Holstein wieder mit Strom versorgt, nachdem 50 000 orkanbedingt zeitweise keinen hatten. Probleme hatten dagegen noch Handy-Nutzer in Flensburg und auf den nordfriesischen Inseln. Es gebe punktuelle Engpässe, sagte Julia Leuffen, Pressesprecherin beim Telekommunikationsunternehmen Telefónica, zu dem der Anbieter O2 gehört. „Wie viele Kunden davon betroffen sind, lässt sich nicht genau beziffern. Wir arbeiten mit Hochdruck an einer Lösung.“
Das Orkantief verursachte auch in Hamburg an Gebäuden Schäden in Millionenhöhe. „Wir gehen mittlerweile von einem Gesamtvolumen von etwa fünf Millionen Euro aus“, sagte der Sprecher der Hamburger Feuerkasse, Christoph Prang. Die Zahl der Schadensfälle bezifferte er auf rund 5000. Für Schleswig-Holstein zog die Landespolizei ein Zwischenfazit: „Wir mussten am Montag etwa 5000 Einsätze bewältigen“, sagte Lothar Gahrmann vom Landespolizeiamt. Obwohl in den Leitstellen alle Plätze besetzt waren, konnten nicht alle Anrufe entgegengenommen werden. # dpa-
So wütete „Christian“ in der Metropolregion
Lesen Sie hier einzelne Berichte über die Auswirkungen des Sturmtiefs „Christian“ in der Metropolregion Hamburg: