Professor Mojib Latif sieht jedoch keinen Zusammenhang mit weltweitem Klimawandel
Kiel. Als der Orkan zum Wochenanfang über Norddeutschland hinwegfegte, befand sich Klimaforscher Mojib Latif mit seinem Dienstwagen auf der Fahrt von Eckernförde nach Kiel. Selbst einem so erfahrenen Wissenschaftler haben die Schäden überrascht. „So etwas habe ich noch nicht erlebt. Überall umgestürzte Bäume und sehr viele Unfälle.“ Auch die Gischt an der Kieler Förde sei rekordverdächtig gewesen.
Schon von Berufs wegen beschäftigt sich der Professor am Helmholtz-Institut für Ozeanforschung Kiel (Geomar) mit extremen Wettereignissen. Doch einen Zusammenhang zwischen Klimawandel und diesem extremen Orkantief „Christian“ kann Latif nicht erkennen. „Das war zwar ein außergewöhnlicher Herbstturm, der nicht so häufig vorkommt.“ Aber bei der Betrachtung der langfristigen Entwicklung über viele Jahrzehnte hinweg könne man keinen Trend ausmachen. Im Rückblick auf die vergangenen Jahrzehnte hat sich nach Latifs Angaben die durchschnittliche Windgeschwindigkeit in Deutschland jedenfalls nicht verändert.
Erst im Rahmen einer langfristigen Prognose könne man sagen, dass die Intensität der Stürme in Norddeutschland als Folge der globalen Erwärmung zunehmen werde. Doch nicht nur das: Auch die Frequenz regional begrenzter Extremwetterereignisse wird steigen. „Es werden sich die kleinräumigen Stürme im Zusammenhang mit heftigen Gewittern bis hin zu Tornados häufen. Diese Wetterereignisse können in sehr begrenzten Gebieten enorme Schäden anrichten.“ Zwar erzielten „Christians“ Böen an der Nordsee einige Spitzenwerte. Aber ein Rekordorkan war er damit noch längst nicht. Latif: „Bei ‚Anatol‘ am 3. Dezember 1999 waren die Böen gebietsweise noch etwas stärker.“ Jetzt rät der Klimaforscher den Kommunen, sich rechtszeitig für die Sturmsaison zu wappnen. „Man sollte versuchen, mögliche Gefahrenherde zu beseitigen – also zum Beispiel, morsches Holz von den Bäumen zu entfernen“, empfiehlt er.
Unterdessen streiten Meteorologen darüber, ob für alle Regionen rechtzeitig Unwetterwarnungen herausgegeben wurden. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) habe zwei Tage vorher auf Gefahren hingewiesen, sagte DWD-Meteorologe Lars Kirchhübel. 24 Stunden bevor „Christian" über Deutschland fegte, habe es Vorwarnungen für Norddeutschland gegeben, jedoch nicht ausdrücklich auch für Hamburg. Klimaforscher Latif bezeichnete die jüngsten Warnungen als prinzipiell ausreichend. „Allerdings bleibt bei Böen immer eine gewisse Unsicherheit.“ Und weil der Sturm vor allem am Tag tobte, seien größere Behinderungen programmiert.