Erlebnisse im Sturm: Eva Padberg schaffte es nicht in die Sendung, das Shakespeare-Gastspiel begann verspätet und Busfahrer halfen aus. So chaotisch verlief der Sturm-Tag in Hamburg.
Hamburg. Wer am Sturm-Montag hinausmusste, erlebte die gewaltige Kraft von Orkantief „Christian“. Abgebrochene Äste, einknickende Eichen, ängstliche Kinder, Verkehrschaos, aber auch äußerst nette Busfahrer – die Menschen konnten gar nicht anders, als über das Wetter zu sprechen. NDR-Moderator Hinnerk Baumgartensaß in seiner Sendung „DAS“ allein auf dem roten Sofa. Studiogast Eva Padberg hatte es wegen des Sturms nicht rechtzeitig nach Lokstedt geschafft. Baumgarten führte das Interview telefonisch. Jeder hat seine ganz persönlichen Erlebnisse mit „Christian“. Abendblatt-Redakteure schildern ihre Anekdoten.
„Schlechte Nachrichten aus meinem Elternhaus in Hummelsbüttel. Von drei großen alten Eichen, die davorstehen, haben zwei den Sturm nicht überstanden. Eine brach auseinander, die andere neigt sich gefährlich aufs Haus. Der Notruf war am Montag immer besetzt, sodass meine Eltern die ganze Nacht befürchten mussten, dass die Eiche aufs Haus fällt. Meine Mutter zog daher vom ersten Stock ins Gästezimmer. Am Dienstag wurden die Bäume gefällt. Und jedes Mal, wenn ich künftig zu Besuch komme, werden mich die fehlenden Bäume an diesen Sturmtag erinnern.“ Friederike Ulrich
Abendblatt-Leserbotschafter Ralf Nehmzow brauchte knapp zehn Stunden von Koblenz nach Hamburg. Zu einer Medienkonferenz war Nehmzow am frühen Montagmorgen um 6 Uhr mit der Bahn gestartet. Um 17.13Uhr fuhr er mit dem IC 2022 zurück. „Planmäßig sollte der Zug um 22.31Uhr in Hamburg sein. Doch: In Münster war die Fahrt zu Ende. Warten auf den Bus, dann ging es weiter nach Osnabrück und nach Bremen. Dort war ein Menschenauflauf um 1.30 Uhr, die Stimmung verhalten, denn: Die Bahn hatte die Reisenden immer wieder hingehalten, wie sie weiter nach Hamburg kämen. Gegen 2 Uhr zahlte die Bahn nach zähen Verhandlungen den Reisenden Taxis nach Hamburg. Fazit: Eine nettekleine Reisegruppe, die sich in der Not zusammenfand.“
„Der Sturm hat bei uns das Fenster im Treppenhaus zertrümmert und die zehn Meter langen Planen am Gerüst des Nachbarhauses abgerissen. Sie flattern seitdem wie ein Sturmsegel im Wind. Und ich habe mit meinen Kindern versucht, mit dem Regenschirm zu fliegen, dafür aber hat der Sturm leider nicht gereicht.“ Hanna Kastendieck
„Gespräche über den Sturm waren am Montag absolut tabu. Sobald jemand davon anfing, musste ich meinen Zeigefinger auf die Lippen legen. Nicht vor dem Kind, sollte das bedeuten. Denn die Fünfjährige hatte furchtbare Angst vor dem Sturm. ‚Können Häuser einfach umkippen? Fallen Bäume um? Ist morgen auch noch Wind? Fliegen Dächer weg? Warum ist das eigentlich so laut?‘ Noch lauter als der Sturm war der Mann vor dem Kaifu-Gymnasium mit seinem Laubsauger. Er hatte einen Auftrag: Das Laub muss weg. Egal, ob es stürmt oder nicht. Dass die Blätter ohnehin wieder durcheinandergewirbelt wurden, schien ihm egal. Auftrag ist Auftrag.“ Geneviève Wood
„Ausnahmezustand gegen 19.30Uhr an der Bushaltestelle Schlump. Eine Frau und ihre neunjährige Tochter stehen an der Bushaltestelle. Sie haben gerade den letzten völlig vollgestopften Bus in Richtung Sternschanze verpasst. Ein Busfahrer, der offenbar eine Leerfahrt hat, sieht sie dort stehen, hält an. ‚Wollt ihr Richtung Sternschanze? Dann steigt mal ein!‘ Dankbar setzen sich Mutter und Tochter in den Bus. ‚Ich muss aber die Lichter im Bus auslassen – sonst muss ich an jeder Haltestelle anhalten‘, sagt der Fahrer. An der Sternschanze stellt er sich an der Haltestelle in Position für die nächste reguläre Tour und lässt seine blinden Passagiere aussteigen. ‚So, und jetzt kommt gut nach Hause!‘ Ruhe und Menschlichkeit inmitten des Sturms.“ Andreas Burgmayer
„Ich bin beinahe darauf hineingefallen: Am stürmischen Montag suchten viele Nutzer auf Twitter Informationen zum überlasteten Nahverkehr. Ein unbekannter Spaßvogel startete den vermeintlich offiziellen Twitteraccount der Hamburger Hochbahn@hvvhamburg. Viele fielen darauf hinein. Doch auf Fragen wie ‚Wie sieht es mit der #S1 Richtung Westen aus?‘ gab es nur ‚Leider schlecht. Bleiben Sie ruhig und legen sich flach auf den Boden‘ als Antwort. Unter @hochbahn informierte das Unternehmen Reisende tatsächlich über Ausfälle und Verspätungen und Ersatzverkehr.“ Jenny Bauer
„Der Weg ins Umland und von dort zurück war nahezu komplett vom Schienenverkehr abgeschnitten. Die Regionalbahnen fuhren nicht. Pendler aus und nach Ahrensburg versuchten, sich in Fahrgemeinschaften zusammenzuschließen und Taxis zu bekommen. Doch die waren Mangelware. Wer es aus dem Umland kommend bis zum Hauptbahnhof geschafft hatte, konnte in Richtung Westen auch am späten Abend noch lediglich mit der S-Bahn durch den Citytunnel bis Altona fahren. Von dort musste es mit Linienbussen weitergehen. Die meisten Fahrgäste machten sich zu Fuß auf den Weg. Glücklich war, wer einen freundlichen Busfahrer erwischte, der auf der Strecke anhielt, um die Fußgänger einzusammeln.“ Hinnerk Blombach
„Die Vorstellung ,König Lear‘ am Thalia Theater, ein Gastspiel aus München beim Hamburger Theaterfestival, begann mit einer halbstündigen Verspätung. Viele Zuschauer kamen nicht oder nicht rechtzeitig an, dadurch waren viele Plätze im Parkett nicht besetzt, obwohl die Vorstellung eigentlich ausverkauft war. Die Zuschauer sind dann zusammengerückt, damit es nicht so leer aussieht. Und Nikolaus Besch, der Festivalleiter, sagte in einer kurzen Ansprache, dass Shakespeares ,Sturm‘ dem Abend ja fast einen Strich durch die Rechnung gemacht habe. Tatsächlich spielte in einer Szene auf der Bühne ein schwerer Sturm dann auch eine Rolle.“ Maike Schiller
„Der Metronom Richtung Stade war komplett ausgefallen, der S-Bahn-Betrieb ab Harburg eingestellt, Autos und Busse im langem Stau: „Christian“ machte den Weg in den Süden zur Herausforderung für jeden Berufspendler. Doch was ist mit den Hadag-Fähren? Nun ein bisschen Sturm sollten sie abkönnen, dachte ich mir. Während viele Kollegen lieber noch eine Weile im Büro ausharrten, machte ich mich auf den Weg zu den Landungsbrücken: Und klar, sie fuhren. Warum auch nicht? Umgestürzte Bäume sind auf der Elbe ja auch eher selten.“Axel Tiedemann