Bahnverkehr eingestellt und zahllose Einsätze für Polizei und Feuerwehr: Orkantief „Christian“ hat den Norden überrollt. An der Nordsee erreichten die Böen eine Geschwindigkeit von 173 km/h.

Flensburg/Hamburg. Das Orkantief „Christian“ hat am Montag für Chaos im Hamburger Verkehr und zahlreiche Einsätze von Polizei und Feuerwehr gesorgt. S-Bahnen und Regionalzüge fielen aus, auf vielen Straßen staute sich der Verkehr. Am Hamburger Flughafen warteten etwa 1500 Passagiere in 15 Maschinen, die aufgrund des Sturmes nicht abgefertig werden konnten. Die Abfertigung sei für zweieinhalb Stunden eingestellt gewesen, sagte Pressesprecherin Stefanie Harder. Am späten Nachmittag sei der Betrieb aber wieder aufgenommen worden. Zehn Flüge seien gestrichen worden.

Die Feuerwehr Hamburg zählte bis zum Abend mehr als 1400 Einsätze. 500 weitere Hilferufe waren noch abzuarbeiten, wie ein Feuerwehr-Sprecher mitteilte. In Hamburg-Wellingsbüttel fuhr eine S-Bahn gegen einen umgeknickten Baum. Im Stadtteil Stellingen stürzten zwei Bäume auf die Oberleitung der Fernbahn und fingen Feuer. Der Sturm beschädigte zudem eine Reihe von Autos. An vielen Gebäuden wurden Dachziegel abgedeckt, Baugerüste kippten um, Fotovoltaik-Anlagen wurden durch das Unwetter beschädigt.

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Der Autoreisezug SyltShuttle der Deutschen Bahn nahm am Abend seinen Betrieb zwischen Niebüll und Westerland wieder auf. Bereits seit dem Morgen war Helgoland vom Festland abgeschnitten. Die Reederei Cassen Eils teilte mit, dass die Verbindung zwischen der Hochseeinsel und Cuxhaven (Niedersachsen) bis Dienstag eingestellt sei. Auch andere Fährverbindungen zu den Nordfriesischen Inseln waren am Montag unterbrochen.

Drei Tote in Norddeutschland

In Niedersachsen wurde eine Autofahrerin wurde in ihrem Wagen von einem umstürzenden Baum bei Schortens (Kreis Friesland) erschlagen. Orkanböen wirbelten durch weite Landstriche und über Inseln. Auf Juist wurden Rekordwerte von 170 Stundenkilometern gemessen.

Der erste schwere Herbststurm hat zwei Todesopfer in Schleswig-Holstein gefordert. Mehrere Menschen wurden verletzt. In Flensburg starb ein Mann, als ein Baum auf ihn fiel, wie die Polizei mitteilte. In Göhl nahe Oldenburg in Holstein starb eine 66-Jährige, als sie von einer fast drei Meter hohen Mauer aus Kalksandstein verschüttet wurde. Auch in Lübeck traf ein umstürzender Baum eine Frau. Die 57-Jährige wurde mit lebensgefährlichen Verletzungen ins Krankenhaus gebracht. In Bad Segeberg kamen zwei Menschen bei einem Auffahrunfall zu Schaden, der von einem herunterfallenden Ast ausgelöst wurde.

Der Verkehr im Norden brach teilweise zusammen: Die Deutsche Bahn stellte den Regionalverkehr in Schleswig-Holstein am Nachmittag komplett ein. Laut Egbert Meyer-Lovis, DB-Sprecher für Niedersachsen, Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein, sollten auch am Dienstag viele Strecken gesperrt bleiben. Dies gelte für die Linien Lübeck-Puttgarden, Kiel-Flensburg, Pinneberg-Elmshorn, Neumünster-Padborg und Itzehoe-Husum. Als erstes solle die Strecke Hamburg-Lübeck wieder aufgenommen werden. „Viele, viele Bäume sind umgeknickt, Oberleitungen wurden heruntergerissen, sogar Betonmasten.“ Er verstehe, dass dies für viele Menschen unangenehm sei. „Aber da geht Sicherheit vor.“

Das Orkantief „Christian“ raste mit einer Geschwindigkeit von bis zu 173 Stundenkilometern über den Norden. Der Spitzenwert wurde in St. Peter-Ording (Nordfriesland) gemessen. Dort flogen Strandkörbe durch Luft, sämtliche Läden wurden geschlossen. Auf der Halbinsel Eiderstedt wurden die Dächer mehrerer Lebensmittelmärkte abgedeckt. Auf Sylt wurden laut Deutschem Wetterdienst (DWD) am Nachmittag 82 Knoten erreicht, etwa 150 Stundenkilometer. Auf Helgoland wurden 137 Stundenkilometer gemessen.

Dem ARD-Wetterstudio zufolge gab sogar einen neuen Rekord bei Windgeschwindigkeiten für Norddeutschland. Die Stationen des Wetterdienstes mminternational auf Borkum und Helgoland-Oberland hätten am Nachmittag jeweils 191 Stundenkilometer verzeichnet, etwa acht Stundenkilometer stärker als der bisherige Topwert, teilte ein Sprecher vom zuständigen Unternehmen Bavaria Film aus München mit.

Die erste Sturmflut in diesem Herbst verlief in Hamburg glimpflich. Die Elbe schwappte am Abend in St. Pauli nur wenige Zentimeter hoch über die Kante. Das Wasser stieg in St. Pauli auf 1,74 Meter über dem mittleren Hochwasser, wie ein Sprecher des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) sagte. Berichte über Hochwasser-Schäden lagen der Polizei nicht vor.

Vor allem am Nachmittag hatte der Sturm Feuerwehr und Polizei in Atem gehalten. In Schleswig-Holstein waren alle verfügbaren Kräfte im Einsatz. Mehrere hundert Hilferufe konnten laut Landespolizeiamt nur zeitverzögert bearbeitet werden. Bei Bredstedt im Kreis Nordfriesland fuhr ein Zug der Nord-Ostsee-Bahn gegen einen umgestürzten Baum. 60 Fahrgäste mussten die Bahn verlassen. Stromausfälle gab es vor allem an der Westküste. Auf Helgoland wurde für zwei Stunden eine Ausgangssperre verhängt.