Der Atlas zeigt, in welchem Stadtteil es besonders stürmisch ist. Welchen Einfluss Hochhäuser auf die Böen haben und warum es im Hafen besonders stark zieht, erklären Meteorologen.
Jenfeld. Wer in Blankenese, Neugraben-Fischbek oder Duvenstedt lebt oder arbeitet, ist Wind und Wetter stärker ausgesetzt als jemand, der in Barmbek und Winterhude unterwegs ist. Meteorologische und regionale Daten des TÜV Nord markieren auf dem Hamburger Stadtplan, wo es in der Hansestadt besonders stürmisch ist. Dafür liegen jetzt Daten vor, die sich aus der Berechnung des Jahresmittels der Windgeschwindigkeit für das gesamte Stadtgebiet ergeben (siehe Grafik).
Zwar wehen immer wieder schwere Herbststürme über Hamburg hinweg, aber eine „Sturmmetropole“ ist die Hansestadt damit noch längst nicht. Rekordverdächtig sind da eher die ostfriesischen Inseln. Dort hat der Deutsche Wetterdienst ein Jahresmittel der Windgeschwindigkeit von mehr als 8,5Metern pro Sekunde (30,6Kilometer pro Stunde) herausgefunden. Im Vergleich: Nach TÜV-Angaben beträgt dieser Wert für das Hamburger Stadtgebiet 6,3 Meter pro Sekunde (22,7 Kilometer pro Stunde) – gemessen in einer Höhe von 100 Meter über Grund.
Immerhin attestiert der TÜV Nord, dass sich die Windenergienutzung in Hamburg angesichts dieser Resultate auf einem „insgesamt attraktiven Niveau“ befindet. Allerdings treten in der Stadt deutliche regionale Unterschiede auf. Je mehr es elbabwärts geht, umso stärker weht der Wind. So hat das Institut für Wetter- und Klimakommunikation am Montag auf Finkenwerder eine 120 Stundenkilometer schnelle Orkanböe registriert.
Aber auch in einigen Randgebieten, wie in Duvenstedt und im Nordosten, ist die Windgeschwindigkeit im Jahresmittel größer als in der Innenstadt. In der City liegt die durchschnittliche Windgeschwindigkeit bei ungefähr 6,1Metern pro Sekunde. Dafür sind in diesem Raum Windprognosen ungleich schwieriger. Denn über Wind und Wetter entscheiden hierzulande nicht allein Nordsee und Atlantik.
Vor allem die städtische Architektur übt einen großen Einfluss auf die Windstärke aus. „Überall dort, wo Hochhäuser dicht nebeneinanderstehen, können sich Düseneffekte einstellen“, sagt Frank Böttcher vom Institut für Wetter- und Klimakommunikation in Hamburg.
Hobbyskipper auf der Alster wissen aus eigener Erfahrung, wie sich durch die Bebauung am Ufer plötzlich heftige Böen entwickeln können. Gerade die Verwirbelung des Windes in der Innenstadt macht die Alster zu einem schwierigen Segelrevier. Böttcher: „Die Böenwellen, die sich an den Hochhäusern bilden, sind auf der Alster legendär. Auf wenigen Metern springt die Windrichtung bei starken Winden erheblich und ändert stark seine Intensität.“
Auch Frank Harms, Versuchsleiter beim „Windkanal“ im Zentrum für Marine und Atmosphärische Wissenschaften (ZMAW), beobachtet einen deutlichen Einfluss von größeren Gebäuden auf die Intensivität des Windes. So könnten in Bodennähe vor Hochhäusern stärkere Böen auftreten. „Grundsätzlich bremsen große und exponierte Gebäude wie die Elbphilharmonie den Wind ab.“ Seit den 1980er-Jahren werden am Geomatikum der Universität Hamburg Forschungen im „Windkanal“ vorgenommen – unlängst an einem Modell der Stadt Hamburg. Damit wurde die Ausbreitung giftiger Gase im Rahmen eines Störfallmanagements simuliert.
Besonders zugig ist es naturgemäß im Hafen. Hier kann der Sturm – wie jetzt das Orkantief „Christian“– über die weiten Flächen der Elbe ungehindert wehen und sich mit voller Kraft ausbreiten. „Und in den Häuserkanten direkt am Hafen kann sich die Luft stauen, sodass hier besonders heftige Böen entstehen“, sagt Frank Böttcher, der alljährlich einen Extremwetterkongress organisiert.
Experten des Zentrums für Marine und Atmosphärische Wissenschaften, vom Deutschen Wetterdienst, TÜV Nord und anderen Instituten erforschen immer wieder das Mikroklima der Metropole, die in der norddeutschen Tiefebene an einem Strom liegt und an ihren Rändern von den Geest- und Marschgebieten im Westen und im Süden von den 155 Meter hohen Harburger Bergen geprägt ist. Allgemeiner Forschungsstand ist, dass in den vergangenen 100 Jahren kein besonderer Trend bei der Windgeschwindigkeit festzustellen ist. Und dass es in der Stadt starke und wenig stark belastete bioklimatische Regionen gibt. Werden alle Parameter wie Temperaturen oder Wind berücksichtigt, wird gut die Hälfte des Stadtgebietes als „günstig“ bei der „bioklimatischen Belastungssituation“ bewertet. Nach der Studie der Firma Geonet Umweltconsulting gelten dagegen acht Prozent der Siedlungsfläche als „ungünstig“.
So kräftig der erste Herbststurm am Montag über den Norden hinwegfegte – die Hansestadt hat nach Ansicht von Frank Böttcher bei den Stürmen bislang Glück gehabt. Die bisher höchste Windstärke wurde am 25. Januar 1990 mit 141 Stundenkilometern gemessen. In anderen Regionen tobten dagegen die Orkane – an der Küste genauso wie im Harz. Frank Böttcher sagt dazu: „Sogar Städte wie Hannover hatten schön Böen von 148 Kilometern pro Stunde.“