Fast alle Fahrgäste halten sich an das Alkoholverbot. Im Oktober hat der HVV damit begonnen, Bußgelder bei Verstößen zu verhängen.
Hamburg. Schon bevor die erste groß angelegte Kontrolle seit Inkrafttreten des HVV-Alkoholverbots im September beginnt, ahnt Michael Dominidiato, was am Ende herauskommt - ein Ergebnis, das den Trend der letzten Wochen bestätigt: Fast alle Fahrgäste halten sich an das Verbot. Im Oktober hat der HVV damit begonnen, Bußgelder bei Verstößen zu verhängen. Seitdem heißt es: blechen fürs Bechern. Wer beim Alkoholtrinken in den S- und U-Bahnen erwischt wird, zahlt 40 Euro. Doch seither hat die Bahn nur rund 200 Bußgelder verhängt - bei 700 000 Fahrgästen täglich.
Michael Dominidiato ist ein hochgewachsener Mann mit freundlichem Gesicht und gewinnendem Lächeln. Die Aufgabe des Sicherheitschefs der S-Bahn ist es, das Alkoholverbot prima zu finden und Sätze zu sagen wie "in ein paar Monaten ist das Biertrinken in der Bahn nur noch ein Grundrauschen. Dann werden wir, wie beim Rauchverbot, gar nicht mehr darüber reden müssen." Damit das funktioniert, hat die Deutsche Bahn mit finanzieller Hilfe der Stadt zur Überwachung des Alkoholverbots 50 zusätzliche Sicherheitskräfte eingestellt. Am Freitag machen 140 Uniformierte im S-Bahn-Netz Jagd auf Schwarztrinker und Schwarzfahrer, ein Teil von ihnen kontrolliert direkt an den 68 S-Bahn-Stationen, allein 30 pendeln bis in die frühen Morgenstunden hinein mit den Linien S 1 und S 3 unentwegt zwischen Hauptbahnhof und dem Bahnhof Altona. Interner Name für die Strecke, die am Wochenende vor allem von jungen, trinkfesten Partygängern genutzt wird: "City-Tunnel".
+++ 40 Euro Strafe +++
+++ Junge Union will das Alkoholverbot kippen +++
Freitag, kurz nach 22 Uhr. Dominidiato und seine Männer steigen am Hauptbahnhof in die S 3. Kaum zwei Minuten sind vergangen, da haben die Kontrolleure den ersten Schwarzfahrer erwischt. Prompt läuft ihnen vorm Treppenaufgang ein junges Pärchen mit zwei Flaschen eines Wodka-Mischgetränks direkt in die Arme. Ausrede inklusive. "Wir kommen nicht aus Hamburg", beteuert der junge Mann. Der Datenabgleich bringt indes die Wahrheit an den Tag: Das Pärchen flunkert, damit werden 40 Euro fällig. Zahlbar in bar, per Überweisung oder EC-Karte.
Dabei setzt die Bahn ihre Forderung nicht bei jedem Verstoß rigoros durch. Ob Missetäter zur Kasse gebeten werden, entscheiden die Kontrolleure nach eigenem Ermessen. Faustregel: Wer uneinsichtig ist oder herumpöbelt, der zahlt. "Wenn wir etwa beim Junggesellenabschied Fahrgäste beim Sekttrinken sehen, fahren wir nicht zwangsläufig die harte Linie", sagt Dominidiato. Da beließe es das Sicherheitspersonal häufig bei einer Belehrung. Schließlich seien auch Schwarztrinker Kunden, die das Unternehmen nicht durch übertriebene Härte vergraulen will. Die S-Bahn rumpelt weiter, Jugendliche grölen, singen, lachen. Zwischendurch ziehen die Kontrolleure immer wieder Schwarzfahrer heraus. Aber wo sind bloß die Schwarztrinker? Lange passiert nichts. Nur leere Bierflaschen in den Mülleimern oder verwaiste Sektflaschen bezeugen, dass den Bahnern so mancher Verstoß gegen das Verbot durch die Lappen geht.
Christian aus Lübeck indes hat Pech, dass die Kontrolleure aufkreuzen, als er gerade den letzten Schluck Bier aus einem Plastikbecher nimmt. Der 30-Jährige, auf dem Heimweg vom Eishockeyspiel der Freezers, verhält sich ruhig und kooperativ, trotzdem soll er zahlen - offenbar, weil es sich seine drei Freunde mit dem Sicherheitspersonal verscherzen. An der Reeperbahn ist Endstation für die Gruppe, Peter hingegen legt jetzt erst richtig los. Fläzt sich trotzig auf den Boden, bepöbelt die Kontrolleure aufs Übelste, sodass die Bundespolizei eingreifen muss. Biertrinker Christian hingegen nimmt die 40 Euro Bußgeld sportlich: "Irgendwo muss man ja die Grenze ziehen."
Doch oft sitzt der Frust bei den Ertappten tief. Wie beim Mann mit dem lila Cowboyhut, der bei einem Junggesellenabschied unter dem Motto "Winterhudes Next Housewife" mitmischt. Als er die Kontrolleure in der Bahn sieht, stellt er vor Betreten der S 3 noch rasch seine Bierflasche vor der Tür ab - zu spät. Wütend zückt er einen 50 Euro-Schein, auf eine Quittung verzichtet er. "Hier habt ihr euer Scheißgeld", faucht er die Bahner an, dann trollt er sich.
Selbst die Haltestelle Reeperbahn, einst das Mekka für Flaschensammler, gleicht inzwischen einer alkoholbefreiten Zone. "Ist schon deutlich weniger geworden", knurrt ein alter weißbärtiger Mann, der mit seiner Karre am Bahnsteig entlangstreift. Gerade mal zwei Bierdosen hat er aus dem Mülleimer gefischt. Zwei Männer haben die Dosen entsorgen dürfen, ohne 40 Euro Bußgeld zu zahlen - ein DB-Kontrolleur hat noch einmal Gnade vor Recht ergehen lassen. Sicherheitschef Dominidiato strahlt: Wenn man mal addiere, was seine Leute während der Aktion konfisziert hätten, wäre wohl nicht mal ein Kiste Bier zusammengekommen.