Mitarbeiter der Futtermittelfirma, die für den Dioxin-Skandal verantwortlich sein soll, wurden als Mörder beschimpft und bedroht.
Hamburg/Uetersen. Mitarbeiter der Futtermittelfirma Harles und Jentzsch aus Uetersen in Schleswig-Holstein haben Morddrohungen per Telefon und E-Mail erhalten. Geschäftsführer Siegfried Sievert sagte, er und drei seiner Mitarbeiter seien als „Mörder“ beschimpft und mit dem Tode bedroht worden. Die Polizei sei über die Drohungen informiert.
Auf die Futtermittelfirma kommen vermutlich Schadensersatzforderungen in gewaltiger Höhe zu. „Für die Verluste der Bauern, die ihr Geflügel keulen und ihre Eier vernichten müssen, werden die Verursacher des Schadens aufkommen müssen“, sagte der Generalsekretär des Bauernverbandes, Helmut Born, der „Berliner Zeitung“. „Wir werden uns juristisch an der Mischfutterindustrie schadlos halten.“ Nach seiner Einschätzung kann die Sperrung eines Hofs dessen Besitzer „sehr schnell 10.000 oder 20.000 Euro Umsatz“ kosten.
Zunächst hieß es, die Harles und Jentzsch wolle heute über eine drohende Insolvenz entscheiden. "Wir sind ziemlich deprimiert und können die Firma eigentlich dicht machen“, hatte der Vertriebschef Klaus Voss dem "Westfalen-Blatt“ in Bielefeld gesagt. Geschäftsführer Siegfried Sievert dementierte dies:„Es ist nicht so. Wir arbeiten weiter." Futtermittel würden zur Zeit nicht verkauft, aber das Geschäft mit technischen Fettsäuren sichere die Existenz.
Der Dioxin-Skandal durch verseuchtes Futtermittel nimmt derweil immer größere Dimensionen an. Anscheinend wurden mit Dioxin verseuchte Eier auch zu Mayonnaise oder Backwaren verarbeitet. Anfang Dezember waren insgesamt 136.000 Eier, die höchstwahrscheinlich das Gift enthalten, aus Sachsen-Anhalt ins niederländische Barneveld geliefert worden, so das Bundesverbraucherministerium. „Die Eier waren nicht zum direkten Verzehr bestimmt, sondern zur Weiterverarbeitung“, sagte ein Sprecher von EU-Gesundheitskommissar John Dalli. Zu was die Eier verarbeitet wurden, wird zur Zeit noch untersucht.
Nach einem vertraulichen Bericht der Bundesregierung produzierte der Futterfett-Hersteller Harles und Jentzsch aus Uetersen in Schleswig-Holstein zwischen dem 12. November und dem 23. Dezember 3000 Tonnen Futterfett unter Verwendung industrieller Fette. Der Betrieb habe zwischen dem 11. November und dem 16. Dezember sieben Partien technischer Fette vom Biodieselhersteller Petrotec in Emden bezogen. Diese Fette wurden mit anderen Stoffen zu Futterfett verarbeitet und an 25 Betriebe für die Herstellung von Futter für Legehennen, Geflügel und Schweine geliefert.
Bei Razzien im Firmensitz in Uetersen und einem Tochterunternehmen im niedersächsischen Bösel hatten die Behörden am Mittwoch zahlreiche Unterlagen, darunter Lieferscheine und Rechnungen, beschlagnahmt. Gegen die Firmenleitung ermittelt die Staatsanwaltschaft Itzehoe wegen des Verstoßes gegen das Lebensmittelrecht. In schweren Fällen drohen Tätern bis zu drei Jahre Haft.
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Zu den Betrieben, die von Harles und Jentzsch Futterfette erhielten, zählt nach Angaben der Hamburger Gesundheitsbehörde auch ein Hamburger Futtermittelhersteller. Dieser hat seinerseits 140 Kunden in Norddeutschland mit Produkten beliefert, die Spuren von Dioxin enthalten haben. Das sind deutlich mehr Höfe als bislang bekannt. Schleswig-Holsteins Landwirtschaftsministerium erließ deshalb gestern ein Schlachtverbot für 59 Schweinemast-Betriebe. Auch ein Hamburger Hof soll Futtermittel bekommen haben, dieser hält aber nur ein Schwein.
Die Hamburger Gesundheitsbehörde warnte davor, die Dioxingefahr zu überzeichnen. Ein 75 Kilogramm schwerer Mann müsse pro Woche 80 Eier mit einem Dioxingehalt von fünf Pikogramm essen, um gesundheitliche Risiken einzugehen. Die festgestellten Höchstmengen hätten zwischen zwei und zwölf Pikogramm gelegen. In Hamburg sind laut Schmidt bislang keine dioxinbelasteten Eier aufgetaucht.
Weiter unklar ist, woher das Dioxin in dem Zusatzfett stammt. Dioxin komme üblicherweise bei der Produktion von Biodiesel nicht vor, sagte der Sprecher des Landwirtschaftsministeriums in Hannover, Gert Hahne. Die Länder, die für Lebensmittelkontrollen zuständig sind, suchten fieberhaft nach verdächtigen Produkten auf Höfen und in Geschäften.
Der Umgang mit der Dioxin-Belastung in Tierfutter hat mittlerweile auch einen Streit zwischen Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen ausgelöst. In Medienberichten hatte das Umwelt- und Agrarministerium in Düsseldorf schleppende Informationen aus Hannover nach dem Bekanntwerden der Dioxin-Funde kritisiert.
Der Sprecher des niedersächsischen Agrarministeriums, Gert Hahne, wies die Vorwürfe zurück und attackierte am Donnerstag das Ministerium in NRW mit Johannes Remmel (Grüne) an der Spitze. „Wir fordern Nordrhein-Westfalen auf, sachlich zu bleiben und sich um die tatsächlichen Probleme, den Verbraucherschutz, zu kümmern.“ Es sei unverständlich, „wenn NRW interne Probleme hat, diese auf Niedersachsen abzuwälzen“. Der Sprecher betonte in Hannover: „Dioxine sind bei uns der „worst case“. Da geht sofort der Alarmplan los.“
Als am 23. Dezember der Dioxin-Fall gemeldet worden sei, seien am selben Tag 22 betroffene Betriebe in Niedersachsen informiert worden. Ihre Waren seien dann auch für den Handel gesperrt worden. Angeforderte Lieferlisten seien vor Jahresende binnen zwölf Stunden an NRW weitergegeben worden.