Vor allem Schweinemastbetriebe sind betroffen. Buxtehudes Bürgermeister ruft Schulen und Kitas auf, Fleisch und Eier zu überprüfen.

Stade/Buxtehude. Dioxin-Verdacht im Landkreis Stade: Etwa 40 landwirtschaftliche Betriebe im Landkreis Stade dürfen bis auf weiteres keine Tiere schlachten lassen und keine Eier verkaufen. Das teilte Dr. Sybille Witthöft, Leiterin des Veterinäramtes des Landkreises Stades gestern auf Abendblatt-Anfrage mit. Die betroffenen Betriebe sind überwiegend Schweinemastbetriebe und wurden mit Futtermittel beliefert, das möglicherweise mit dem Giftstoff Dioxin belastet war.

In den vergangenen Tagen wurde bekannt, dass ein Tochterunternehmen der Firma Harles und Jentzsch aus Uetersen (Kreis Pinneberg) technisches Fett in Futtermittelfett eingemischt hat. Das kontaminierte Fett wurde an mehrere Mischfutterhersteller in Niedersachsen, sowie je einen in Sachsen-Anhalt und Hamburg geliefert.

Gestern erreichte das Stader Kreisveterinäramt eine Liste vom Niedersächsischen Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung. Auf dieser Liste stehen Betriebe, die mit dem eventuell belasteten Futtermittel beliefert worden sind.

Etwa 40 dieser Höfe befinden sich im Landkreis Stade. "Die Betroffenheit der Betriebe ist allerdings unterschiedlich", sagt Kreisveterinärin Witthöft. Bislang bestehe auch lediglich der Verdacht, dass die Lieferungen mit Dioxin belastet waren. "Der Verdacht reicht aus. Die Lebensmittel dürfen nicht in den Verkehr", sagt Witthöft.

Das Niedersächsische Landwirtschaftsministerium hatte kurz zuvor einen Erlass an die Landkreise herausgegeben. Alle betroffenen Betriebe müssen nun anhand von Eigenkontrollergebnissen dokumentieren, dass die von ihnen in den Verkehr gebrachten Lebensmittel sicher sind.

Dazu werden Proben aus den geschlachteten Tieren entnommen und untersucht. Erst wenn ein entlastendes Untersuchungsergebnis vorliegt, dürfen Eier und Fleisch wieder in den Verkehr gebracht werden. Der Landkreis Stade kontrolliert dabei wiederum die Eigenkontrolle der Betriebe.

Die Belastung der Futtermittel und das vorübergehende Vermarktungsverbot ist ein schwerer Schlag für die hiesigen Landwirte. Trotzdem zeigen sie sich kooperativ. "Wir sind mit gleicher Vehemenz an der Aufklärung interessiert wie die Behörden", sagt Kreislandwirt Johann Knabbe.

Die Landwirte seien, so Knabbe, gleich in dreifacher Hinsicht betroffen. Zum einen treffe es die Unternehmer wirtschaftlich, zum anderen seien sie als Kunden der Futtermittellieferanten verunsichert. Und schließlich sei das Vertrauensverhältnis zwischen Landwirt und Verbraucher betroffen. Kreislandwirt Johann Knabbe bewirtschaftet selbst einen Schweinemastbetrieb mit zurzeit knapp 900 Tieren in Schwinge.

Eine Rückrufaktion des Futtermittels sieht Knabbe als nicht realisierbar an. "Ich gehe davon aus, dass diese Lieferungen auf den meisten Betrieben bereits verfüttert wurden", sagt der Kreislandwirt. Schließlich erfolgten die möglicherweise belasteten Lieferungen im Zeitraum zwischen dem 11. November und dem 13. Dezember des vergangenen Jahres. Deshalb sei es nun umso wichtiger, dass die zuständigen Behörden weitere Maßnahmen festlegen. "Wir brauchen jetzt Handlungsempfehlungen", sagt Knabbe. Der oberste Landwirt der Region will zugleich die Futterlieferanten und Hersteller in die Pflicht nehmen, um Vertrauen neu aufzubauen.

Wilfried Wilkens, der an seinem Marktstand in Buxtehude-Altkloster landwirtschaftliche Erzeugnisse verkauft, kann nach eigener Aussage ebenfalls nur darauf vertrauen, dass ihm seine Lieferanten kein mit Dioxin belastetes Futtermittel für die Fütterung der Hühner geschickt haben.

"Mir wurde von meinem Lieferanten zugesichert, dass bei dem Tierfutter soweit alles in Ordnung ist", sagt Wilkens. Das sei die einzige sichere Information, die er derzeit habe und die er an seine Kunden am Eierstand weitergeben könne. "Von den Leuten, die hierher kommen, um Eier zu kaufen, fragt inzwischen jeder zweite, ob die Eier, die ich verkaufe, nicht mit Dioxin belastet seien", sagt Wilkens. Verkaufseinbußen habe er wegen des Dioxinskandals noch nicht: Die Eier werden weiterhin von den Kunden gekauft. "Die Leute hier kennen mich und vertrauen mir. Die wissen, das es mir nichts bringen würde, sie zu belügen", so der Händler.

Die Stader Saatzucht ist noch vorsichtig bei der Bewertung des Skandals. "Für uns können wir bisher unter Vorbehalt sagen, dass wir wohl nicht von dem Skandal betroffen sind", sagt Rolf Löhden, Abteilungsleiter für Mischfutter bei der Saatzucht. Das, was passiert sei, bezeichnet er als eine "riesige Sauerei". Die ganze Branche gerate unter Generalverdacht, vielen Unternehmern, die vorschriftsmäßig und sauber arbeiten, könnte der Skandal erhebliche finanzielle Einbußen bescheren.

"Jeder Hersteller von Futtermitteln hat mit Pflanzenöl, wie Soja-, Kokos- oder Palmöl zu tun. Das wird für gewöhnlich von mehreren Lieferanten bezogen und ist auch problemfrei, wenn vorschriftsmäßig nichts Unerlaubtes beigemengt wird", so Löhden. Das größte Problem sei, dass auch Unschuldige mit in Verdacht geraten würden, wenn einer gegen diese Vorschriften verstoße und es zu einer breiten Verunreinigung von Futtermittel komme. "Wir haben es hier mit einer schwerwiegenden Straftat zu tun, die vollständig aufgeklärt und verurteilt werden muss", sagt Löhden. Er hofft, dass die Verantwortlichen bald für ihr Vergehen belangt werden. "Wir haben hier großes Glück gehabt, wir waren auf der Liste der betroffenen Lieferanten, die das Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit hat, bisher nicht aufgeführt", so Löhden.

Allein auf die Meldungen der Landesamtes will die Saatzucht indes nicht vertrauen. "Wir machen jetzt eine eigene Dioxin-Untersuchung bei unserem Futtermittel. Das geschieht zu unserer eigenen Sicherheit. Wir wollen uns nicht später vorwerfen lassen, wir hätten nachlässig gehandelt", sagt Löhden.

In den beiden Städten des Landkreises wurde bereits auf möglicherweise belastete Eier oder Fleisch reagiert. In Buxtehude wurden laut Bürgermeister Jürgen Badur Hinweise an die Schulen und Kitas gegeben, dass auf mögliche Gefahren geachtet werden soll. Badur verweist allerdings auch darauf, dass das angebotene Mittagessen von externen Lieferanten stammt. "Da müssen wir uns darauf verlassen, dass das Essen in Ordnung ist", so Badur. Der Sicherheitshinweis an die Schulen gelte etwa für den Fall, dass Eltern Essen mit in die Schule bringen.

Stades Bürgermeister Andreas Rieckhof gibt für die Mensen der Stader Schulen vorerst Entwarnung. "Wir werden von der Qualifizierungsküche beliefert und die hat uns bestätigt, dass deren Eier-Lieferanten nicht in der Kette der Betroffenen dabei sind", so Rieckhof. Wie es beim Fleisch aussehe, sei derzeit noch nicht zu sagen.