Schon im November wurde das Gift nachgewiesen. Gewarnt wurde erst nach Weihnachten
Hamburg. Der Dioxinskandal durch verseuchtes Futtermittel nimmt immer größere Dimensionen an. Nach einem Bericht der Bundesregierung gab es bereits im November Nachweise von Dioxin in der Tierfutterproduktion. Erst nach Weihnachten wurde jedoch länderübergreifend vor dem belasteten Futter gewarnt.
Außerdem sollen mindestens 3000 Tonnen Futterfett unter Verwendung technischer Mischfette hergestellt worden sein, die zumindest in Teilen das Ultragift Dioxin enthielten. Diese Menge könnte hochgerechnet insgesamt 150 000 Tonnen Tierfutter beigemischt worden sein. Am Dienstag hatte das schleswig-holsteinische Landwirtschaftsministerium noch angegeben, es seien lediglich 527 Tonnen verdächtiges Futterfett in Umlauf gebracht worden.
Die deutschen Verbraucher reagieren verunsichert auf die Berichte. Der Absatz von Eiern, in denen das Dioxin zuerst nachgewiesen wurde, geht laut Bauern zum Teil deutlich zurück.
Nach dem vertraulichen Bericht der Bundesregierung produzierte der Futterfett-Hersteller Harles und Jentzsch aus Uetersen in Schleswig-Holstein zwischen dem 12. November und dem 23. Dezember 3000 Tonnen Futterfett unter Verwendung industrieller Fette. Der Betrieb habe zwischen dem 11. November und dem 16. Dezember sieben Partien technischer Fette vom Biodieselhersteller Petrotec in Emden bezogen. Diese Fette wurden mit anderen Stoffen zu Futterfett verarbeitet und an 25 Betriebe für die Herstellung von Futter für Legehennen, Geflügel und Schweine geliefert.
Aus dem dreiseitigen Papier geht auch hervor, dass bereits am 25. November eine Analyse des Futterfetts der Uetersener Firma einen Dioxingehalt über dem zulässigen Grenzwert ergeben hatte. Warum dann noch Wochen vergingen, bevor die Öffentlichkeit vor kontaminierten Lebensmitteln gewarnt wurde, ist offen.
Die Staatsanwaltschaft Itzehoe stellte gestern bei einer Razzia am Hauptsitz von Harles und Jentzsch Beweismaterial sicher. Das Betriebsgelände einer Tochterfirma in Bösel (Landkreis Cloppenburg) sei zeitgleich durchsucht worden, sagte der Itzehoer Oberstaatsanwalt Friedrich Wieduwilt dem Abendblatt. Die Behörde ermittelt gegen Verantwortliche der Firma wegen des Verstoßes gegen das Lebensmittelrecht. In schweren Fällen drohen Tätern bis zu drei Jahre Haft.
Zu den Betrieben, die von Harles und Jentzsch Futterfette erhielten, zählt nach Angaben der Hamburger Gesundheitsbehörde auch ein Hamburger Futtermittelhersteller. Dieser hat seinerseits 140 Kunden in Norddeutschland mit Produkten beliefert, die Spuren von Dioxin enthalten haben. Das sind deutlich mehr Höfe als bislang bekannt. Schleswig-Holsteins Landwirtschaftsministerium erließ deshalb gestern ein Schlachtverbot für 59 Schweinemast-Betriebe. Auch ein Hamburger Hof soll Futtermittel bekommen haben, dieser hält aber nur ein Schwein.
Die Hamburger Gesundheitsbehörde warnte davor, die Dioxingefahr zu überzeichnen. Ein 75 Kilogramm schwerer Mann müsse pro Woche 80 Eier mit einem Dioxingehalt von fünf Pikogramm essen, um gesundheitliche Risiken einzugehen. Die festgestellten Höchstmengen hätten zwischen zwei und zwölf Pikogramm gelegen. In Hamburg sind laut Schmidt bislang keine dioxinbelasteten Eier aufgetaucht.