Senator Uldall appelliert an Firmen: “Ein Hamburger Kaufmann macht so etwas nicht!“

Hamburg. Niedriger Lohn, Druck und Angst - immer mehr Betroffene melden sich beim Abendblatt und bestätigen: Die Tariflöhne werden in ganz Hamburg ständig unterschritten, branchenübergreifend.

Jetzt packt ein Insider im Abendblatt aus. Der Manager hatte bei einer Hamburger Friseur-Kette gearbeitet und dabei erschreckende Erfahrungen mit Lohndumping gemacht. Er bestätigte, dass die Mitarbeiter nicht nur unter Tarif bezahlt wurden, sondern auch noch unter erheblichen Druck gesetzt wurden. Gesellen sollen demnach nur 850 bis 900 Euro brutto monatlich erhalten haben, Meister 1100 Euro. Doch damit nicht genug: Die Mitarbeiter hatten eine tägliche Zielvorgabe von 200 Euro Umsatz. Wer das nicht schaffte, wurde entlassen. Und: Wenn sich innerhalb der Probezeit jemand krankmeldete, folgte sofort die Kündigung. Die Friseurinnung Hamburg ist alarmiert, beriet gestern Abend auf einer Vorstandssitzung das weitere Vorgehen. "Wir leiten jetzt eine Überprüfung der Friseurketten ein", kündigte Obermeister Birger Kentzler an.

Unterdessen schlägt die Abendblatt-Berichterstattung auch in der Politik Wellen. Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) präsentierte gestern die Ergebnisse eines Krisengipfels, zu dem er Vertreter der Gewerkschaften und verschiedener Branchen eingeladen hatte. Uldall appellierte an die Unternehmen, die Notlage von Arbeitnehmern nicht auszunutzen. "Ein Hamburger Kaufmann macht so etwas nicht!", sagte Uldall. Die drei Fraktionschefs fordern, Lohndumping mit schärferen Kontrollen zu unterbinden. SPD und GAL wollen zudem eine Sondersitzung der Bürgerschaft einberufen.

Auch im Bereich der Altenpflege gehört Lohndumping zur gängigen Praxis, sagt die examinierte Altenpflegerin Birgit Clasen (Name geändert) heute im Abendblatt: "Doch wer den Mund aufmacht, erhält die Kündigung." Ähnliches berichtet Artur Kellnert (Name geändert), ein Azubi im Wach- und Sicherheitsgewerbe. Nachtzuschläge würden nicht bezahlt, der Tariflohn unterschritten. "Aber eine Regel kennt jeder bei uns - sag etwas, und du bist draußen", so Kellnert.