Bei den Frühjahrsschauen setzten Dior, Armani und Chanel auf feminine Eleganz. Geschäftsfrauen möchten auch mal aus dem Rahmen fallen.
Paris. Giorgio Armani ließ in Paris keinen Zweifel daran, dass er immer noch zu den großen Erbauern der Haute-Couture-Kathedrale zählt. Inspiriert von einem, wie er sagte, "banalen" Schmuckstück, entwarf er saphirfarbene und rubinrote Kleider, gradlinig, im Glamourmaterial Pailletten; vor allem aber aus seidigen, geradezu reflektierenden Stoffen, die so bunt glitzerten wie die Auslage beim Juwelier Bulgari. Die runden, vor der Stirn getragenen Kappen von Englands Star-Hutmacher Philip Tracey gaben der Inszenierung den futuristischen Kick, der an die aufregenden Anfänge von Pierre Cardin erinnerte.
Und so wie der Franzose Cardin einst die Modewelt verwirrte (und beeinflusste), sorgte eben auch Giorgio Armani für Überraschung. Von wegen Altmeister. Von wegen neutrale Kostbarkeiten. Mit dieser Kollektion zeigte der weiterhin gut gebräunte und nach seiner Krankheit wieder fitte Modeschöpfer, dass er mehr Spaß an Zukunft als an Ruhesitz hat. Dazu gehört, dass er auch Lady Gaga einkleidet.
Die Haute Couture ist eben großes Kino. Und es geht ihr bestens. Die Anzahl der Unternehmen, die sich den Überluxus und die strengen, personalintensiven Vorgaben der Féderation Française de la Couture noch leisten können, hat sich zwar in den vergangenen Jahren drastisch reduziert.
Damit die einstige "Woche" nicht womöglich auf zwei Tage zusammengeschrumpft werden muss, zeigen von Montag bis heute nicht nur die Mitglieder des Haute-Couture-Syndicats ihre Kreationen - also etwa Chanel, Dior, Franck Sorbier, Givenchy, Jean Paul Gaultier, Elie Saab, Armani, Valentino und Maison Margiela. Sondern es sind auch "Gast-Mitglieder" geladen. Zudem wurde der Rahmen durch kostbare Accessoires wie etwa die von LouLou De la Falaise und durch die Schmuck-Fantasien der Haute Jouallerie ergänzt.
Aber das ist nicht als Verzweiflung zu werten, sondern eher als Konsolidierung. Denn allenthalben ist Zufriedenheit zu vernehmen. "Es war ein großartiges Jahr für die Couture", schwärmt Sidney Toledano, der Chef von Dior.
Es dürfte so weitergehen. Die Eleganz der Entwürfe von Designer John Galliano waren einfach atemberaubend. Eine große Verbeugung vor dem Altmeister Dior und dessen "New Look", der auch in der Interpretation 2011 der Sehnsucht nach Schönheit Zucker gibt. Romantisch, dramatisch, nobel. Und Grüße an die Fünfziger und an den Gründerfreund und Illustrator René Gruau, der so maßgeblich das Werbebild von Dior prägte.
Chanel bittet in einen Saal in der Rue Cambon, unweit vom Geschäft. Es ist zwölf Uhr, die zweite Show des Tages. Eine allein reicht nicht, der Saal bietet nur Platz für vielleicht dreihundert Leute, und schon das gilt als intim.
Kein anderes Haus bedient so viele Haute-Couture-Kunden auf der Welt. Und deswegen plant Bruno Pavlovsky, als Präsident für den gesamten Modebereich zuständig, eine kleine Revolution. Die Kostbarkeiten, beschützt von strengen Regeln des französischen Mode-Syndikats, sollen auf Reisen gehen, auch in New York, Los Angeles und Shanghai gezeigt werden. Und vielleicht auch Hongkong, Peking, Tokio. Das ist ein bisschen so, als schicke man die Tuilerien auf Tour.
Aber die Welt hat sich verändert, und Pavlovsky unterscheidet zwischen Arroganz und Exklusivität. Natürlich könnten Kundinnen, die fünfstellige Beträge für ein Tageskleid ausgeben und sechsstellige für eine Abendrobe, auch nach Paris kommen. Aber nicht immer lässt deren Terminkalender das zu. Es wächst nämlich vor allem die Zahl der Geschäftsfrauen, die sich die hohe Kunst des Schneiderns leisten. Überhaupt wächst die Nachfrage. "Das Wichtigste ist, eine gute Zusammenarbeit mit unseren existierenden und zukünftigen Kunden zu finden", lautet daher das Credo. Oder, wie Lagerfeld formuliert: "Wenn die Arbeit kein Geld einbringt, dann ist sie umsonst."
Auch das Haus Valentino, das gestern ebenso märchenhafte Roben zeigte wie Elie Saab, war mit seiner Exklusiv-Kollektion 2009 bereits in Malaysia und Singapur und plant für 2012 einen Abstecher nach Russland.
Aber natürlich geht nichts über das Flair von Paris, der Heimat der Haute Couture. Bei Chanel herrscht das bei Schauen übliche Gewühle, nur alles halt diskreter, feiner, auch ruhiger, was am grauen Velours liegen mag. Und an der reduzierten Anzahl von Fotografen. Peter Marino nimmt Zaha Hadid in den Arm, Fawaz Gruosi-Scheufele setzt sich ohne Murren auf das graue Stühlchen mit rosa Sitzpolster in der, oups, zweiten Reihe, doch irgendwie sind schließlich alle wichtig, die dabei sind.
Das Publikum ist international und multikulti. Araberinnen neben Chinesinnen neben Texanerinnen neben Französinnen. Hochgefönte neben Aufgespritzten neben Jackie-O-Verschnitt neben Strengen neben einfach durch und durch schönen Frauen. Jung, älter. Alte Frau sagt man nämlich nicht, wird Karl Lagerfeld später anmerken. Er sage einfach nur "Frau". Guter Mann.
Wahrscheinlich lässt er deswegen Kristen McMenamy als grauhaarige Braut über den Teppich schweben, in einem atemberaubenden Kleid. Ohne Schleier allerdings, dafür hatte Friseur Sam McKnight Mrs. McMenamy wie den anderen Models ein Satinband wie ein Kropfband unters Kinn geschlungen und das dann im Nacken an den ordentlich unordentlich aufgesteckten Haaren befestigt.
Als McMenamy vorbeischwebt, sind bereits rund 16 Millionen Perlen an uns vorübergezogen, Kleider wie aus Kristall gewebt, gar keine richtigen Stoffe, eigentlich nur Stickerei. Alles handgemacht in Frankreich. "Ich habe ja Schwein", schnellspricht Lagerfeld. "Denn ich kann auf die beste Technik zurückgreifen, kein Haus hat mehr und bessere Arbeiterinnen und Zulieferer." Und er will noch lange Schwein haben. Gerüchte, er habe den Kolumbianer Haider Ackermann als Nachfolger vorgeschlagen, tut er ab: "Ach was, ein Missverständnis. Ich mag ihn sehr. Aber ich habe einen lebenslangen Vertrag. Um da herauszukommen, muss ich tot umfallen."
Ob Federrock oder Chiffonwolken, selbst die Paillettenkragen und schwingenden Tweedjacken mit Pelerinenschultern - alle Vorschläge für Frühjahr/Sommer 2011 sind leicht, betörend, faszinierend (dazu flache Schuhe und schmale Hosen). Am Ende des Defilees führt Lagerfeld seine Models ins große Finale, ins Schlussbild vor und auf der Treppenkulisse, auf der einst auch Madame ihre Mädchen herunterschickte. Zitate müssen immer sein.