Duisburg. Mitten im Verkaufsprozess mit Kretinsky muss Thyssenkrupp im Stahl seine Gewinnziele kassieren. Was Gabriel von Konzernchef Lopez nun fordert.

Als gäbe es gerade nicht genug Ärger bei Thyssenkrupp, kommt nun auch noch ein heftiger Einbruch der Stahlkonjunktur hinzu. Darüber informierte der Stahl-Vorstand um Bernhard Osburg am Mittwoch in einer außerordentlichen Sitzung den Aufsichtsrat von Thyssenkrupp Steel Europe (TKSE), wie das Unternehmen mitteilte. Die Flaute in Deutschland und Europa, hohe Energiekosten und asiatischer Billigstahl hätten „die zuvor optimistischen Ertragserwartungen erheblich getrübt“, hieß es.

Im Stahlgeschäft geht es besonders häufig rauf und runter. Doch dieser Konjunktureinbruch kommt für Thyssenkrupp mehr als ungelegen. Denn Konzernchef Miguel Lopez verhandelt derzeit mit dem tschechischen Milliardär Daniel Kretinsky über den Verkauf von 50 Prozent der Stahlsparte. Die 27.000 Beschäftigten sind einmal mehr beunruhigt, wie es weitergeht und fühlen sich von Lopez schlecht informiert, wie auf einer Betriebsräte-Vollkonferenz am Dienstag überdeutlich wurde.

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Ob nun auch Kretinsky mit seinem EPH-Konzern aufgrund des Konjunktureinbruchs beunruhigt ist, was seine Einstiegspläne angeht? TKSE-Chefkontrolleur Sigmar Gabriel hofft es nicht. „Ich gehe davon aus, dass die Thyssenkrupp AG, die ja diese Verhandlungen führt, gegenüber dem Interessenten volle Transparenz schafft“, lässt er sich zitieren. Derlei kurzfristige Verwerfungen gebe es in der Stahlindustrie immer wieder. „Ich bin sicher, dass Herr Kretinsky das weiß”, so der frühere SPD-Chef.

Gabriel: Sonst gibt es gar keine Stahlproduktion mehr in Europa

Da wieder vermehrt chinesischer Billigstahl den europäischen Markt flute, fordert Gabriel nun indirekt Strafzölle von der EU. „Die Europäische Union muss durch geeignete Maßnahmen an den EU-Grenzen für faire Wettbewerbsbedingungen sorgen“, sagte er und warnte: „Sonst wird es nicht nur keine grüne Stahlproduktion in Europa geben, sondern gar keine.“

Der „faktisch ungebremste Zugang von Stahlprodukten aus außereuropäischen Ländern, insbesondere aus Asien“ nehme für die heimische Stahlindustrie „inzwischen existenzbedrohende Formen“ an, sagte der Aufsichtsratsvorsitzende von TKSE. Die Konkurrenz in Asien habe anders als Thyssenkrupp weder Kosten für den Ausstoß von Treibhausgasen noch sei sie vergleichbaren Bedingungen auf den Rohstoffmärkten ausgesetzt, erklärte Gabriel. Insbesondere der Bezug wichtiger Rohstoffe, etwa von russischer Kohle unter dem Weltmarktpreis schaffe einen sehr ungleichen Wettbewerb.

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Gabriel gab sich zuversichtlich, dass Thyssenkrupp im Stahl „mit einer gemeinsamen Kraftanstrengung“, für die der Vorstand erste Pläne vorgelegt habe, „auch diese Herausforderung meistern“ werde. Zugleich betonte er, dass TKSE wegen der vielen Aufs und Abs im Stahl eine Eigentümerstruktur brauche, „bei der derartige Ertragseinbrüche wie in der Vergangenheit bei der Thyssenkrupp AG durchgetragen“ würden.

Ungewöhnlich offene Kritik am neuen Konzernchef

Ob das als indirektes Votum für den Einstieg Kretinskys gedeutet werden kann? Darum gibt es seit Wochen mächtig Ärger im Konzern. Anders als bei früheren Abspaltungsversuchen fühlen sich der Betriebsrat und die IG Metall vom Konzernvorstand übergangen und kritisieren Lopez offen und in ungewöhnlicher Schärfe. „Die Beschäftigten sollen – ohne wirklich gefragt zu werden – verschoben werden“, heißt es etwa in einem Flugblatt der IG Metall an die Stahlkocher.

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Thyssenkrupp Steel sieht für sich selbst die Umstellung der Produktion auf grünen, mit Wasserstoff statt Kokskohle erzeugten Stahl als einzige Überlebenschance. Die Bundesregierung und das Land NRW helfen dem Duisburger Unternehmen dabei mit zwei Milliarden Euro. Sehr geholfen hatte in den vergangenen Jahren auch eine gewisse Sonderkonjunktur für europäischen Stahl. In der Corona-Krise mit ihren zeitweise unterbrochenen Lieferketten rissen die Massenimporte von Stahl aus Asien ab, was Preise und Nachfrage für europäischen Stahl nach oben schießen ließ. Besonders China schränkte seine Stahlexporte mit vielen zur Pandemieeindämmung geschlossenen Häfen selbst ein.

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Das ist nun vorbei und damit drücken die Importe aus Fernost wieder Preise und auch die Produktion in Deutschland und Europa. Während China wieder deutlich mehr Stahl kocht, sank die Rohstahlproduktion in Deutschland im bisherigen Jahresverlauf um rund zwölf Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum.