Essen. Thyssenkrupp will Křetínský die Hälfte seiner Stahlsparte verkaufen. Was für und gegen den Milliardär spricht. Und was Ministerin Neubaur sagt.

Daniel Křetínský gilt als Phantom. In der Öffentlichkeit tritt der tschechische Milliardär äußerst selten auf. Geschäftlich ist der 48-Jährige dafür umso umtriebiger. Nach der Übernahme der Mehrheit am Düsseldorfer Handelskonzern Metro plant Křetínský seinen nächsten großen Deal an Rhein und Ruhr: den Einstieg bei Thyssenkrupp Steel.

Sein Name kursiert im Duisburger Norden, dessen Stahlstadt seit vielen Jahren immer wieder zum Verkauf gestellt wird, schon lange. Jetzt, wo der Einstieg Křetínskýs möglicherweise kurz bevor steht, fragen sich viele Stahlkocher, wer dieser Mann ist. Warum ein Investor mit einem riesigen Gemischtwarenladen der richtige sein soll, wo doch ihr Thyssenkrupp-Konzern seit zwei Jahrzehnten damit hadert, wie komplex und unübersichtlich er sei. Die Antwort könnte lauten: Weil er den Zahlen nach mit seinem breitest gefächerten Geschäftskonstrukt ungleich erfolgreicher ist als Thyssenkrupp es war.

Forbes schätzt Křetínskýs Vermögen auf neun Milliarden Dollar

Glaubt man dem Ranking des US-Magazin Forbes, ist Křetínskýs Vermögen im Laufe der Jahre auf mehr als neun Milliarden US-Dollar angewachsen. Über eine Vielzahl von Beteiligungs-Holdings ist der Tscheche an einer Fülle von Unternehmen in unterschiedlichsten Branchen beteiligt – von der Braunkohle über Medien und Handelsunternehmen bis hin zu Postdienstleistungen. Seit 2004 kommt Křetínský seiner privaten Leidenschaft auch geschäftlich nach: Er ist Miteigentümer und Präsident des Fußballclubs Sparta Prag.

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Um den Einfluss Křetínskýs in der europäischen Wirtschaft zu ermessen, lohnt ein tieferer Blick in die Liste seiner Beteiligungen: 2016 übernahm er vom Energieriesen Vattenfall Kraftwerke und Braunkohle-Tagebaue von Mibrag und Leag in der ostdeutschen Lausitz. Darüber, berichtet das Handelsblatt, erhoffe sich Thyssenkrupp Zugang zu günstigem Strom, der aus der Verfeuerung von Braunkohle gewonnen wird.

Für ein Beben sorgte der Milliardär zwei Jahre später, als ihm das Duisburger Familienunternehmen Haniel seine Anteile am Düsseldorfer Großhändler Metro verkaufte. Sein Versuch, sich die Metro im Sommer 2019 über seine Firma EP Global per feindlicher Übernahme ganz einzuverleiben, scheiterte am Widerstand der Großaktionäre, zu denen die Duisburger Handelsdynastie Schmidt-Ruthenbeck und die Otto-Beisheim-Stiftung gehören. Mit knapp 46 Prozent ist Křetínský inzwischen jedoch größter Einzelaktionär der Metro.

Geduld und Beharrlichkeit brachten den Milliardär beim Essener Kraftwerkskonzern Steag jedoch nicht ans Ziel. Sein Kaufangebot, das er gemeinsam mit der Essener RAG-Stiftung vorlegte, überzeugte die Eigentümer aus Stadtwerken des Ruhrgebiets nicht. Die Steag geht stattdessen an die spanische Fondsgesellschaft Asterion. Nicht nur in seiner Heimat Tschechien hält Křetínský auch Beteiligungen an Zeitungen und Radiosendern. Seit 2019 mischt er auch beim deutschen Medienkonzern ProSiebenSat1 mit. Der Geschäftsmann hielt bis vor wenigen Tagen Anteile an der renommierten Zeitung Le Monde und hält noch welche an mehreren anderen französischen Titeln. Aktuell will er in Frankreich auch den hoch verschuldeten Supermarktriesen Casino übernehmen.

Křetínský scheut keine Krisenbranchen

Křetínský ist ein Geschäftsmann, der von Krisen geplagte Branchen nicht scheut. Die Braunkohle in Ostdeutschland kaufte er vom schwedischen Vattenfall-Konzern, als dieser keine Zukunft mehr für fossile Brennstoffe sah, schon gar nicht für den mit Abstand klimaschädlichsten. Wenn Thyssenkrupp nun hofft, mit Křetínskýs EPH-Konzern auch Zugang zu günstigem Braunkohlestrom zu erhalten, wäre das pikant. Schließlich erhält der Konzern zwei Milliarden Euro vom Staat dafür, dass er seine Produktion auf grünen Stahl umstellt. Mit Wasserstoff betriebene Direktreduktionsanlagen (DRI) sollen die mit Kokskohle befeuerten Hochöfen ablösen.

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Hinzu kommt, dass Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), der die erste dieser Anlagen mit 1,2 Milliarden Euro fördert, so seine Probleme mit Křetínskýs ostdeutschen Braunkohlerevieren und ihren Kraftwerken hat. Denn während er sich im rheinischen Revier mit RWE auf einen vorzeitigen Ausstieg aus der Braunkohle im Jahr 2030 einigen konnte, will ihm das im Osten nicht gelingen. Weder die dortigen Ministerpräsidenten noch EPH zeigen bisher ein Interesse daran.

Habecks Ärger mit den ostdeutschen Braunkohlerevieren

Reiner Haseloff (Sachsen-Anhalt, CDU), Dietmar Woidke (Brandenburg, SPD) und Michael Kretschmer (Sachsen, CDU) wollen möglichst lange die Arbeitsplätze behalten, Křetínský noch möglichst lange Geld mit der Kohle verdienen. Habeck hat seinen Plan, auch in Ostdeutschland 2030 als neues Enddatum zu setzen, inzwischen hintangestellt. Möglichst früh raus aus der Braunkohle will er aber nach wie vor. Die Vorstellung dass der von ihm subventionierte Thyssenkrupp-Konzern bei seiner Grünwerdung auf Braunkohlestrom setzt, kann weder Habeck noch NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) gefallen. Allerdings investiert Křetínský bei der Leag auch in Windkraft und große Photovoltaik-Parks, das würde dann umso besser zu grünem Stahl passen.

Ministerin Neubaur: Thyssenkrupp muss Weg zu grünem Stahl weitergehen

Die grüne NRW-Wirtschafts- und Klimaministerin Mona Neubaur wird sich das genau anschauen.„Entscheidend ist, dass Thyssenkrupp den Weg der klimaneutralen Transformation entschlossen weitergeht“, sagte sie unserer Redaktion. Die Landesregierung stehe dafür „mit der größten Einzelförderung in der Geschichte unseres Landes bereit“. Durch die Förderung „dieser Ankertechnologie sichern wir Arbeitsplätze in Nordrhein-Westfalen und schützen gleichzeitig das Klima“, betonte sie.

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Die spannendste noch zu klärende Frage aus Konzernsicht dürfte die nach dem Preis sein. Beim Versuch, die Steag zu übernehmen, hat Křetínský gezeigt, dass er keinen Cent zu viel zu zahlen bereit ist. Seine spanische Konkurrentin Asterion hat ihn schlicht überboten. Bei Thyssenkrupp ging es bei den letzten Versuchen, den Stahl zu verkaufen, um die Frage, wer noch was drauflegen muss auf die Milliarden-Pensionslasten – Thyssenkrupp dem Käufer oder umgekehrt.

Der Kaufpreis könnte die größte Hürde sein

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In der Essener Zentrale erhofft sich das Management um den neuen Vorstandsvorsitzenden Miguel Lopez dem Vernehmen nach, zu den drei Milliarden an Pensionsballast, den man abwerfen will, noch einige Millionen als Kaufpreis hinzu zu bekommen. Da der MDax-Konzern insgesamt mit all seinen Sparten aktuell nur rund 4,4 Milliarden Euro wert ist, dürfte der Geschäftsmann Křetínský etwas anders rechnen.