Essen. Verkauf der Thyssenkrupp-Stahlsparte an Křetínský? IG-Metall-Wortführer Wetzel sieht Arbeitnehmer übergangen und greift den Konzernchef Lopez an.
Der Essener Thyssenkrupp-Konzern hat offenkundig seine Gespräche mit dem tschechischen Milliardär Daniel Křetínský vertieft und strebt einen schnellen Verkauf seiner in Duisburg sitzenden Stahlsparte an. Der Traditionskonzern will Křetínskýs EPH-Konzern einem Handelsblatt-Bericht zufolge genau die Hälfte an Thyssenkrupp Steel verkaufen. Die Arbeitnehmervertretung bei Thyssenkrupp Steel reagierte sauer, weil sie bisher nicht eingebunden worden sei. Detlef Wetzel, früherer Chef der IG Metall und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender von Thyssenkrupp Steel, sieht den neuen Vorstandschef Miguel López dafür in der Verantwortung.
„Das war der erste große Stockfehler von Lopez“, sagte Detlef Wetzel im Gespräch mit unserer Redaktion. Die Arbeitnehmervertretung im Aufsichtsrat sei bisher nicht darüber informiert worden. Dabei habe man aufgrund der Berichte über das offenkundig große Interesse von Křetínský an einer Übernahme des größten deutschen Stahlunternehmens bereits einen umfangreichen Fragenkatalog dazu ans Management geschickt. In der kommenden Woche erwarte man Antworten.
Thyssenkrupp sieht Ergänzungen mit dem Geschäft von Křetínský
Dass Thyssenkrupp mit dem tschechischen Industrieinvestor spricht, der vor einigen Jahren dem schwedischen Vattenfall-Konzern das Braunkohlegeschäft in Ostdeutschland abgekauft hat und mit seiner EPH Holding auch am Düsseldorfer Großhändler Metro beteiligt ist, war bekannt. Unserer Redaktion signalisierte Thyssenkrupps Stahlchef Bernhard Osburg unlängst erstmals, er sei offen für einen Einstieg Křetínskýs. „Da kann natürlich ,ein strategischer Fit‘ draus werden“, sagte er im Podcast „Die Wirtschaftsreporter“ – und meint, dass sich die Geschäftsmodelle gut ergänzen könnten. Ob sich mit Křetínský etwas ergebe, würden „die weiteren Gespräche dann zeigen“.
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Lopez, der im Juni Martina Merz an der Spitze des Ruhrkonzerns abgelöst hat, hat es offenbar eilig mit dem seit vielen Jahren von diversen Vorstandschefs beabsichtigten Verkauf der Stahlsparte. Das war im Umfeld der Essener Konzernzentrale zu spüren, seit er dort eingezogen ist. Nun soll der Deal noch vor Jahresende abgeschlossen sein, womit er Anfang Februar bereits der Hauptversammlung vorgelegt werden könnte, wie das Handelsblatt eine mit den Verhandlungen vertraute Person zitiert.
Mit Křetínský läuft es auf eine 50:50-Beteiligung seiner EPH und Thyssenkrupp an der Stahlsparte mit ihren rund 26.000 Beschäftigten und großen Werken in Bochum, Dortmund und Gelsenkirchen hinaus, heißt es. Damit könnte der Thyssenkrupp-Konzern den Stahl aus seinen Kerngeschäftsbüchern streichen, ohne die Mehrheit abzugeben. Was vor allem raus soll aus der Konzernbilanz, sind die enormen Pensionsverpflichtungen aus dem Stahl von rund drei Milliarden Euro.
In diesem Fall müsste der Konzern mit heftiger Kritik rechnen angesichts der Milliardensubventionen des Staates für den Umbau zu einer grünen, klimafreundlichen Stahlproduktion. Bund und Land fördern den Umstieg von der Kohle- zur Wasserstoff-basierten Stahlproduktion mit insgesamt rund zwei Milliarden Euro. Laut Handelsblatt plant das Management, noch mehrere Jahre die Hälfte am Stahl zu halten, dann aber Křetínský die Mehrheit zu überlassen.
Aufsichtsratsvize Wetzel: „Riesen-Belastung für die Verhandlungen“
Dass die Pläne publik geworden sind, bevor Betriebsrat und IG Metall informiert wurden, stößt dem früheren Vorsitzenden der größten deutschen Gewerkschaft sauer auf. „Das ist eine Riesen-Belastung für die kommenden Verhandlungen“, kündigt Detlef Wetzel an. Das Zusammenwirken von Vorstand und Arbeitnehmervertretung hat wohl in kaum einem anderen deutschen Industriekonzern eine derart große Bedeutung wie bei Thyssenkrupp. Im Strategieausschuss des Steel-Aufsichtsrats wird die Arbeitnehmerseite in der kommenden Woche daher viele Fragen haben.
Zur möglichen Ausgestaltung eines Einstiegs Křetínskýs wollte Wetzel noch nichts sagen, weil dazu nichts auf dem Tisch liege. Wie vor Wochen bereits der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Tekin Nasikkol zeigte aber auch Wetzel sich grundsätzlich offen. „Welcher Namen am Ende über dem Firmenschild steht, ist völlig egal. Entscheidend ist, dass unsere Bedingungen erfüllt werden. Sonst gibt es keinen Deal“, sagt Wetzel. „Gegen Milliardäre, die bereit sind, für den Stahl zu investieren, haben wir nichts“, hatte Nasikkol Anfang September gesagt.
IG Metall und Betriebsrat wollen Sicherheit für Standorte und Arbeitsplätze
Für IG Metall und Betriebsrat standen in den vergangenen Anläufen für einen Verkauf der Stahlsparte immer Standort- und Arbeitsplatzgarantien ganz oben. Als sich der damalige Thyssenkrupp-Chef Heinrich Hiesinger 2017 mit der indischen Tata Steel handelseinig wurde, setzten die Arbeitnehmer eine fast neunjährige Jobgarantie bis 2026 durch.