Essen. Thomas Stoffmehl spricht über Kult und Ablehnung des Thermomix, die rein deutsche Preisdebatte, Vertreterklischees und den Cookit von Bosch.
Spargel gedämpft hat Thomas Stoffmehl, als er seinen Thermomix das letzte Mal benutzt hat. Damit hat der Chef des Wuppertaler Vorwerk-Konzerns seinen Topseller gnadenlos unterfordert. Denn wann immer er gefragt wird, preist er die Alleskönnerqualitäten des digitalisierten, selbst rührenden, mixenden und wiegenden Kochautomaten an. In unserem Podcast „Die Wirtschaftsreporter“ natürlich auch, aber Stoffmehl gibt zudem Einblicke in die besondere Vertriebswelt für den Thermomix und die Kobold-Staubsauger, spricht über eine „typisch deutsche“ Preisdiskussion und das Zusatzgeschäft mit Rezeptabos.
Wer Meinungen zum Thermomix einfordert, hört Begeisterung und tiefe Ablehnung - aber wenig dazwischen. Der Kochautomat spaltet die kochende Gesellschaft. Da sind auf der einen Seite glühende Fans, die jedem ungefragt sagen, was der alles kann. Und auf der anderen Seite jene, die sich durch das Multifunktionsgerät in ihrer Kochehre gekränkt sehen und sagen: „Sowas kommt mir nicht in meine Küche, ich koche noch selbst.“
„Ein Thermomix kommt mir nicht in die Küche“ hört der Vorwerk-Chef häufig
Diesen Satz höre er tatsächlich häufig, verrät Thomas Stoffmehl in unserem Podcast. Auch seine Frau habe zuerst keinen Thermomix haben wollen. Stoffmehl führt seit fünf Jahren die Geschäfte des Wuppertaler Familienunternehmens Vorwerk, das seit fast 100 Jahren für seine Kobold-Staubsauger bekannt ist und seit gut 50 Jahren für das Küchenmultifunktionsgerät Thermomix.
Die Polarisierung könne er nachvollziehen, sagt Stoffmehl, heute mehr denn je. Denn während viele alte Geräte etwa in Profiküchen sehr beliebt seien für die Zubereitung von Teigen und Saucen, habe die Digitalisierung des Geräts mit dem Thermomix 6 ganz andere Zielgruppen in den Fokus gerückt: Leute, die vielleicht nicht gut kochen können und dankbar sind für die digitalen Rezepte, mit denen der Thermomix Schritt für Schritt „idiotensicher“ kochen lässt. Die dafür nötige Rezepte-App hat Vorwerk inzwischen mehr als fünf Millionen Mal verkauft, bei einem Preis von 48 Euro im Jahr auch wirtschaftlich eine neue Säule im Vorwerk-Geschäft.
1499 Euro kostet er aktuell, nachdem Vorwerk den Preis im vergangenen Jahr angehoben hat. Ein Luxusprodukt für Besserverdiener, oder? „Finde ich überhaupt nicht“, widerspricht Stoffmehl, „ich finde den Thermomix extrem preiswürdig“. Die Preisdebatte sei „eine typisch deutsche Denke“, fügt er an. In Polen, wo zuletzt die Verkaufszahlen deutlich gestiegen sind, höre er das nicht. „Dabei kostet er so viel, wie eine polnische Familie durchschnittlich im Monat verdient“, betont der Vorwerk-Chef. In diesem Jahr, versichert er, werde es aber keine weitere Erhöhung geben.
Stoffmehl erklärt, warum die Thermomix-Vorführung so wichtig für Vorwerk ist
Den Preis könne man den Leuten nur erklären, wenn das Gerät daheim von einer oder einem der weltweit mehr als 100.000 Beraterinnen und Berater vorgeführt werde. Deshalb werde Vorwerk auch weiter auf den Direktvertrieb setzen. Die größte Bestätigung dafür sieht Stoffmehl darin, dass der Konkurrent Bosch für seinen Kochautomaten Cookit nun ebenfalls in den Direktvertrieb eingestiegen sei. Das Bosch-Gerät liegt in der gleichen Preisklasse und hat in Tests zuletzt gut abgeschnitten, einmal sogar besser als der Thermomix.
Stehe so ein Gerät im Elektronikmarkt „ganz außen in einer Reihe mit anderen, bleibt das teuerste stehen“, ist Stoffmehl sicher. Nur mit dem Direktverkauf vor Ort und der jahrzehntelangen Mund-zu-Mund-Propaganda sei auch der Kultstatus des Thermomix zu erklären, glaubt der Vorwerk-Chef: „Er ist ausschließlich durch den Direktvertrieb zur Ikone geworden.“
Der Vorwerk-Chef schwärmt von der „die Magie“ des Direktvertriebs
Für Außenstehende sei „schwer nachzuvollziehen, worin die Magie liegt“, meint Stoffmehl. Aber der direkte Kontakt von Beratenden und Kunden habe sich als „sehr krisenresistent“ erwiesen, selbst in der Corona-Pandemie habe Vorwerk immer neue Rekorde aufgestellt. Deshalb sei es für ihn auch „suboptimal“, wenn Geräte online gekauft, aber nicht vorgeführt würden. Das werde immer angeboten und jeder dritte Onlinekäufer nutze das auch. Der Online-Verkauf mache inzwischen rund zehn Prozent aus.
Vorwerk: Verkäuferinnen in Frankreich jünger als in Deutschland
Zufrieden sein konnte Stoffmehl zuletzt auch mit den Verkaufszahlen der grünen Kobold-Staubsauger. Im vergangenen Jahr seien so viele verkauft worden wie seit 2015 nicht mehr. Wichtigstes Absatzland ist für den Kobold inzwischen Italien, hier hat Vorwerk 2023 fast jeden zweiten seiner Staubsauger verkauft.
In diesem Zusammenhang räumt Stoffmehl auch mit dem Klischee des geschniegelten, männlichen Staubsaugervertreters auf: „Wir haben hier inzwischen einen sehr hohen Frauenanteil.“ Das Durchschnittsalter sei von Land zu Land verschieden, „in Italien sind die Verkäuferinnen etwas älter als in Deutschland, in Frankreich deutlich jünger.“ Hierzulande liege das Durchschnittsalter im Direktvertrieb zwischen Mitte 30 und Anfang 40.
Grüne Kobold-Staubsauger: Langlebigkeit als Verkaufsbremse?
Die Kobold-Staubsauger haben sich über die Jahrzehnte als sehr lange haltbar erwiesen, wodurch Kunden seltener neue kaufen. Ist das ein Spagat, weil schlecht für den Vertrieb? „Wenn ich isoliert darauf gucke, ist die Langlebigkeit vertrieblich natürlich ein Nachteil“, sagt Stoffmehl, „aber für unsere Marke ist es ganz hervorragend.“ Viele Geräte, Thermomix wie Kobolde, würden an die nächste Generation weitergegeben, wenn die Eltern die neuste Generation haben wollen.
Stoffmehl betont die Verbundenheit mit dem Stammwerk in Wuppertal, in dem alle Motoren gefertigt würden. In China produziert Vorwerk Teile für den Kobold, in Frankreich ist die Endmontage des Thermomix. Dort baut das Unternehmen ein zweites Werk, warum nicht in Deutschland? „Synergien“ spielten dort eine Rolle, sagt Stoffmehl. Aber als Familienunternehmen prüfe man immer auch, wo es die besten Bedingungen gibt. In Frankreich sei Energie günstig und es gebe immer einen direkten Draht zu den Entscheidern. „Das finden wir in Deutschland nicht überall“, kritisiert er. Betont aber, Vorwerk werde nicht den Weg gehen, „Produktionsstätten zu verlagern und Arbeitsplätze abzubauen“, sondern investiere kräftig ins Wuppertaler Stammwerk.
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„Die Wirtschaftsreporter“, das sind Stefan Schulte, Ulf Meinke und Frank Meßing. Die drei Journalisten der WAZ berichten seit Jahren über Unternehmen und Wirtschaftsthemen in NRW. Alle zwei Wochen, immer freitags, führt ein Wirtschaftsreporter der WAZ ein Gespräch mit einem Experten oder einer Expertin zu einem brennenden Thema aus der Region.