Essen. Bei der Hauptversammlung von Thyssenkrupp votiert die Sparkassen-Fondsgesellschaft gegen den Vorstand um Konzernchef López.
Bei der Hauptversammlung des angeschlagenen Stahl- und Industriegüterkonzerns Thyssenkrupp am 31. Januar will die Sparkassen-Fondsgesellschaft Deka gegen eine Entlastung des Vorstands stimmen. Deka-Experte Ingo Speich kritisiert laut vorab veröffentlichtem Redetext unter anderem, der von Konzernchef Miguel López ausgehandelte „Stahl-Deal“ mit dem tschechischen Geschäftsmann Daniel Kretinsky sowie das Thyssenkrupp-Effizienzprogramm Apex seien „intransparent und nicht nachvollziehbar“.
„Im vergangenen Jahr haben wir mit der Entlastung von Ihnen, Herr López, die Forderung verbunden, dass endlich ein großer Schritt nach vorne gemacht wird und das Portfolio aufgeräumt wird“, sagt Speich. „Das ist leider ausgeblieben.“
Deka-Experte Speich, der bei Hauptversammlungen großer Unternehmen häufig einer der tonangebenden Redner ist, zeigt sich enttäuscht von der Entwicklung bei Thyssenkrupp. „Das vergangene Jahr war wieder einmal ein verlorenes Jahr für uns Thyssenkrupp-Aktionäre“, heißt es in seinem Redetext, der unserer Redaktion vorliegt. „Jegliche Hoffnungen auf eine Erholung haben sich nicht realisiert. Der Aktienkurs ist im abgelaufenen Geschäftsjahr um 50 Prozent eingebrochen, im Vergleich mit der Branche sogar um fast 80 Prozent. Die mickrige Dividende wird letztlich aus der Substanz bezahlt. Das Vertrauen des Kapitalmarkts in die Strategie und deren Umsetzung ist weg.“
Es gilt als Zeichen harter Kritik, wenn Investoren einem Management die Entlastung verweigern. Der Schritt dürfte allerdings bei Thyssenkrupp keine unmittelbaren Auswirkungen für den Vorstand haben, zumal die Großaktionärin Krupp-Stiftung auch öffentlich Konzernchef López Rückendeckung gegeben hat, ebenso wie Aufsichtsratschef Siegfried Russwurm.
In allen Gremien des Thyssenkrupp-Aufsichtsrats agiere López „stets allen gegenüber respektvoll“, sagte Ursula Gather, die Vorsitzende des Krupp-Stiftungskuratoriums vor wenigen Tagen der FAZ. „Der Kurs erscheint mir richtig“, fügte Gather hinzu. Das Ziel sei, alle Segmente des Konzerns „zukunftsfähig aufzustellen“ und „profitabel weiterzuentwickeln – nicht im Sinne turbokapitalistischer Gewinnmaximierung, sondern im Sinne von Zukunftsfestigkeit“. Nur so seien „Arbeitsplätze von Beschäftigten langfristig zu sichern“.
Deka zu Thyssenkrupp: „Die Ergebnisse bleiben auf der Strecke“
Deka-Experte Speich kommt zu der Einschätzung: „In der letzten Dekade standen Vorstand und Aufsichtsrat noch nie so geschlossen zusammen. Forderungen werden damit Nachdruck verliehen – aber was bringt es? Die Ergebnisse bleiben auf der Strecke.“
Auch von der Krupp-Stiftung fordert Speich mehr Impulse angesichts der Krise des Konzerns mit seinen knapp 100.000 Beschäftigten. „Hilfreich wäre auch eine klare Meinung der Stiftung“, merkt Speich laut Redetext an. „Thyssenkrupp ist in einer großen Krise, der Hauptaktionär muss eine Meinung haben.“ Mit Blick auf die Stiftungschefin sagt er: „Frau Gather, Sie vertreten den größten Einzelaktionär, in solchen Krisenzeiten sind auch Sie gefordert. Wie stehen Sie zur Strategie und dem Management? Mit welchen Maßnahmen können Sie aktiv die Umsetzung begleiten?“
Das Stahl-Management von Thyssenkrupp hat vor wenigen Wochen tiefe Einschnitte im Unternehmen angekündigt. 11.000 Arbeitsplätze will der Vorstand abbauen oder abgeben. Zwei Hochöfen in Duisburg und ein Werk in Südwestfalen sollen schließen. Einem Bochumer Standort droht ein früheres Aus. Die IG Metall hat Widerstand gegen die Pläne angekündigt und lehnt Verhandlungen ab, wenn weiterhin betriebsbedingte Kündigungen oder Standortschließungen drohen.
Bei vergleichbaren Situationen in der Vergangenheit hatte die Krupp-Stiftung zuweilen eine Vermittlerrolle eingenommen. Stiftungschefin Gather sagte der FAZ nun, sie „verstehe die Sorgen der Beschäftigten, die um die eigenen Arbeitsplätze bangen“. Daher setze sie sich „immer für Lösungen ein, die dem Unternehmen und seinen Mitarbeitenden eine Zukunft ermöglichen und langfristig eine sichere Perspektive schaffen“. Gather erinnerte in diesem Zusammenhang auch an die Schließung des Duisburger Stahlwerks Rheinhausen. „Wir müssen die Debatte versachlichen“, sagte Gather. „Meine Tür steht offen, auch für kritische Gespräche. Miteinander reden hilft immer.“
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