Düsseldorf. Der Discounter KiK wettert gegen chinesische Anbieter wie Shein und Temu. Firmenchef Zahn fordert auch Aufarbeitung der Corona-Krise.
Patrick Zahn gehört nicht zu den Managern, die sich nur verklausuliert in der Öffentlichkeit ausdrücken. Wenn ihn etwas stört, kann es vorkommen, dass er von einer „Riesensauerei“ oder einer „perversen Situation“ spricht. Die chinesischen Shopping-Portale wie Shein und Temu bringen ihn besonders in Rage, aber auch ein Blick zurück auf die Corona-Zeit macht ihn wütend. Warum gerade er als KiK-Chef die Stimme erhebe, wenn es um die Billiganbieter aus Asien gehe? „Ich weiß nicht, ob die anderen sich nicht trauen“, sagt der 48-Jährige. Er frage sich auch, „warum das so ist“.
Bei einem Auftritt vor der Wirtschaftspublizistischen Vereinigung (WPV) im Düsseldorfer Industrieclub nimmt der KiK-Chef jedenfalls kein Blatt vor den Mund und wettert gegen Shein und Temu, die aus Sicht von Zahn massiv den Wettbewerb in Europa und Deutschland verzerren. „Wir sehen mit großem Unverständnis, dass es überhaupt die Möglichkeit gibt, dass solche Anbieter auf dem Markt agieren“, kritisiert Zahn. Dies sei „eine schreiende Ungerechtigkeit“.
Aus Sicht von Zahn profitieren Shein und Temu von unzulässigen Wettbewerbsvorteilen, zum Beispiel beim Zoll. Die asiatischen Online-Plattformen nutzen vor allem Luftfracht. Bei Bestellungen aus Nicht-EU-Ländern müssen für Pakete mit einem Warenwert unter 150 Euro bei der Einfuhr keine Gebühren bezahlt werden. KiK-Chef Zahn hält dies für ungerecht. „Wir zahlen auch Zölle“, betont er.
Die Regeln zur Zollfreiheit würden von der Konkurrenz aus Asien konsequent ausgenutzt. „Das heißt: Wenn Sie bei Temu etwas bestellen für rund 300 Euro, kriegen Sie halt zwei Pakete.“ Jedes Paket habe dann nur noch einen Wert von 149 Euro und falle unter die Zollgrenze.
KiK-Chef: „Die Kontrollquote ist gleich null“
Der Großteil der Pakete aus Asien gelange über den Flughafen im belgischen Lüttich nach Europa. „Da sitzen – sinnbildlich – sechs Zollbeamte.“ Jeden Tag kämen rund 500.000 Pakete von den beiden Anbietern aus Fernost an. „Das heißt, die Kontrollquote ist gleich null.“
Der Zoll habe nicht die Kapazitäten, Pakete zu öffnen und beispielsweise auf Schadstoffe zu kontrollieren, bemängelt KiK-Chef Zahn. Das Lieferkettengesetz verlange europäischen Unternehmen viel ab, Anbietern wie Shein und Temu aber nicht. Politikern sei dies bekannt, sie gingen die Problematik jedoch nicht an.
Die asiatischen Unternehmen würden auch von einem Weltpost-Abkommen profitieren, das China als „Drittweltland“ einstufe, weshalb es finanzielle Zuschüsse aus Europa für die Paketsendungen gebe. Zusammenfassend kritisiert Zahn, es sei „eine Riesensauerei, was da gerade passiert“.
Tengelmann-Tochter KiK will Filialnetz massiv ausweiten
Der vor 30 Jahren gegründete Discounter KiK mit Sitz im westfälischen Bönen sieht sich mit mehr als 4200 Filialen und über 31.000 Beschäftigten in 14 Ländern als eines der größten Handelsunternehmen in Europa. Bundesweit betreibt die Kette, die zum Tengelmann-Konzern gehört, eigenen Angaben zufolge rund 2400 Filialen.
KiK befindet sich nach Darstellung von Firmenchef Zahn trotz der Konkurrenz aus Asien weiterhin auf Expansionskurs. In den nächsten drei bis dreieinhalb Jahren wolle KiK das Filialnetz auf rund 5000 Standorte ausweiten. Danach seien 7000 Filialen möglich. Allein in Frankreich, wo KiK noch nicht präsent sei, gebe es ein Potenzial von 1500 bis 2000 neuen Läden, sagt Zahn. KiK ist zunächst als reiner Textildiscounter gestartet, zum Sortiment gehören allerdings mittlerweile viele Produkte des täglichen Bedarfs wie Spielwaren und Geschenkartikel.
„Covid-Aufarbeitung hat bisher überhaupt nicht stattgefunden“
Auch die Folgen der Corona-Pandemie für den Handel sind für KiK-Chef Zahn noch ein wichtiges Thema. „Ich finde, dass die Covid-Aufarbeitung bisher überhaupt nicht stattgefunden hat“, sagt er. Gegen mehrere Bundesländer treibe sein Unternehmen Schadenersatzklagen angesichts der behördlich angeordneten Schließungen von Filialen während der Pandemie voran. In Summe fordere KiK einen dreistelligen Millionenbetrag.
Dabei gehe es nicht nur um das Geld, betont Zahn. „Die Fragestellung ist für uns: Könnte das wieder passieren? Das würde ich mit einem klaren Ja beantworten.“ Es sei „eine tiefe Ungerechtigkeit“ und „eine perverse Situation“ gewesen, dass ein Unternehmen wie KiK seine Filialen habe schließen müssen, während andere Ketten – darunter Lebensmittelhändler – ihre Läden weiterhin öffnen konnten.
Er sei kein Jurist, sagt Zahn, aber: „Aus reinem Menschenverstand kann ich bis heute die Schließungen nicht nachvollziehen.“ Auf dem Heimatmarkt seien die Vorgaben während der Corona-Zeit für KiK besonders streng gewesen. „Wir waren in Deutschland schon der Lockdown-Weltmeister“, formuliert es Zahn.
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