Essen. Lange hat Ursula Gather, die Chefin der Krupp-Stiftung, geschwiegen. Jetzt spricht sie über López, die Stahlsparte und die Dividende.
Angesichts von Kritik aus den Reihen der Arbeitnehmer und von Aktionärsvertretern stärkt die Chefin der Krupp-Stiftung, Ursula Gather, kurz vor der Thyssenkrupp-Hauptversammlung Vorstandschef Miguel López den Rücken. „In allen Gremien des Aufsichtsrats der Thyssenkrupp AG agiert er stets allen gegenüber respektvoll“, sagte die Vorsitzende des Stiftungskuratoriums der FAZ. „Der Kurs erscheint mir richtig“, so Gather. Das Ziel sei, alle Segmente des Konzerns „zukunftsfähig aufzustellen“ und „profitabel weiterzuentwickeln – nicht im Sinne turbokapitalistischer Gewinnmaximierung, sondern im Sinne von Zukunftsfestigkeit“. Nur so seien „Arbeitsplätze von Beschäftigten langfristig zu sichern“. Gather hatte sich lange Zeit nicht öffentlich zur Lage bei Thyssenkrupp geäußert.
Mit knapp 21 Prozent ist die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung, die ihren Sitz auf dem Gelände der Essener Villa Hügel hat, die größte Einzelaktionärin des Stahl- und Industriegüterkonzerns Thyssenkrupp. Stiftungschefin Gather spricht von einer „hochkomplexen Situation“ im Unternehmen. Die Lage erfordere „auch schwierige Entscheidungen, die niemand leichtfertig trifft“, sagte sie der FAZ – angesprochen auf López. „Ich war überrascht über den Ton seiner Kritiker. Ich denke, es gibt für alles Grenzen, insbesondere für Desavouierung und Dämonisierung.“ Sprich: für ein Bloßstellen in der Öffentlichkeit und ein Verteufeln.
Im Kampf der IG Metall um die Arbeitsplätze bei Thyssenkrupp ist López in den vergangenen Monaten zur Zielscheibe von Kritik aus der Belegschaft geworden. Druck bekommt López nicht nur von der IG Metall, sondern auch von Aktionärsvertretern. Ingo Speich von der Sparkassen-Fondsgesellschaft Deka bezeichnet das erste volle Geschäftsjahr von López an der Spitze von Thyssenkrupp als „enttäuschend“. Speich sagte unserer Redaktion, „der Umbau von Thyssenkrupp hat sich nicht beschleunigt, sondern ist weiterhin sehr stockend“.
Ende vergangenen Jahres hat das Unternehmen angekündigt, bis zum Jahr 2030 rund 11.000 Stahl-Arbeitsplätze abbauen oder outsourcen zu wollen. Den Verkauf einer 20-Prozent-Beteiligung an der Stahlsparte von Thyssenkrupp an den tschechischen Geschäftsmann Daniel Kretinsky und dessen Firma EPH setzte der Aufsichtsrat gegen den Willen der Arbeitnehmervertreter durch. Thyssenkrupp-Chef López will mit Kretinsky auch über einen Verkauf weiterer 30 Prozent am Stahlgeschäft verhandeln.
Zur Frage, welche Strategie Kretinsky verfolge, sagte Stiftungschefin Gather der FAZ: „Er ist ein Investor und hält mit EPH jetzt 20 Prozent an Thyssenkrupp Steel. Das ist ein ungefähr gleich großer Anteil wie unserer, den wir als Krupp-Stiftung an der Thyssenkrupp AG halten. Trotzdem wird nun ständig danach gefragt, welchen Plan Herr Kretinsky für die Stahlsparte hegt. Da müsste man uns ja auch alle naselang fragen, welchen Plan wir für die Thyssenkrupp AG hegen.“ Seit dem Jahr 2018 ist Stiftungschefin Gather Aufsichtsratsmitglied bei Thyssenkrupp. Über ein sogenanntes Entsenderecht verfügt die Stiftung über zwei Mandate im wichtigsten Kontrollgremium des Konzerns.
Fondsgesellschaft Deka kritisiert Dividendenpläne
Mitten in der Krise sollen die Aktionärinnen und Aktionäre von Thyssenkrupp eine „Gewinnausschüttung“ erhalten. Dabei hat das Unternehmen im vergangenen Geschäftsjahr einen Verlust von 1,4 Milliarden Euro verbucht. Die Sparkassen-Fondsgesellschaft Deka sieht die Dividendenpläne des Managements kritisch und will bei der virtuellen Hauptversammlung am 31. Januar gegen eine Auszahlung stimmen – ebenso wie der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre. „Die Ausschüttung erfolgt zu Lasten der Substanz“, kritisiert Deka-Experte Speich. Die Thyssenkrupp-Eigner sollen insgesamt rund 93 Millionen Euro erhalten. Etwa 19,6 Millionen Euro davon dürften an die Krupp-Stiftung fließen.
Stiftungschefin Gather äußert sich gegenüber der FAZ auch zu den Dividendenplänen. „In der Zeit seit 2013, also seitdem ich Kuratoriumsvorsitzende bin, gab es fünf dividendenlose Jahre, die die Stiftung mitgetragen hat, wobei die Beteiligung an Thyssenkrupp ihr einziger Vermögenswert ist“, sagte sie. „Außerdem kommen Dividendenvorschläge zunächst vom Vorstand und gelegentlich aus dem Kapitalmarkt. In diesem Jahr waren es Aktionärsvertreter, die sich Dividendenkontinuität auf niedrigem Niveau gewünscht haben.“
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