Essen. Mitten in der Krise sollen die Aktionäre von Thyssenkrupp eine Dividende erhalten. Die Sparkassen-Fondsgesellschaft Deka lehnt dies ab.

Bei Thyssenkrupp gibt es Streit um die Dividende. Dass die Aktionäre des angeschlagenen Essener Stahl- und Industriegüterkonzerns trotz eines Verlusts von 1,4 Milliarden Euro in der jüngsten Jahresbilanz eine „Gewinnausschüttung“ erhalten sollen, stößt bei Investoren teils auf Unverständnis. Die Sparkassen-Fondsgesellschaft Deka will bei der anstehenden virtuellen Hauptversammlung am 31. Januar gegen die Vorstandspläne votieren, wie Deka-Experte Ingo Speich unserer Redaktion sagte. Auch die Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre lehnen die Dividende ab.

„Das erste volle Geschäftsjahr von Herrn López war enttäuschend“, urteilt Deka-Experte Speich mit Blick auf die Arbeit von Vorstandschef Miguel López, der die Führung des Traditionskonzerns im Juni 2023 übernommen hat. Speich fordert mehr Veränderungen in dem Unternehmen, das seit Jahren nicht aus der Krise kommt. „Der Umbau von Thyssenkrupp hat sich nicht beschleunigt, sondern ist weiterhin sehr stockend“, kritisiert Speich im Gespräch mit unserer Redaktion.

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Am Abgrund – Die Thyssenkrupp-Story ab dem 28.01.

Am Abgrund – Die Thyssenkrupp-Story

Der frühere Siemens-Manager López ist bei Thyssenkrupp mit dem Anspruch gestartet, stärker als frühere Konzernlenker die Belange der Anteilseigner berücksichtigen zu wollen. In Zukunft müsse Thyssenkrupp „wieder mehr bieten als eine minimale Rendite und einen unbefriedigenden Aktienkurs“, sagte López bei der Hauptversammlung im vergangenen Jahr in Bochum.

Deka-Experte Speich zu Thyssenkrupp: „Kein Vertrauen in die Strategie“

Doch unter der Führung von López ist der Aktienkurs teils deutlich gefallen. Kostete eine Thyssenkrupp-Aktie bei seinem Start im Sommer 2023 noch rund sieben Euro, waren es im September 2024 zwischenzeitlich weniger als drei Euro und zuletzt etwas mehr als vier Euro. „Die schwache Entwicklung des Aktienkurses zeigt, dass der Kapitalmarkt kein Vertrauen in die Strategie und deren Umsetzung hat“, urteilt Deka-Experte Speich. „Die Veränderungsgeschwindigkeit ist viel zu gering.“

Vorstandschef Miguel López hatte noch vor seinem Amtsantritt ein beträchtliches Aktienpaket bei Thyssenkrupp erworben.
Vorstandschef Miguel López hatte noch vor seinem Amtsantritt ein beträchtliches Aktienpaket bei Thyssenkrupp erworben. © dpa | Rolf Vennenbernd

Auch López hatte noch vor seinem Amtsantritt ein beträchtliches Aktienpaket bei Thyssenkrupp erworben, um „ein klares Statement für sein Zutrauen in die Leistungsfähigkeit des Unternehmens“ zu geben, wie ein Konzernsprecher betonte. Für mehr als 1,5 Millionen Euro hatte der Manager Aktien seines neuen Arbeitgebers gekauft, wie aus dem Thyssenkrupp-Vergütungsbericht hervorgeht.

López strebt für die Stahlsparte, zu der rund 27.000 der insgesamt knapp 100.000 Beschäftigten von Thyssenkrupp gehören, ein weitreichendes Bündnis mit dem tschechischen Geschäftsmann Daniel Kretinsky an. Mit seinem Unternehmen EPCG hat Kretinsky bereits 20 Prozent der Anteile an Deutschlands größtem Stahlkonzern übernommen. Er könnte auf 50 Prozent aufstocken. Von den Arbeitnehmervertretern wird der Deal kritisch beäugt.

Marc Tüngler: „López muss liefern“

„López braucht einen Befreiungsschlag. Das Stahlgeschäft aus den Büchern des Konzerns zu bekommen, könnte ein solcher Befreiungsschlag sein“, analysiert Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Tüngler sieht López unter Zugzwang. „López muss liefern“, sagt der Aktionärsvertreter.

Das Thyssenkrupp-Management plant zudem massive Einschnitte in der Stahlsparte. 5000 Arbeitsplätze sollen abgebaut, weitere 6000 ausgegliedert werden. „Grundsätzlich geht die Strategie in die richtige Richtung. Das Stahlgeschäft ist im Wettbewerbsvergleich jedoch weiterhin das Schlusslicht in Europa“, urteilt Deka-Experte Speich. „Die Kosten müssen weiter gesenkt und die Produktivität muss erhöht werden.“ Die Einschnitte hätten auch mit Versäumnissen in der Vergangenheit zu tun, sagt Speich. „Das Zaudern des Stahl-Managements über Jahre trifft die Belegschaft mit voller Härte. Das ist bedauerlich.“ Ob Kretinsky der richtige Partner für Thyssenkrupp Steel sei, lasse sich jetzt noch nicht beantworten, so Speich. „Das ist derzeit noch nicht abzusehen, zumal die Transaktion für den Kapitalmarkt recht intransparent ist.“

Deka-Experte Ingo Speich: „Das Zaudern des Stahl-Managements über Jahre trifft die Belegschaft mit voller Härte. Das ist bedauerlich.“
Deka-Experte Ingo Speich: „Das Zaudern des Stahl-Managements über Jahre trifft die Belegschaft mit voller Härte. Das ist bedauerlich.“ © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Trotz eines milliardenschweren Fehlbetrags im zurückliegenden Geschäftsjahr spricht sich das Thyssenkrupp-Management für eine Dividenden-Zahlung an die Anteilseigner aus. Wie schon in den vergangenen zwei Jahren schlägt die Konzernleitung 15 Cent je Aktie vor. Das entspricht insgesamt 93 Millionen Euro für die Anleger. Etwa 19,6 Millionen Euro davon dürften der Essener Krupp-Stiftung zukommen, die rund 21 Prozent der Anteile hält. Es gehe um „Dividenden-Kontinuität“, heißt es bei Thyssenkrupp. Vorstandschef López betont, „verlässliche Dividendenzahlungen“ seien auch künftig das Ziel.

„Die Stiftung ist auf eine Dividende angewiesen“

Für die gemeinnützige Krupp-Stiftung, die ihren Sitz auf dem Gelände der Villa Hügel in Essen hat, sind die Zahlungen des Unternehmens die einzige Einnahmequelle. „Die Stiftung ist auf eine Dividende angewiesen“, betonte Stiftungs-Vorstandsmitglied Michaela Muylkens unlängst. „Die Dividende ist die Grundlage unserer Existenz.“ 

Die Kokerei von Thyssenkrupp in Duisburg: Das Management plant massive Einschnitte in der Stahlsparte.
Die Kokerei von Thyssenkrupp in Duisburg: Das Management plant massive Einschnitte in der Stahlsparte. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Schon bei der vergangenen Hauptversammlung hatte die Fondsgesellschaft Deka gegen die Auszahlung einer Dividende gestimmt – und will es nun wieder tun. „Die Ausschüttung erfolgt zu Lasten der Substanz“, kritisiert Deka-Experte Speich. „Thyssenkrupp lebt seit Jahren von der Substanz. Damit muss endlich Schluss sein.“

DSW-Hauptgeschäftsführer Marc Tüngler macht Druck. „Viel wichtiger als die bescheidene Dividende von heute sind die Gewinnausschüttungen von morgen“, sagt er. „Dafür muss sich Thyssenkrupp massiv verändern. 2025 wird für Thyssenkrupp ein Schicksalsjahr.“

Dachverband will Thyssenkrupp-Management Entlastung verweigern

Gegenwind bekommen Vorstand und Aufsichtsrat von Thyssenkrupp auch vom Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre. Bei der virtuellen Hauptversammlung will der Dachverband beantragen, den Mitgliedern der Konzerngremien die Entlastung zu verweigern – als ein Zeichen des Misstrauens.

Das Gebäude der Krupp-Stiftung auf dem Gelände der Villa Hügel in Essen: Für die gemeinnützige Stiftung sind die Zahlungen des Unternehmens die einzige Einnahmequelle. 
Das Gebäude der Krupp-Stiftung auf dem Gelände der Villa Hügel in Essen: Für die gemeinnützige Stiftung sind die Zahlungen des Unternehmens die einzige Einnahmequelle.  © FUNKE Foto Services | Andreas Buck

Der Thyssenkrupp-Vorstand gebe „nicht das Bild ab, der Herausforderung gewachsen zu sein und langfristige Perspektiven für den Konzern schaffen zu können“, heißt es in einem Antrag des Dachverbands. Die Aktionärsvertreter kritisierten auch, dass Thyssenkrupp-Aufsichtsratschef Siegfried Russwurm sein sogenanntes Doppelstimmrecht genutzt hat, um die Entscheidung über den Teilverkauf der Stahlsparte gegen den Willen der Arbeitnehmervertreter durchzudrücken. Die Unfähigkeit zum Kompromiss seitens des Aufsichtsrats sei „auch ein Zeichen der Überforderung“, so der Dachverband.

Die Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre wollen ebenso wie die Fondsgesellschaft Deka gegen die Dividende votieren. „Während sich das Unternehmen in der Krise befindet, der Umsatz weiterhin sinkt, Arbeitsplätze gestrichen werden und weiterer Stellenabbau droht, soll nach dem Wunsch von Vorstand und Aufsichtsrat trotzdem eine Dividende ausgeschüttet werden“, heißt es in einem Gegenantrag für die Hauptversammlung. „Das passt nicht zusammen und ist aus unserer Sicht unverhältnismäßig.“

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