Essen. Woolworth hat in Essen die 750. Filiale eröffnet und will auf 5000 wachsen. Was die Kette aus Unna anders macht als kriselnde Händler.

Die Konsumstimmung in Deutschland ist schlecht. Der Einzelhandel steckt in der Krise. Der Warenhauskonzern Galeria hat im Sommer die dritte Insolvenz in Folge beendet, gerade kämpft die bekannte Deko-Kette Depot mit der Restrukturierung. Jede zehnte Filiale soll von der Schließung betroffen sein. Der Discounter Woolworth setzt dagegen massiv auf Expansion. Warum - das fragten wir Geschäftsführer Mike Adams.

Viele Einzelhändler stecken in wirtschaftlichen Schwierigkeiten, müssen Insolvenz anmelden und Filialen schließen. Woolworth will dagegen erheblich expandieren. Wie funktioniert das?

Mike Adams: Ja, wir haben in diesen Tagen in der Essener Innenstadt europaweit die 750. Filiale eröffnet. In den kommenden Jahren wollen wir auf 5000 Standorte kommen. Und nach Polen und Österreich, im nächsten Jahr Tschechien und der Slowakei und danach möglichst jedes Jahr ein weiteres europäisches Land dazu nehmen. In Deutschland wollen wir unsere Präsenz auf 1500 Standorte in etwa verdoppeln. Wenn man es richtig macht, kann ein Discount-Konzept auch in diesen schwierigen Zeiten funktionieren. Woolworth hat Erfolg, weil wir mit unserem Warenmix ein Alleinstellungsmerkmal haben.

Sind Sie auch der Überzeugung, dass im deutschen Einzelhandel vor allem Luxusanbietern und Discountern die Zukunft gehört?

Adams: Es ist tatsächlich zu beobachten, dass das Mittelfeld immer kleiner wird. Die Gesellschaft wird preissensibler. Mit dem rasanten Anstieg der Inflation 2022 und 2023 orientieren sich viele Verbraucher beim Einkauf um. Kundinnen und Kunden aus der gehobenen Mittelschicht kommen jetzt auch bei uns einkaufen. Sie merken, dass die Qualität unserer Eigenmarken den Markenartikeln auf Augenhöhe begegnen kann.

Woolworth-Eigentümer kommt aus Dortmund

Die Discounterkette Woolworth gehört zu 98 Prozent der Dortmunder Händlerfamilie Heinig. Zwei Prozent hält Roman Heini, der Vorsitzende der Geschäftsführung. An den Eigentümer-Strukturen könnte sich in absehbarer Zeit etwas verändern. Stefan Heinig, der den Textildiscounter Kik gegründet hat und inzwischen ganz an die Tengelmann-Gruppe abgegeben hat, sucht offenbar einen Käufer für Woolworth. Er will sich offenbar ganz auf sein zweites Unternehmen, die Discounter-Kette Tedi, konzentrieren. Das berichtet die „Lebensmittelzeitung“.

Danach soll der Verkaufsprozess aber ins Stocken geraten sein. Als einziger Bieter im Rennen um Woolworth soll Recherchen des Branchenmagazins zufolge der Finanzinvestor 3i übriggeblieben sein. Zu 3i gehört die niederländische Billigkette Action, die durch eine aggressive Expansionsstrategie auch in Deutschland zum Rivalen von Woolworth und anderer Nonfood-Discounter aufgestiegen ist.

Ein Sprecher von Woolworth wollte sich zu den Marktgerüchten nicht äußern. Gleichwohl gilt es als offenes Geheimnis, dass der 62-jährige Dortmunder Unternehmer Heinig über die Zukunft seines Handels- und Immobilienimperiums nachdenkt. Medienberichten zufolge sollen seine Söhne kein Interesse an der Fortführung der Handelsketten haben.

Das klingt nach einer Strategie, wie wir sie von Aldi im Lebensmittelhandel kennen.

Adams: Wir vergleichen uns durchaus mit Aldi, aber auch mit Lidl. Wir wollen durch die Warenpräsentation, aber auch durch ein gutes Preis-Leistungsverhältnis als der führende Discounter im Nonfood-Bereich wahrgenommen werden. Das schaffen wir durch unseren hohen Eigenmarken-Anteil von 90 Prozent.

Das ist eine weitere Parallele zu Aldi. Für welche Sortimente steht denn Woolworth? Mit den Ketten Tedi, Action und Kodi haben Sie ja auch starke Konkurrenten.

Adams: Der große Unterschied zu unseren Wettbewerbern ist der Modeanteil bei Woolworth von 30 bis 40 Prozent. Damit heben wir uns ab. Ansonsten konzentrieren wir uns auf Haushaltswaren, Heimwerkerbedarf und Schreibwaren. Zum Dauersortiment von 10.000 Artikeln kommen 8000 saisonale Artikel hinzu. Zudem sind wir in der Lage, große Ladenlokale mit 1850 Quadratmetern Verkaufsfläche wie jetzt in der Essener Rathaus-Galerie sinnvoll zu bespielen. Wir haben aber auch kleine Filialen mit nur 500 Quadratmetern.

Im Geschäftsjahr 2022/23 hat Woolworth erstmals die Umsatzmarke von einer Milliarde Euro übersprungen. Ihre Filialen findet man inzwischen auch in besten Innenstadt-Lagen. Es ist noch gar nicht so lange her, da hatte Woolworth nicht den besten Ruf.

Adams: Wir haben es geschafft, das angestaubte Image hinter uns zu lassen. Der Wandel wurde nach der Insolvenz 2009 und dem Neustart ein Jahr später deutlich. Woolworth hat an der Qualität der Produkte gearbeitet und Filialen modernisiert. Wir haben aber auch die Unternehmenskultur verbessert. Bei uns gibt es keine Geheimnisse unseren 11.000 Mitarbeitenden gegenüber. Jede und jeder weiß zu jeder Zeit, wie es um das Unternehmen bestellt ist.

Woolworth eröffnet in Essen die 750. Filiale
In der Rathaus Galerie mitten in der Essener Innenstadt hat Woolworth seine 750. Filiale eröffnet. Für die Auswahl der Standortorte ist Mike Adams verantwortlich. © FUNKE Foto Services | Andreas Buck

Herr Adams, Sie sind für die ambitionierte Expansion von Woolworth verantwortlich. Erleichtert Ihnen die Krise des Einzelhandels mit einer wachsenden Zahl leerstehender Ladenlokale die Suche nach neuen Standorten?

Adams: Wir schaffen unsere Ziele, aber die Konkurrenz ist durchaus da. Vor allem Drogerieketten und Discounter wie Tedi und Action treten mit uns in Wettbewerb um die besten Standorte. Bei der Auswahl hat Woolworth klare Prinzipien. Unsere Filialen liegen zu je einem Viertel in Fußgängerzonen, Einkaufscentern, Fachmarktzentren oder in freistehenden Gebäuden. Dieser Mix hat sich bewährt. Allerdings gibt es im Bundesgebiet immer noch zahlreiche weiße Flecken, die wir füllen wollen.

Welche Rolle spielt das Ruhrgebiet für Woolworth?

Adams: Das Ruhrgebiet spielt für uns eine ganz große Rolle. Es liegt ja buchstäblich vor der Haustür unserer Hauptverwaltung und unseres Zentrallagers in Unna. Im Ruhrgebiet haben wir die höchste Filialdichte. In Nordrhein-Westfalen sind es fast 200.

Mike Adams

„Wer bei uns einkaufen will, muss nicht weit fahren oder laufen.“

Mike Adams

Hat Ihre starke Präsenz im Ruhrgebiet auch damit zu tun, dass hier viele Menschen mit kleinen Einkommen leben?

Adams: Das glaube ich nicht. In Bayern und Baden-Württemberg sind unsere Kundenzahlen und Umsätze nicht schlechter. Und nach Österreich sind wir zurückgegangen und haben dort großen Erfolg. Woolworth profitiert eher davon, dass das Ruhrgebiet eine große Metropole mit fließenden Übergängen ist. Wer bei uns einkaufen will, muss nicht weit fahren oder laufen.

Es fällt auf, dass Woolworth keinen Onlineshop hat. Soll das so bleiben?

Adams: Wir verzichten ganz bewusst auf das Internetgeschäft. Für einen Discounter wie uns würden sich Versand und Retouren vorn und hinten nicht rechnen. Mehr als 6000 unserer Artikel kosten unter drei Euro. Die würde doch niemand online bei uns bestellen. Deshalb bin ich fest davon überzeugt, dass es den stationären Einzelhandel noch lange geben wird.

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