Bochum. Bei Galeria Karstadt Kaufhof wackeln erneut Standorte. Etliche Warenhäuser stehen leer. Woolworth will Filialnetz mehr als verdoppeln.

Die letzten Warenhäuser aus dem zweiten Insolvenzverfahren haben erst vor wenigen Tagen geschlossen. Im dritten Insolvenzverfahren von Galeria Karstadt Kaufhof wackeln erneut Standorte. In den Innenstädten geht einmal mehr die Sorge um, einen Kundenmagneten zu verlieren. Derweil zeigt eine andere Kaufhauskette aus dem Ruhrgebiet, dass Expansion statt Schrumpfen Erfolg verspricht: Woolworth.

Die Immobilien-Experten des Handelsinstituts BBE sind tief in die Annalen eingestiegen und haben den Bedeutungsverlust der früher noch selbstständigen Ketten Karstadt und Kaufhof in den zurückliegenden Jahren seit 2004 dokumentiert. In nur 20 Jahren ist die Zahl der Warenhausstandorte von 290 auf 92 geschrumpft. In der dritten Insolvenz stehen nun weitere Filialen auf dem Prüfstand, 16 schreiben wegen hoher Mieten derzeit Verluste, sagte Galeria-Chef Olivier Van den Bossche im Interview mit unserer Redaktion.

Warenhäuser haben nur noch 1,2 Prozent Marktanteil

Der schleichende Rückzug aus den Innenstädten und Einkaufszentren minimiert auch die Wirtschaftskraft: Hatten Karstadt und Kaufhof im Jahr 2000 noch einen Marktanteil von 4,2 Prozent im deutschen Einzelhandel, waren es Ende 2023 noch gerade einmal 1,2 Prozent. Obwohl Galeria den Zahlen zufolge wirtschaftlich kaum noch eine Rolle spielt, kämpfen die Städte um ihre Warenhäuser, weil sie Angst vor Bauruinen haben.

Auch interessant

Zurecht, wie die BBE-Experten belegen. Allein von der Schließungsliste der Jahre 2019/20 stehen weit mehr als die Hälfte der Warenhäuser bis heute leer. „Lange Leerstandszeiten lassen sich oft auf fehlende oder mangelhafte Konzepte, Uneinigkeiten von Eigentümern und potenziellen Nachnutzern sowie lange Genehmigungs- und Bauphasen zurückführen“, heißt es in der aktuellen Studie.

Ehemaliges Hertie-Haus in Velbert stand lange leer

Das Institut hat sich zwölf ehemalige Galeria-Standorte in NRW genauer angesehen. Nach langem Stillstand wurde das ehemalige Hertie-Haus in Velbert abgerissen. 2027 soll auf dem Gelände ein Komplex mit einer Nutzung aus Handel, Gastronomie, Events, Wohnen und Büro entstehen.

Der Duisburger Rasmus Beck macht sich Gedanken über den geschlossenen Kaufhof in Duisburg.
Der Duisburger Rasmus Beck macht sich Gedanken über den geschlossenen Kaufhof in Duisburg. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Sehr viel schneller ging es in Recklinghausen. Die Karstadt-Filiale in der City stand nur zwei Jahre leer, bis ein privater Investor daraus das „Markt Quartier“ mit Hotel, Supermarkt, Gastronomie, Kita und betreutem Wohnen machte. Das Karstadt-Gebäude in Gelsenkirchen-Buer stand drei Jahre lang leer. Das neue „Linden-Karree“ ist inzwischen eine Mixtur aus Handel, Gastronomie, Wohn- und Pflegezentrum.

Neuer Eigentümer für geschlossenen Kaufhof in Duisburg gesucht

Herne brauchte dagegen von der Karstadt-Schließung bis zur Eröffnung der „Neuen Höfe“ samt Fitnessstudio neun Jahre. Den innovativsten Weg ging demnach Dortmund. Für den Abriss des Karstadt-Technikhauses und den siebenstöckigen Neubau mit 430 Apartments für Studierende brauchte es sechs Jahre.

„Von der Schließung eines Warenhauses bis zur Wiedereröffnung nach einer Umnutzung vergehen durchschnittlich vier bis fünf Jahre“, haben die BBE-Experten errechnet. Ein Patentrezept für die Nachnutzung haben auch sie erklärtermaßen nicht. Darüber diskutiert wird gerade etwa in Duisburg. In der Innenstadt blieb von der bislang letzten Schließungswelle Karstadt im Einkaufszentrum Forum verschont. Der Kaufhof einige hundert Meter weiter ist aber seit Juni 2023 Geschichte. Der US-amerikanische Investmentfonds Apollo EPF sucht gerade einen neuen Eigentümer für das wuchtige Gebäude.

Ansicht des Kaufhof-Gebäudes am Freitag, 16.06.2023 an der Bahnhofstaße in Gelsenkirchen. Das Unternehmen schließt die Filiale. Am 17.06. ist der letzte Öfnungstag. Foto: Michael Korte / FUNKE Foto Services
Ansicht des Kaufhof-Gebäudes am Freitag, 16.06.2023 an der Bahnhofstaße in Gelsenkirchen. Das Unternehmen schließt die Filiale. Am 17.06. ist der letzte Öfnungstag. Foto: Michael Korte / FUNKE Foto Services © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Der Duisburger Wirtschaftsförderer Rasmus Beck, Mitveranstalter eines Kongresses zum Thema Quartiersentwicklung vergangene Woche in Bochum, macht sich aus Stadtsicht seine Gedanken über die Zukunft der Immobilie. „Abriss und Neubau ist in Zeiten des Klimaschutzes ein veraltetes Konzept. Das wäre weder ökologisch noch nachhaltig“, sagt er. Für so große Immobilien wie ein ehemaliges Warenhaus werde der Eigentümer nur schwer „den einen Mieter für die ganze Fläche“ finden können. „Neben Einzelhandel geht es also um den guten Mix von verschiedenen Nutzungen. Mit Gastronomie-, Kultur-, Sport- und Bildungsangeboten werden im Idealfall zusätzliche Gründe geschaffen, um in die Innenstadt zu kommen. Die Menschen sollen dort nicht nur einkaufen und arbeiten, es geht zukünftig auch um Wohnen und Freizeit“, meint Beck.

Während Galeria Karstadt Kaufhof von einer Krise in die andere taumelt, kann ein Wettbewerber vor Kraft kaum laufen. Die Discounter-Kette Woolworth aus Unna mit ihrem Discount-Warenhaus-Sortiment hat sich vorgenommen, in Deutschland 1500 Filialen zu betreiben. Aktuell sind es mehr als 640. Aus seinem Billigimage macht das Unternehmen inzwischen einen Kult. „Potenzielle Vermieter haben uns lange als Schmuddelkinder bezeichnet“, sagt Expansionschef Lennart Wehrmeier beim Kongress in Bochum. Marketingmann Ruben Schmitz erinnert an die Aussage eines Grünen-Politikers aus Bochum, wonach Woolworth in der City „die zweitschlechteste Option nach Leerstand“ sei.

Weitere Texte aus dem Ressort Wirtschaft finden Sie hier:

Woolworth hat aber Erfolg: eine Millionen Besucher täglich in den Läden und über 10.000 Beschäftigte. 2023 sei das dritte Rekordjahr in Folge gewesen. „Wir wachsen so stark wie kein anderer Discount-Händler“, meint Schmitz selbstbewusst. „Wir haben das, was viele gern hätten: Frequenz.“ Und das, obwohl Woolworth bewusst keinen Onlineshop betreibt. „Es gibt immer noch eine große Gruppe von Menschen in Deutschland, die nicht kreditwürdig sind, um online einzukaufen“, sagt Wehrmeier zur Begründung. „Der physische Einkauf ist keineswegs tot.“