Essen. Fünf Hosen bestellen, vier zurückschicken - das machen nur noch wenige umsonst. Vier Prozent der Onlinehändler verzichten auf Versandkosten.
Das sprunghafte Wachstum des E-Commerce ist vorbei. Auch die Onlinehändler bekommen die Konsumzurückhaltung in Deutschland zu spüren und reagieren mit Kostensenkungen. Retouren zum Nulltarif sind einer Studie zufolge inzwischen die Ausnahme.
Fast jedes vierte verschickte Paket ging im Jahr 2022 wieder zurück. Damit war Deutschland mit fast 530 Millionen Rücksendungen und 1,3 Milliarden Artikeln europäischer Spitzenreiter, wie eine Schätzung der Forschungsgruppe Retourenmanagement der Otto-Friedrich-Universität in Bamberg ergab. „Das einzige Instrument, das etwas nachhaltig an den hohen Retourenquoten ändern kann, ist eine Bepreisung der Retoure - also entweder eine verpflichtende Retourengebühr oder eine Retourensteuer“, sagt deren Leiter Björn Asdecker. Die Forschungsgruppe geht davon aus, dass pro Retourensendung Kosten von knapp sieben Euro anfallen. 2021 seien rund 17 Millionen zurückgeschickte Artikel entsorgt worden.
Bei nur vier Prozent der Onlinehändlern sind Retouren gratis
Den ökonomischen und ökologischen Schaden durch Retouren scheinen die Unternehmen inzwischen erkannt zu haben. Das Kölner Handelsinstitut EHI hat ermittelt, dass nur noch vier Prozent der Onlinehändler gänzlich auf Versandkosten verzichten. Das war nicht immer so. Inzwischen haben aber der EHI-Umfrage zufolge mehr als drei Viertel (78 Prozent) der Versender erkannt, dass der Versand und die Rücknahme entscheidende Kostentreiber seien. Die der Kundschaft in Rechnung gestellten Versandkosten liegen bei 85 Prozent der befragten Händler zwischen zwei und zehn Euro.
Die durchschnittlichen Logistikkosten pro Artikel sind - je nach Sortiment - sehr unterschiedlich und betragen bei einem Drittel der Onlinehändler bis zu fünf Euro, bei weiteren 41 Prozent bis zu 25 Euro und bei acht Prozent über 25 Euro. Retouren sind nach Angaben des EHI darin noch gar nicht eingerechnet.
Konsumflaute: Einbruch beim E-Commerce
Nach rasanten Zuwächsen insbesondere in den Jahren der Corona-Pandemie, als Geschäfte für Wochen schließen mussten, sind für den Onlinehandel härtere Zeiten angebrochen. Der Bruttoumsatz mit Waren im deutschen E-Commerce stürzte im vergangenen Jahr im Vergleich zu 2022 um 11,8 Prozent auf 79,7 Milliarden Euro ab. Das geht aus einer repräsentativen Befragung des Bundesverbands E-Commerce und Versandhandel Deutschland (BEVH) hervor. 2022 hatte der Online-Umsatz noch bei 90,4 Milliarden Euro gegeben. Beim BEVH gibt man sich aber optimistisch. „Wir erwarten, dass die Talsohle im deutschen E-Commerce im Laufe des Jahres erreicht wird“, sagt Verbandspräsident Gero Furchheim.
Gleichwohl stehen die Versender weiter unter Druck. Die Vermeidung von Rücksendungen und eine effiziente Logistik seien wichtige Optionen, die Kosten zu senken, meint EHI-Geschäftsleiter Marco Atzberger. „Der reibungslose Ablauf von Versand und Lieferung und eine effiziente Abwicklung der Retouren gehören zu den Kernanforderungen von Onlinehändlern“, erklärt der Experte. „Schnelle Lieferzeiten, konkrete Lieferzeitfenster sowie eine kluge Kostenstrategie können entscheidende Stellschrauben im Wettbewerb sein“, so Atzberger.
61 Prozent liefern in ein bis zwei Tagen aus
Damit sich Kundinnen und Kunden nicht doch noch für ein anderes Produkt entscheiden, während sie auf die Ware warten, seien schnelle Lieferzeiten von hoher Relevanz, heißt es in der EHI-Studie. Die durchschnittliche Standardlieferung liegt bei 61 Prozent der Onlinehändler bei ein bis zwei Werktagen, 28 Prozent liefern innerhalb von drei bis fünf Werktagen und sieben Prozent benötigen 24 Stunden.
Für besonders schnelle Lieferzeiten nehmen die Händler teilweise einen Aufpreis. Als schnellstmögliche Lieferzeit gab ein Unternehmen bei der Umfrage an, innerhalb von zehn Minuten zu liefern, sechs Prozent innerhalb von ein bis zwei Stunden und 30 Prozent innerhalb von 24 Stunden. Zehn Prozent liefern noch am Tag der Bestellung. Fast die Hälfte (47 Prozent) können innerhalb von ein bis zwei Werktagen an die Kundschaft ausliefern. Bei sechs Prozent der Befragten handelt es sich bei der schnellstmöglichen Liefergeschwindigkeit um eine Versendung innerhalb von drei bis fünf Werktagen.
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