Berlin. Das Bauministerium will klimafreundliches und günstiges Bauen fördern. Die Vorgaben sind strikt – auch was die Größe des Wohnraums angeht.
Olaf Scholz‘ Wahlkampfschlager von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr hat man in der Bundesregierung längst aufgegeben. Gerade einmal 294.400 Wohnungen wurden im vergangenen Jahr fertiggestellt, in diesem Jahr dürfte die Zahl weiter sinken. Seit nunmehr neun Monaten klagen die vom Wirtschaftsforschungsinstitut ifo regelmäßig befragten Wohnungsbauunternehmen über Auftragsmangel.
Neuen Schwung erhofft sich nun Bundesbauministerin Klara Geywitz. Am Freitag stellte ihr Staatssekretär Rolf Bösinger – die SPD-Politikerin musste krankheitsbedingt absagen – ein neues Förderprogramm mit dem sperrigen Namen „Klimafreundlicher Neubau im Niedrigpreissegment“ (KNN) vor. Ab Oktober gibt es demnach über die staatliche Förderbank KfW zinsverbilligte Kredite für den Wohnungs- und Hausbau. Zwar richtet sich das Programm sowohl an Investoren, Wohnungsbauunternehmen und Genossenschaften als auch an Privatpersonen. Jedoch dürften insbesondere privaten Häuslebauern bei den Anforderungen schnell die Fragezeichen ins Gesicht treten.
Neues Bauprogramm: Für komplexe Antragsstellung gibt es ein Online-Tool
Denn um an den günstigen Kredit in Höhe von 2,0 Prozent für ein Darlehen mit 35 Jahren Laufzeit und 10 Jahren Zinsbindung oder an den Kredit in Höhe von 1,0 Prozent für ein zehnjähriges Darlehen mit zehnjähriger Zinsbindung zu kommen, müssen eine ganze Reihe Anforderungen erfüllt sein. Nachgewiesen werden muss zum Beispiel die CO2-Bilanz über den gesamten Lebenszyklus des Gebäudes. Bedeutet: vom Bau bis zu einem möglichen Abriss in der Zukunft. Unter Einhaltung der Werte darf dafür bis zum Baustandard des Effizienzhauses 55 (EH55) gebaut werden – ein Standard, für den es für gewöhnlich keine Förderung mehr gibt.
Nur ist die Berechnung für sämtliche Baumaterialien und -prozesse komplex. Weil selbst fachkundige Unternehmen von dieser Rechnung schnell überfordert sein könnten, lässt das Bauministerium ein eigenes Online-Tool programmieren, das Antworten liefern soll, welcher CO2-Ausstoß beim Bau zu erwarten ist. Nur wenn die Grenze von 24 Kilogramm CO2 pro Quadratmeter und Jahr nicht überschritten wird, ist eine Förderung möglich.
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Kritik von Baugewerkschaft und Eigentümerverband
Geywitz erhofft sich von der Förderung neuen Schwung für die Bauwirtschaft. Doch für Robert Feiger, Vorsitzender der Gewerkschaft IG BAU, ist es eher ein „Bürokratie-Hürdenlauf“: „Mit reichlich technischen Vorschriften und Auflagen dürfte das Programm eher einen Beschäftigungsschub für die Bürokratie bringen als für die Bauwirtschaft“, sagte Feiger unserer Redaktion. Statt einer effektiven Wohnungsbauförderung sei das Angebot etwas fürs „politische Ampel-Schaufenster“, ein „Mini-Programm mit einem Minibudget“. 350 Millionen Euro stehen noch in diesem Jahr zu Verfügung. 1,65 Milliarden Euro dann im nächsten Jahr.
„Die Anforderungen des Förderprogramms sind für Privatpersonen zu hoch“, schimpft Kai Warnecke, Präsident des Eigentümerverbandes Haus und Grund. 65 Prozent der Mietwohnungen in Deutschland würden von privaten Eigentümern zur Verfügung gestellt, für diese sei die Bürokratie des Programms aber kaum zu bewältigen. Hinzu komme, dass die Kosten für die strengen Nachhaltigkeitskritieren das Budget privater Bauherren übersteigen würden.
Kommentar zum Thema: Klimafreundliches Bauen: Ein Plan fernab der Lebenswirklichkeit
Bauministerium: Bis zu 18.000 Euro Ersparnis sind pro Wohnung möglich
Dabei könne man mit dem neuen Angebot schnell viel Geld sparen, rechnet das Bauministerium vor. Gefördert werden Kredite in Höhe von 100.000 Euro für den Standard EH55 sowie von 150.000 Euro für den strengeren Standard EH40. Der angebotene Zins für die 35-jährige Darlehenslaufzeit bei 100.000 Euro liege rund 1,5 Prozent unter dem derzeit marktüblichen Zins. Entsprechend könne man pro Bau oder Erwerb einer Wohnung 12.000 Euro sparen, heißt es aus dem Bauministerium. Bei der an die strengeren Kriterien geknüpfte Kreditsumme von 150.000 seien sogar rund 18.000 Euro an Ersparnis möglich.
Strikte Vorgaben macht das neue Programm aber auch bei der Größe der Wohnfläche. Eine Zweiraum-Wohnung darf beispielsweise nicht größer als 45 Quadratmeter sein, eine Vierraum-Wohnung nicht größer als 85 Quadratmeter. Ausnahmen gibt es, wenn barrierefrei gebaut wird. Bei einer rollstuhlgerechten Wohnung darf die Vierraum-Wohnung beispielsweise auf 100 Quadratmeter erweitert werden. Unterschiede in den Begrenzungen zwischen Wohnungen und beispielsweise Einfamilienhäusern gibt es nicht. Auch wird nicht zwischen Stadt und Land differenziert.
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Niedrigere Mieten? Daran gibt es große Zweifel
Grundsätzlich soll das Programm sowohl für den Bau als auch für den Erstkauf einer Wohnung gelten – wobei eine Förderung nur einmal möglich ist. Hat der Bauherr sie bereits beim Bau der Immobilie genutzt, entfällt die Option also für den Käufer.
Da die Baukosten limitiert sind, erhofft sich das Bauministerium Auswirkungen auf die Mietpreise. Niedrigere Baukosten gleich niedrigere Mieten, so kalkuliert man in Berlin. Ob das allerdings in der Praxis funktioniert, daran gibt es erhebliche Zweifel. „Entgegen den Vorgaben aus dem Bundeshaushalt enthält das Förderprogramm weder einen festgeschriebenen Mietpreiskorridor noch eine ausschließliche Beschränkung auf den Wohnungsbau. Es wird also mit der Gießkanne gefördert, vom Gewerbe bis zur Eigentumswohnung. Das kann nicht sinnvoll sein“, sagte Lukas Siebenkotten, Präsident des Deutschen Mieterbundes, unserer Redaktion.
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Sogar die Großvermieter stoßen ins selbe Horn. Man habe sich für eine Mietobergrenze eingesetzt, sagte Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW, unserer Redaktion. Zumindest aber hätte es ein breit angelegtes Zinsprogramm mit einer Zinssenkung auf 1 Prozent gebraucht. „Das ist für den Staat durch die dann steigende Baukonjunktur kostenneutral. Und in Kombination mit dem seriellen und modularen Bauen wären dann wieder garantierte, bezahlbare Mieten von 10 bis 12 Euro pro Quadratmeter möglich.“ Aus dem Bauministerium heißt es dazu, dass eine Mietobergrenze verfassungsrechtlich nicht umsetzbar ist.
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