Berlin. Wohnungsnot in Städten, freie Häuser auf dem Land: SPD-Bauministerin Klara Geywitz empfiehlt den Umzug aufs Land. Die Liberalen sind empört.
- In vielen Städten sind die Mieten in den letzten Jahren explodiert
- Aufs Land ziehen kann sich lohnen
- Doch ein Vorschlag der SPD-Ministerin sorgt für Ärger bei der FDP
Angesichts der Wohnungsnot in vielen Metropolen will Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) Menschen zum Umzug aus der Großstadt aufs Land oder in kleinere Städte bewegen. Wie realistisch ist die Idee? Ein Faktencheck.
Wie viele freie Wohnungen gibt es?
In Deutschland stehen laut Geywitz knapp zwei Millionen Wohnungen leer. „Aber in unseren Großstädten oder Metropolregionen herrscht ein riesiger Bedarf“, sagte die Bauministerin der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Der Umzug in kleinere Städte oder aufs Land könne viele Vorteile bringen. „Gerade in kleinen und mittelgroßen Städten ist das Potenzial groß, weil es dort auch Kitas, Schulen, Einkaufsmöglichkeiten und Ärzte gibt“, so die SPD-Politikerin. „Homeoffice und Digitalisierung bieten inzwischen ganz neue Möglichkeiten für das Leben und Arbeiten im ländlichen Raum. Und diese wollen wir stärken.“ Die Bauministerin will bis Ende des Jahres eine Strategie gegen den Leerstand vorlegen.
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Pläne zur Wohnungsbaupolitik verfehlt
In Deutschland werden seit Jahren mehr neue Wohnungen gebraucht, als gebaut werden. Insbesondere bezahlbarer Wohnraum fehlt. Die Bundesregierung hatte sich deshalb zum Beginn ihrer Amtszeit das Ziel gesetzt, dass pro Jahr 400.000 neue Wohnungen entstehen, davon 100.000 Sozialwohnungen. Doch das Ziel wurde bisher verfehlt: So entstanden 2023 nur 295.000 Wohnungen, davon 30.000 Sozialwohnungen. Als Gründe für die Zielverfehlung führte die Regierung die Folgen des Ukraine-Kriegs, knappe Baumaterialien und den Fachkräftemangel an. Das Münchner Ifo-Institut erwartet nach einer neuen Prognose in den nächsten Jahren eine fortgesetzte Talfahrt des Wohnungsbaus.
Aktuell fehlen in Deutschland rund 910.000 Sozialwohnungen, die Menschen mit kleineren Einkommen zugutekommen, so das Bündnis „Soziales Wohnen“, ein Zusammenschluss aus Mieterbund, Baugewerkschaft und Sozialverbänden. Ende 2022 gab es bundesweit rund 1,09 Millionen Sozialwohnungen, nötig seien zwei Millionen bis 2030. Dieser Mangel ist auch für die Allgemeinheit teuer: So mussten die Job-Center 2023 allein 15 Milliarden Euro für Unterkunftskosten bezahlen, mehr als fünf Milliarden Euro für Wohngeld.
Was halten die Gemeinden von dem neuen Plan?
Der Städte- und Gemeindebund begrüßt den Vorstoß von Geywitz ausdrücklich. „Mit rund 1,3 Millionen marktfähigen Wohnungen bietet sich dort eine große Chance, die Wohnungsmärkte in den Ballungsräumen zu entlasten und gleichzeitig die kleinen und mittleren Städte und Gemeinden zu stärken“, sagte Hauptgeschäftsführer Andre Berghegger dieser Redaktion. Allerdings müssen zunächst auf dem Land gleichwertige Lebensverhältnisse geschaffen werden, wie es das Grundgesetz fordere. Dazu müsse die Infrastruktur und der ÖPNV konsequent ausgebaut werden, um die Anbindung an die Metropolen zu verbessern.
„Gerade in den ländlichen Regionen fehlt es häufig an Breitband, Nahverkehrsangeboten, Ärzten, Schulen, Einkaufsmöglichkeiten sowie Sport- und Freizeitangeboten. Gleichzeitig drohen weitere Einschränkungen bei der Versorgung mit Bussen und Bahnen, die Digitalisierung kommt nicht voran und es fehlen Finanzmittel, um die Infrastrukturen auch nur zu erhalten“, kritisierte Berghegger. Er fordert deshalb, das notwendige Geld für den Ausbau der Infrastruktur bereitzustellen, um Menschen zum Umzug aufs Land zu bewegen. „Wenn irgendwann die Lebensqualität im ganzen Land vergleichbar gut ist, haben wir viel für die Attraktivität der ländlichen Räume erreicht. “
Umzüge aufs Land und Leerstandsbekämpfung könnten ein kleiner Teil der Lösung sein, meint auch der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion für Bauen und Wohnen, Ulrich Lange (CSU). Allerdings könne dies die Wohnungsnachfrage in den Städten nur gering dämpfen. Nötig sei ein Masterplan für bezahlbares Bauen und Wohnen, der in Gegenden mit angespannten Wohnungsmärkten das Angebot massiv erhöhe. „Wenn der Markt es nicht hinbekommt, muss eventuell der Staat ins Führerhaus“, so Lange.
Scharfe Kritik dagegen kam aus den eigenen Ampel-Reihen: „Die Empfehlung von Frau Geywitz, die Menschen sollten einfach aus Großstädten wegziehen, grenzt an Hohn“, sagte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai dieser Redaktion. „Viele Personen sind aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit, ihrer Ausbildung oder ihres familiären Umfeldes auf Wohnraum in der Stadt angewiesen.“ Um das Problem an der Wurzel zu packen, müssten endlich die bürokratischen Hürden bei der Schaffung neuen Wohnraums radikal abgebaut werden, so der FDP-Politiker. „Daran sollte die Bauministerin mit Nachdruck arbeiten.“
Wie entwickeln sich die Mietpreise?
Angesichts des Wohnungsmangels steigen die Mietpreise seit Jahren in Metropolen an. Die Situation wird durch den Rückgang der Neubautätigkeiten angesichts höherer Zinsen noch verschärft. Laut Statista ist München aktuell die teuerste Stadt mit Neubau-Mietpreisen von 21,81 Euro pro Quadratmeter, gefolgt von Berlin mit 18,69 Euro und Frankfurt am Main mit 18,31 Euro. In Hamburg werden 16 Euro fällig.
Auch wenn die Mieten im ersten Halbjahr 2024 in den acht größten Metropolen nur noch um 6,3 Prozent – nach 8,2 Prozent im Vorjahreszeitraum – gestiegen sind, bleibt das Mietniveau hoch, so eine Studie des Immobilienspezialisten Jones Lang LaSalle. In Berlin stiegen sie danach mit 11,4 Prozent am stärksten. Aber auch in kreisfreien Städten kletterten die Mieten um durchschnittlich 8,3 Prozent, in Landkreisen um 5,6 Prozent.
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