Berlin. Der Fachkräftemangel trifft auch Heizungsinstallateure. Der Energie-Anbieter Vattenfall kauft nun Betriebe auf – und erntet Kritik.

Deutschland steht vor dem vielleicht größten Heizungstausch seiner Geschichte. Etwa 30 Millionen Wohnungen heizen hierzulande noch mit Gas oder Öl. Ab 2045 aber sind fossile Energieträger verboten. Alte, umweltunfreundliche Heizungssysteme müssen in den kommenden 20 Jahren ersetzt werden durch klimaneutrale Anlagen. Das stellt Deutschland und seine Handwerker vor große logistische Herausforderungen.

Doch damit nicht genug: Die Republik hat schon jetzt ein Fachkräfteproblem. Der Kampf um die besten Köpfe, beziehungsweise die besten Hände hat längst begonnen. Auch der Energie-Riese Vattenfall hat das Problem erkannt. Und kauft nun Heizungsinstallationsbetriebe im großen Stil auf. Was sagt die Konkurrenz? Experten sind sich einig, dass die Heizung der Zukunft die Wärmepumpe sein wird. Doch der Anteil der installierten Wärmepumpen im gesamten Gebäudebestand liegt in Deutschland derzeit bei lediglich gut sieben Prozent.

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Und laut dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa), das bis Ende 2023 die Förderanträge für Wärmepumpen bearbeitet hat, gab es im vergangenen Jahr nur gut 110.000 solcher Anträge. Zum Vergleich: 2022 – im Rekordjahr – wurden knapp 350.000 Förderanträge gestellt. Um die zig Millionen alter Heizungen umzurüsten, hat Deutschland also noch einen langen Weg vor sich. Gleichzeitig fehlen hierzulande Heizungsinstallateure. Und das verschäft das Problem zusätzlich.

Wettbewerber statt Anbieter: Vattenfall übernimmt Installationsbetriebe

Eine genaue Zahl, wie viele Installateure gebraucht werden, will der Zentralverband Sanitär Heizung Klima (ZVSHK) auf Anfrage zwar nicht mitteilen. Aber: „Mit Blick auf die ausscheidende Boomer-Generation kann man sicherlich sagen, dass unser Handwerk wie jede andere Branche auch um neue Fachkräfte kämpfen muss“, teilt ein Sprecher mit. Die gut 48.000 Betriebe in ganz Deutschland bauten im vergangenen Jahr insgesamt etwa 1,2 Millionen Heizungen ein und um, davon waren 356.000 neue Wärmepumpen.

Fachkräftemangel: Der Kampf um die besten Hände hat längst begonnen. Nun mischt auch Vattenfall ordentlich mit.
Fachkräftemangel: Der Kampf um die besten Hände hat längst begonnen. Nun mischt auch Vattenfall ordentlich mit. © dpa | Doreen Garud

Doch nicht nur kleine und mittelständische Unternehmen rüsten Deutschlands Heizungen um. Auch große Versorger wie Vattenfall drängen auf den Markt – und werden so plötzlich zum neuen Wettbewerber. Man habe in den vergangenen 12 bis 18 Monaten damit begonnen, Installationsbetriebe in die Unternehmensgruppe über Unternehmenskäufe aufzunehmen, sagt Kai Schütz, Leiter der dezentralen Energielösungen bei Vattenfall, unserer Redaktion. Derzeit hat Vattenfall eigenen Angaben nach mehr als fünf Millionen Strom- und Gaskunden in Deutschland.

Auch der Energie-Riese bemerkt, dass die Deutschen längst nicht so viele Wärmepumpen einbauen, wie von der Bundesregierung gewünscht. „Eigentlich sollten es ja 500.000 Stück sein dieses Jahr, nach etwa 350.000 im letzten Jahr“, sagt Schütz. „Aber das wird voraussichtlich nicht passieren.“ Seiner Meinung nach hat das Hin und Her zum Gebäudeenergiegesetz die möglichen Kunden verunsichert. Beunruhigt ist er trotzdem nicht: „Wir gehen davon aus, dass der Absatz der Wärmepumpen in den nächsten Jahren natürlich weiter steigen wird. Das ist für uns nur eine Frage der Zeit.“

Vattenfall: Kleine Betriebe kämpfen gegen den Fachkräftemangel

Um also für den erwarteten Ansturm gerüstet zu sein, kauft Vattenfall schon heute Heizungsinstallationsbetriebe samt Fachkräften auf. „Bis jetzt konnten wir vier Installationsbetriebe in der Vattenfall-Gruppe willkommen heißen“, erzählt Schütz. Tendenz steigend. „In den vier Betrieben arbeiten aktuell circa 200 Mitarbeiter. Diese Zahl wollen wir natürlich in den kommenden Jahren weiter deutlich steigern.“

Insbesondere kleinen Betrieben dürfte der Fachkräftemangel große Probleme bereiten – bis hin zur Existenzbedrohung. Schütz berichtet, dass Inhaber froh seien, ihr Unternehmen bei Vattenfall in guten Händen zu wissen. Und was steckt bei Vattenfall hinter den Käufen? „Wir wollen Eigentümer dieser Handwerksbetriebe werden, zum einen, um uns die Kapazitäten zu sichern“, sagt Schütz. Zum anderen solle so ein bestmöglicher Service gewährleistet werden.

Schütz erklärt, dass Vattenfall derzeit noch mehrere verschiedene Wärmepumpen-Hersteller in seinem Portfolio habe. „Wir werden das über die Zeit vermutlich auf zwei bis drei Hersteller konzentrieren.“ Die Heizungsinstallateure könnten schlicht nicht alle Geräte unterschiedlicher Hersteller bedienen. Schütz verspricht aber: „Unsere Kunden beraten wir auch herstellerunabhängig.“

Zentralverband sieht Kaufstrategie von Vattenfall eher kritisch

Die Wärmepumpen-Hersteller dürften trotzdem ein enormes Interesse daran haben, einer der Anbieter für Vattenfall zu sein. Schütz sagt: „In den nächsten 20 Jahren werden circa 15 bis 16 Millionen Ein- und Zweifamilienhäuser mit Wärmepumpen ausgestattet werden. Die haben wir als potenzielle Kunden im Blick.“ Wärmepumpen-Hersteller wie Bosch, Vaillant, Stiebel Eltron oder Viessmann dürften hingegen ihre Augen auf Vattenfall – und das zu kürzende Portfolio – werfen.

Die Konkurrenz jedenfalls beobachtet bereits jetzt ganz genau, was Vattenfall tut. „Natürlich spüren auch wir bei Eon den Fachkräftemangel – und zwar in allen Bereichen“, sagt eine Eon-Pressesprecherin auf Anfrage. Man sei zwar selbst gut aufgestellt, trotzdem beobachte man die Märkte genau. „Speziell für den Bereich der Wärmepumpen haben wir derzeit keine konkreten Pläne, Betriebe aufzukaufen“, so die Sprecherin weiter.

Und auch einer der großen Anbieter aus dem Süden winkt ab. „Vonseiten der EnBW gibt es keine Bestrebungen, Heizungsinstallationsbetriebe aufzukaufen“, sagt eine Sprecherin unserer Redaktion. Deutschlands größter Energiekonzern Uniper hat eigenen Angaben nach ebenfalls kein Interesse daran, Betriebe aufzukaufen. Auch der Zentralverband Sanitär Heizung Klima beobachtet Vattenfall. Es sei wichtig, dass Betriebe weiter als Unternehmen existierten und tatsächlich auch ihre unternehmerischen Freiheiten behalten würden, sagt der Verbandssprecher.

Mit Blick auf Vattenfalls Kaufstrategie hebt er vor allem die freie Produktwahl und Preisgestaltung hervor. „Dies ist auch im Sinne des Verbraucherschutzes von Bedeutung.“ Der Fachkräftemangel erschwert es schon heute, zeitnah Handwerker zu finden. Dass Vattenfall nun Betriebe aufkauft, sieht man im ZVSHK eher kritisch. Denn: „De facto wird gegenüber dem Kunden das verfügbare Personal auch nicht vergrößert.“

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