Duisburg/Essen. Bei Thyssenkrupp Steel befassen sich Schlüsselakteure des Aufsichtsrats mit einer Neuaufstellung des Konzerns. Es geht auch um HKM.
Bei Deutschlands größtem Stahlkonzern Thyssenkrupp Steel zeichnen sich tiefe Einschnitte an den nordrhein-westfälischen Standorten ab. Am Donnerstag (11. April) befasst sich der Strategieausschuss des Aufsichtsrats mit der aktuellen Lage und der Perspektive des Unternehmens mit seinen derzeit rund 27.000 Mitarbeitern. Dabei werde es insbesondere um die Frage gehen, wie groß künftig noch die Produktion von Thyssenkrupp Steel ausfallen wird.
Ende Februar hatte Sigmar Gabriel, der Aufsichtsratsvorsitzende von Thyssenkrupp Steel, im Gespräch mit unserer Redaktion betont, der Konzern könne „nicht so weitermachen wie bisher“ und benötige „eine grundlegende Neuaufstellung“. Bis Mitte April werde der Vorstand daher ein entsprechendes Konzept vorlegen. Thyssenkrupp Steel betreibe derzeit Anlagen, die auf eine jährliche Produktion von knapp 12 Millionen Tonnen ausgelegt seien, so Gabriel, der Konzern verkaufe momentan aber nur etwa neun Millionen Tonnen – Tendenz möglicherweise sogar fallend.
„Eine Million Tonnen gleich 1000 Arbeitsplätze“
Als eine Faustformel im Unternehmen gilt: „Eine Million Tonnen gleich 1000 Arbeitsplätze.“ Entsprechend groß ist die Unruhe bei Thyssenkrupp Steel. Schließlich ist auch das Produktionsnetzwerk, das sich vor allem in NRW befindet, über viele Standorte hinweg eng vernetzt. Die Hochöfen in Duisburg bilden den Anfang für eine lange Wertschöpfungskette, die unter anderem nach Bochum, Dortmund und Südwestfalen reicht. „Es wird sich etwas verändern, das ist definitiv“, sagt ein Arbeitnehmervertreter. Die Frage sei, an welchen Stellen der Vorstand ansetze. „Die Unruhe ist groß.“ So gut wie jeder befürchte, betroffen zu sein.
Im Duisburger Norden verfügt Thyssenkrupp über vier Hochöfen, zwei weitere kommen im Süden der Stadt bei den Hüttenwerken Krupp Mannesmann (HKM) hinzu, an denen der Stahlkonzern zur Hälfte beteiligt ist. Wann in welchem Hochofen das Feuer erlischt, ist eine offene Frage. Klar ist: Die Laufzeit der klimaschädlichen Anlagen ist ohnehin begrenzt. Dass in Duisburg noch Hochöfen erneuert werden, gilt als nahezu ausgeschlossen.
Sorgen um HKM im Duisburger Süden
Der Aufbau einer umweltfreundlichen Hochofen-Nachfolgetechnologie erfordert milliardenschwere Investitionen. Für eine erste wasserstoffbasierte Direktreduktionsanlage (DRI-Anlage) im Norden Duisburgs soll Thyssenkrupp Steel rund zwei Milliarden Euro aus den Kassen von Bund und Land erhalten. Doch damit hat der Konzern eigenen Angaben zufolge lediglich Klarheit für ein Viertel seiner rund 27.000 Arbeitsplätze. Ob es auch eine DRI-Anlage für HKM gibt, ist bislang nicht entschieden. Gunnar Groebler, der Chef des niedersächsischen Stahlkonzerns Salzgitter, der ebenfalls an HKM beteiligt ist, wollte sich Mitte März nicht festlegen.
Schon vor geraumer Zeit hat die IG Metall vor einer Schließung des Standorts HKM mit rund 3100 Beschäftigten im Süden Duisburgs gewarnt. Eine Schließung von HKM könnte erhebliche Auswirkungen auf Weiterverarbeitungswerke von Thyssenkrupp Steel in Bochum, Hagen-Hohenlimburg und im Siegerland haben.
„Auch ein Sozialplan kostet Geld“
Bei einem möglichen Abbau tausender Stellen angesichts von Anlagenschließungen stellt sich die Frage, wie betriebsbedingte Kündigungen vermieden werden können. Denkbar wäre, dass Beschäftigte dazu aufgefordert werden, an anderer Stelle innerhalb des Produktionsnetzwerks zu arbeiten.
Bei Thyssenkrupp Steel gilt derzeit eine Job-Garantie bis zum März 2026. „Daran lassen wir nicht rütteln“, betonte die IG Metall unlängst in einem Flugblatt. Bei HKM gibt es einen Haustarifvertrag, der betriebsbedingte Kündigungen bis Ende 2025 ausschließt. Bei den Arbeitnehmervertretern wird betont: „Auch ein Sozialplan kostet Geld.“
Dass es bereits am 11. April in der Sitzung des Strategieausschusses Klarheit zur Neuaufstellung von Thyssenkrupp Steel gibt, halten Insider für unwahrscheinlich. Erst für Ende Mai ist eine Sitzung des Aufsichtsrats geplant. Denkbar sei es, dass es „Ad-hoc-Maßnahmen“ für kurzfristige Kostensenkungen gebe – und zusätzlich langfristig wirksame Veränderungen des Produktionsnetzwerks, sagt ein Insider.
Thyssenkrupp-Chef López: Neuer „Business Plan“ für Stahlsparte
Seit Monaten lotet Thyssenkrupp-Vorstandschef Miguel López die Chancen für einen Teilverkauf der Stahlsparte aus. Interesse hat der tschechische Milliardär Daniel Kretinsky signalisiert. In einer Telefonkonferenz für Analysten erklärte López Mitte Februar, es gebe keine zeitliche Begrenzung für die Gespräche mit Kretinsky. Derzeit werde an einem neuen „Business Plan“ gearbeitet. Das Ziel sei, auf dieser Basis zu einem guten Abschluss zu kommen.
Für den 30. April planen die Arbeitnehmervertreter eine Belegschaftsversammlung für die Beschäftigten der verschiedenen Standorte. Es seien mehr als 10.000 Teilnehmer möglich, heißt es im Kreise der Organisatoren. Es gehe darum, ein Zeichen zu setzen.
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