Duisburg. Beim Stahlkonzern HKM laufen Vorbereitungen für den Bau einer DRI-Anlage für die Grünstahl-Produktion. Thema ist auch ein Einstieg von Kretinsky.
Vom Hafen der Hüttenwerke Krupp Mannesmann (HKM) bietet sich ein guter Blick auf den früheren Stahlstandort Rheinhausen. 30 Jahre liegt die Schließung des Werks aus dem Krupp-Konzern mittlerweile zurück. Wo früher Hochöfen standen, haben längst Logistiker ihre Hallen aufgebaut. Rheinhausen – das ist auch der Inbegriff für einen erbittert geführten Arbeitskampf, der nicht verhindern konnte, dass es letztlich hieß: Ofen aus. Die Vergangenheit ist nicht vergessen am Stahlstandort Duisburg. „Wir wollen mit aller Macht vermeiden, dass uns das Schicksal von Rheinhausen ereilt“, sagt Marco Gasse, der Betriebsratsvorsitzende von HKM.
Doch die Sorgen sind groß auf dem Werksgelände im Duisburger Süden. Deutschlands Stahlindustrie steht ohnehin massiv unter Druck. Bei HKM kommt hinzu, dass einer der drei Eigentümer, der französische Rohrhersteller Vallourec, aussteigen will. Es bleiben der Revierkonzern Thyssenkrupp Steel, dem die Hälfte von HKM gehört, und Salzgitter aus Niedersachsen mit einem 30-Prozent-Anteil.
Thyssenkrupp Steel wiederum steht zum Verkauf. Der tschechische Geschäftsmann Daniel Kretinsky erwägt eine Übernahme von Deutschlands größtem Stahlkonzern, der Werke in Duisburg, Bochum, Dortmund und Südwestfalen betreibt. Mit seinem Unternehmen EPH ist Kretinsky bereits in der deutschen Energiebranche aktiv. Im Jahr 2016 übernahm er vom Energieversorger Vattenfall das Braunkohlegeschäft der Leag mit Kraftwerken und Tagebaugebieten in der Lausitz. Würde der Tscheche, wie spekuliert wird, die Hälfte von Thyssenkrupp Steel übernehmen, wäre er mit einem Schlag ein maßgeblicher Akteur in Deutschlands Stahlindustrie.
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„Sollte Kretinsky bei Thyssenkrupp Steel einsteigen, betrifft das auch uns bei HKM. Deshalb gucken wir genau hin“, sagt HKM-Betriebsratschef Marco Gasse im Gespräch mit unserer Redaktion. „Ein Investor, der bei unserem größten Gesellschafter die Mehrheit übernimmt, wird dort auch den Weg weisen wollen.“ Hat HKM dann noch eine Zukunft? „Grundsätzlich stehen wir Investoren offen gegenüber. Aber das industrielle Konzept muss stimmen“, betont Gasse. Aber: „Noch wissen wir zu wenig darüber, wie die Vorstellungen des Investors aussehen.“
Kretinsky buhlt mittlerweile öffentlich um Thyssenkrupp Steel
Mittlerweile buhlt Kretinsky auch öffentlich um die Stahlsparte von Thyssenkrupp. Man sei der „festen Überzeugung“, ein „geeigneter Kandidat für den Einstieg bei Thyssenkrupp Steel“ zu sein, lässt sich ein Sprecher von EPH zitieren. Vor allem mit seiner Energie-Kompetenz will Kretinsky punkten. Das Kretinsky-Unternehmen EP Corporate Group (EPCG) wolle „die Bemühungen zur Dekarbonisierung“ von Thyssenkrupp Steel unterstützen und biete hierfür „finanzielle Stärke“.
Die Dekarbonisierung der Stahlproduktion führe zu steigenden Kosten für Energie-Rohstoffe wie Strom, Wasserstoff, Erdgas sowie für Emissionszertifikate, so das tschechische Unternehmen. EPCG bringe über seine Energiesparte EPH „als einer der zehn größten europäischen Stromerzeuger umfangreiche Erfahrungen im Umgang mit diesen Rohstoffen mit“. Der Energiesektor, in dem Kretinskys Konzern bereits eine führende Rolle spiele, habe sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten stark verändert. Das Hauptziel seien weniger Kohlenstoff-Emissionen und zugleich Versorgungssicherheit. „Heute steht der Stahlproduktions-Sektor vor der gleichen Herausforderung“, so EPH.
Arbeitnehmervertreter haben kritisiert, der potenzielle Käufer von Thyssenkrupp Steel sei in seinen Aussagen noch zu vage geblieben. „Die Transformation erfordert Investitionen. Zu solchen Investitionen muss ein Investor bereit sein“, betont auch HKM-Betriebsratschef Marco Gasse. Ein möglicher Verkauf der Stahlstandorte dürfe nicht zu Lasten der Beschäftigten gehen.
„Standort- und Beschäftigungssicherungen sind entscheidende Punkte“
„Standort- und Beschäftigungssicherungen sind aus unserer Sicht entscheidende Punkte“, so Gasse. „Für uns ist klar: Es darf keine betriebsbedingten Kündigungen geben, und wir brauchen eine Perspektive für die Zukunft.“ Derzeit gelte bei HKM ein Haustarifvertrag, der betriebsbedingte Kündigungen bis Ende 2025 ausschließt. „Aber wir blicken natürlich auch auf die Zeit darüber hinaus“, sagt Gasse.
HKM beschäftigt rund 3100 Mitarbeiter in Duisburg. Zwei Hochöfen und eine Kokerei sind Teil des Betriebs. Zur Stahlsparte von Thyssenkrupp gehören etwa 27.000 der knapp 100.000 Beschäftigten des Essener Industriekonzerns. Die IG Metall hat schon vor Monaten vor einem Aus von HKM gewarnt. Die Gewerkschaft geht davon aus, dass von den HKM-Jobs tausende weitere Arbeitsplätze insbesondere bei Thyssenkrupp abhängen.
Neue, klimafreundliche Anlagen müssten auch bei HKM die alten Aggregate ersetzen, damit der Standort eine Zukunft hat. Bei Thyssenkrupp Steel gibt es seit einigen Wochen zumindest Klarheit für einen der vier Hochöfen. Er wird den Plänen zufolge durch eine sogenannte Direktreduktionsanlage (DRI) ersetzt, bei der in einigen Jahren Wasserstoff statt Kohle zum Einsatz kommen soll.
HKM-Betriebsratschef: „Wir setzen auf das DRI-Modell“
Ähnliche Überlegungen gibt es auch für HKM, wie Marco Gasse bestätigt. „Wir setzen auf das DRI-Modell“, sagt er. Thyssenkrupp Steel und Salzgitter hätten dazu eine Projektgesellschaft namens DK Concept GmbH gegründet, die ein Zukunftskonzept für HKM entwickeln soll. „Die Gründung der Projektgesellschaft ist aus Sicht der Beschäftigten ein gutes Signal“, erklärt Gasse. „Es tut sich etwas in Sachen Transformation.“ Für die Investitionsentscheidungen zum Bau einer DRI-Anlage nach dem Vorbild von Thyssenkrupp seien aber noch Entscheidungen der Eigentümer erforderlich.
Im Zusammenhang mit der DRI-Anlage setzt HKM auch auf staatliche Förderung und hat dazu Kontakt zum von Robert Habeck (Grüne) geführten Bundeswirtschaftsministerium aufgenommen. Dabei gehe es um das Förderinstrument der sogenannten „Klimaschutzverträge“, erklärte HKM unlängst auf Anfrage unserer Redaktion. Dazu laufe ein „vorbereitendes Verfahren“.
„Wir hoffen darauf, dass wir im nächsten Jahr Anlagenbauer beauftragen können. Darauf arbeiten wir hin“, so Gasse. Der Bau einer DRI-Anlage wäre dann die größte Investition in der Geschichte des Standorts. Doch: „Solange es keine Auftragsvergabe gibt, bleibt die Unsicherheit bestehen.“
Für den Betrieb der DRI-Anlage soll der Stahlstandort im Duisburger Süden auch an das Wasserstoff-Pipeline-Netz angebunden werden, wie Gasse berichtet. Es gebe Hinweise, dass dies schon im Jahr 2028 erfolgen könne, sagt er. „Die Richtung stimmt. Es geht voran, aber wir sind noch nicht am Ziel.“
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