Berlin. Privat und betrieblich vorzusorgen, soll durch Reformen wieder attraktiver werden. Der beste Weg dahin hat allerdings auch Kritiker.
- Die Riester-Rente ist durch hohe Kosten und geringe Renditen ein Auslaufmodell
- Künftig sollen auch Aktienanlagen für die Förderrente zugelassen werden
- Die öffentliche Auftragsvergabe nur an tarifgebundene Betriebe soll eine Verbreitung der Betriebsrenten bewirken
Das Rentensystem ist längst zur Dauerbaustelle geworden. Zuletzt hat die Bundesregierung Reformen in der gesetzlichen Rentenversicherung auf den Weg gebracht. Nun stehen die zusätzliche private und die betriebliche Altersvorsorge im Aufgabenheft der Regierung. Noch im ersten Halbjahr will die Ampel entsprechende Gesetze vorlegen.
Der Reformbedarf ist schon lange bekannt. Er betrifft vor allem die geförderte private Altersvorsorge, besser bekannt unter den Namen Riester-Rente für Arbeitnehmer oder Rürup-Rente für Selbständige. Die Riester-Rente sollte ursprünglich die durch Änderungen bei der gesetzlichen Rente entstehende Einkommenslücke im Alter füllen. Daran glaubten auch viele Arbeitnehmer. Rund 16 Millionen Verträge wurden von ihnen freiwillig abgeschlossen. Die üppige staatliche Zulage von derzeit 185 Euro für Erwachsene und je nach Geburtsjahr 185 Euro oder 300 Euro pro Kind versprach einen schnellen Vermögensaufbau.
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Doch weit gefehlt. Hohe Kosten fressen bei vielen Verträgen die Zuschüsse auf. Und Sicherheitsvorgaben bewirken, dass die Anbieter der Riester-Rente das Geld nur zu mickrigen Renditen anlegen können. So haben sich mittlerweile viele Sparer entschieden, ihre Verträge ruhen zu lassen. Geschätzt wird jeder fünfte Vertrag nicht mehr bespart. Eine Kündigung lohnt sich nicht. Denn in diesem Fall müssten die Zulagen zurückgezahlt und die eingesparten Steuern nachentrichtet werden.
Warum die Riester-Rente so wenig attraktiv ist
Nun sollen Reformen die zusätzliche private Vorsorge attraktiver machen. Eine Expertengruppe unter Beteiligung von Gewerkschaften, Verbraucher- und Wirtschaftsverbänden hat dazu im vergangenen Jahr Empfehlungen erarbeitet. Dabei zeigten sich auch erheblichen Meinungsunterschiede zwischen Verbraucherschützern und Finanzwirtschaft. Denn eine Kernfrage berührt die Geschäftsinteressen von Versicherungen und Fondsindustrie erheblich. So sollte die sogenannte Fokusgruppe private Altersvorsorge prüfen, ob ein Staatsfonds eine geeignete Alternative zu den privaten Angeboten darstellen könnte.
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Für dieses Modell hat sich zum Beispiel Schweden entschieden. Doch in der Expertenrunde fand der von den Verbraucherzentralen befürwortete Weg keine Mehrheit. Stattdessen soll die private Altersvorsorge in den Händen der Finanzwirtschaft bleiben. Die Webfehler der Riester-Rente sollen statt durch einen günstigen Staatsfonds durch veränderte Vorgaben beseitigt werden.
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Die Fokusgruppe plädiert für eine Aufweichung der strengen Regeln zur Sicherheit der Kapitalanlagen. „Um höhere Renditen für die Altersvorsorge in der Ansparphase zu erzielen, ist neben geringeren Kosten eine mit entsprechenden Chancen und Risiken verbundene realwertorientierte Kapitalanlage sinnvoll“, heißt es im Abschlussbericht. Damit sind Investments in Aktien oder Immobilien gemeint. Garantien für die Wertentwicklung müssen die Anbieter in diesem Modell nicht mehr geben. Allerdings soll es für besonders vorsichtige Sparer auch Angebote mit Garantieleistungen geben.
Riester-Rente: Das sind die möglichen Alternativen
Ein Effekt dieser Veränderung könnte darin bestehen, dass Vorsorgesparer auch Verluste erleiden könnten, wenn es an den Börsen schlecht läuft. Bei extrem lange laufenden Ansparphase wie der Altersvorsorge ist dieses Risiko allerdings überschaubar. Bisher haben Aktien zwischenzeitliche Talfahrten spätestens nach gut einem Jahrzehnt wieder wettgemacht.
Das zweite große Ärgernis der Riester-Rente sind die hohen Kosten. Einfache Produkte sollen die Kosten senken und die Wechselmöglichkeit zu einem anderen Anbieter den Wettbewerb verstärken. Außerdem schlagen die Experten vor, die Abschlusskosten auf die gesamte Vertragslaufzeit umzulegen. Zusammengenommen können diese Änderung zu einer besseren Verzinsung des eingesetzten Sparvermögens führen. Darüber hinaus plädieren die Fachleute vor allem für mehr Transparenz der Angebote.
Einen besseren Überblick über die individuelle Altersvorsorge hat die Deutsche Rentenversicherung (DRV) bereits zum Jahresbeginn an den Start gebracht. Auf dem Portal www.rentenuebersicht.de können Versicherte einsehen, welche Gesamtansprüche sie aus der gesetzlichen, der privaten und der betrieblichen Altersvorsorge erworben haben. Bisher haben sich laut DRV bereits 1,7 Millionen Bürgerinnen und Bürger über ihre Vorsorgeleistungen informiert. Bisher machen allerdings nur 284 der Versorgungsträger, also etwa Versicherungen, mit. Ab dem kommenden Jahr müssen sich dann alle Anbieter am Portal beteiligen.
Betriebsrente könnte auch für Aktien geöffnet werden
Offen ist nun die Frage, welche Reformschritte die Bundesregierung aus den Vorschlägen der Fokusgruppe und anderer Fachleute aufgreifen wird. Das zuständige Bundesfinanzministerium hält sich noch bedeckt. Minister Christian Lindner hatte kürzlich nur Anpassungen angedeutet, keine völlige Neuordnung der Riester-Rente. Das lässt auf die Kernvorschläge der Expertenrunde schließen. „Darin wird aktuell intern gearbeitet“, zeigt sich das Ministerium zugeknöpft.
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Wenig ist auch bei den Betriebsrenten bekannt. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil will die öffentliche Auftragsvergabe an eine Tarifbindung der jeweiligen Betriebe koppeln. Das soll die Tarifbindung stärken, was für die weitere Verbreitung der betrieblichen Altersvorsorge wichtig ist.
Betriebsrenten werden oft über Tarifverträge abgesichert. Wo sie fehlen, ist auch die betriebliche Altersvorsorge schwach ausgeprägt. So ist die Verbreitung insbesondere bei kleinen und mittleren Unternehmen sowie bei Geringverdienern zu klein. Das will Heil durch bessere Rahmenbedingungen im Arbeitsrecht verändern. Und auch hier sollen die Kriterien der Anlagen für renditeträchtigere Aktien geöffnet werden.