Berlin. Der Beitragssatz wird steigen und auch die Börse soll künftig eine Rolle spielen. Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Rente.
Immer mehr Rentner, immer weniger Arbeitnehmer: Damit Deutschlands gesetzliche Alterssicherung nicht zu teuer für Beschäftigte und Unternehmen wird, sind Reformen nötig. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) haben am Dienstag in Berlin Pläne für ihr Rentenpaket II vorgestellt. Teil davon ist auch eine zusätzliche Säule für die Finanzierung der gesetzlichen Altersvorsorge. Wichtige Fragen und Antworten.
Warum muss die Rente überhaupt reformiert werden?
Das deutsche Rentensystem stößt absehbar an seine Grenzen. Vor allem der weiter fortschreitende demografische Wandel setzt die gesetzliche Rente unter Druck – wenn auch weniger schnell, als Experten zunächst befürchtet hatten. Während heute noch fast 2,2 Beitragszahler für einen Rentner aufkommen, werden es Mitte der 2030er-Jahre voraussichtlich nur noch 1,6 Beschäftigte sein. Für Staat und Beitragszahler wird es deshalb immer teurer. Schon heute betragen die Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt jährlich mehr als 100 Milliarden Euro. Das ist fast ein Viertel des gesamten Etats.
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Steigen die Rentenbeiträge?
Mit Sicherheit – wenn auch nicht sofort. Wegen des robusten Arbeitsmarkts ist es seit Jahren gelungen, den Beitragssatz zur Rentenversicherung, den sich Arbeitgeber und Beschäftigte teilen, bei 18,6 Prozent zu halten. In absehbarer Zeit aber werden die Beiträge steigen: ab 2027 voraussichtlich auf 20 Prozent des Bruttolohns, ab 2035 dann sogar auf 22,3 Prozent. Längst beschlossen ist bereits, dass die Deutschen länger arbeiten sollen: Bis 2031 steigt das Renteneintrittsalter auf 67 Jahre an. Dabei soll es auch bleiben.
Ändert sich etwas für Rentner?
Alle Menschen – egal, ob jung oder alt – müssten sich auf die gesetzliche Rente verlassen können, betonte Arbeitsminister Heil am Dienstag. Doch ohne eine Reform würde sich das Rentenniveau bald von der Lohnentwicklung abkoppeln. Rentnerinnen und Rentner würden also im Vergleich zur arbeitenden Bevölkerung ärmer. Derzeit ist das Sicherungsniveau der Rente noch bis 2025 festgeschrieben, liegt aktuell bei 48,2 Prozent des Durchschnittseinkommens.
Heil und Lindner wollen die geltende Haltelinie von 48 Prozent nun bis 2039 verlängern. Das allerdings wird teuer für die Rentenkasse. Für die Finanzierung der Rente will die Bundesregierung neben den Haushaltszuschüssen und den Beiträgen deshalb eine dritte Säule etablieren: das sogenannte Generationenkapital.
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Wird jetzt mit den Rentenbeiträgen an den Börsen gezockt?
Das ausdrücklich nicht, aber die Ampel will erstmals das Renditepotenzial der internationalen Kapitalmärkte nutzen. Für das Generationenkapital will der Bund eine öffentliche Stiftung gründen und sie über Darlehen mit Kapital ausstatten. 2024 sollen in dieser Form zunächst zwölf Milliarden bereitgestellt werden, die Zuführungen daraufhin jedes Jahr um drei Prozent anwachsen. Außerdem werden Vermögenswerte des Bundes übertragen.
Dem Gesetzentwurf zufolge sollen sich die Anlagen dann bis Mitte der 2030er-Jahre auf 200 Milliarden Euro summieren. Aus den Erträgen sollen dann etwa zehn Milliarden Euro jährlich an die Rentenversicherung fließen, um notwendige Beitragssteigerungen abzufedern. Finanzminister Lindner sagte, er rechne damit, dass das Generationenkapital die Beiträge Mitte der 2030er-Jahre um 0,3 Prozentpunkte senken wird.
Kann der Bund damit nicht auch Verluste einfahren?
Theoretisch schon. Bei langen Anlagenhorizonten, wie sie dem Bund vorschweben, können gute Jahre an den Börsen Verluste aber deutlich ausgleichen. „Über ein Jahrhundert wurden die Chancen des Kapitalmarkts in der gesetzlichen Rentenversicherung liegengelassen“, kritisierte Finanzminister Lindner. Jetzt nutze man sie. Heil und Lindner betonten, es gehe nicht um Zockerei und kurzfristige Spekulationen. „Das ist langfristig gut angelegtes Geld“, sagte der Arbeitsminister. „Und wir haben auch Vorsorge getroffen, falls uns der Himmel auf den Kopf fällt.“
Es gebe einen Notfallmechanismus. Kein Bürger und keine Bürgerin werde etwas verlieren, betonte Lindner. Wäre es nach der FDP gegangen, hätte die Koalition in dieser Hinsicht sogar noch weitergehen können: Die FDP wollte ursprünglich eine Aktienrente nach schwedischem Vorbild, die aus Beiträgen der Beschäftigten finanziert wird und nicht aus Steuergeldern. Doch das war weder mit der SPD noch mit den Grünen zu machen.
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Wie kommen die Pläne an?
Die CDU ließ kein gutes Haar an dem Rentenpaket II. Generalsekretär Carsten Linnemann sagte dieser Redaktion, der Ampel-Vorschlag sei keine Lösung, sondern schaffe neue Probleme. „Eine kapitalgedeckte Zusatzrente macht nur dann Sinn, wenn sie nicht schuldenfinanziert ist. Was Heil und Lindner jetzt vorgelegt haben, ist nicht dazu geeignet, die Rente zukunftssicher aufzustellen“, sagte er.
Der Sozialverband Deutschland (SoVD) wiederum sieht das Generationenkapital an sich kritisch: „Der Kapitalmarkt ist der falsche Ort für eine verlässliche Alterssicherung. Stattdessen sollte jeder verfügbare Euro direkt in die Stärkung der gesetzlichen Rente investiert werden“, sagte SovD-Vorsitzende Michaela Engelmeier.
Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Christoph Meyer sagte hingegen, wer von Spekulation spreche, offenbare fehlende Fachkenntnis. „Das Generationenkapital ist ein erster, wichtiger Schritt zu mehr Generationengerechtigkeit und zukünftig ein Schutzschirm vor steigenden Rentenbeiträgen“, sagte er. Auch SPD-Chefin Saskia Esken wies Kritik an der Reform zurück. „Während die Union die Sicherung des Rentenniveaus ablehnt und die Lebensarbeitszeit immer weiter verlängern will, wird die SPD sicherstellen, dass nicht nur die Rente stabil bleibt“, sagte Esken. Darauf könnten sich auch zukünftige Generationen verlassen.
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Ist die Rente damit langfristig finanziert?
Erst einmal ja – wobei zu beachten ist, dass die Regierung von gewissen Annahmen ausgeht, die dann auch eintreten müssen. Das betrifft etwa die Zahl der versicherungspflichtig beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in die Rentenkasse einzahlen. Heil und Lindner betonten am Dienstag, dass es in den kommenden Jahren entscheidend darauf ankommen werde, in der Arbeitsmarktpolitik erfolgreich zu sein. Das große Problem ist der zunehmende Fachkräftemangel. Frei werdende Jobs können oft nicht wieder besetzt werden, weil es an qualifiziertem Personal fehlt.
Die nun geplante Reform bei der Rente ändert auch nichts daran, dass die meisten Beschäftigten sich nicht allein auf das gesetzliche System verlassen sollten, wenn sie im Alter ihren Lebensstandard halten wollen. Sie müssen zusätzlich privat vorsorgen. Die beiden Minister kündigten an, im Laufe dieses Jahres weitere Vorschläge präsentieren zu wollen. Ziel ist hier, die private Vorsorge wie etwa Riester-Verträge attraktiver zu machen und auch Selbstständige besser abzusichern.
Wie geht es jetzt weiter mit dem Rentenpaket?
Die Pläne von Heil und Lindner gehen jetzt zunächst in die sogenannte Ressortabstimmung. Das bedeutet, dass andere Ministerien Anmerkungen machen können. Wenn es einen formalen Kabinettsbeschluss zum Gesetzentwurf gegeben hat, ist der Bundestag am Zug. Dieser soll das Vorhaben nach Möglichkeit noch vor der Sommerpause diskutieren und beschließen. Das ist notwendig, um die Stiftung Generationenkapital rechtzeitig auf die Beine stellen zu können.
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