Berlin. Immer mehr Rentenbezieher, immer weniger Erwerbstätige: Die größten Probleme bei der Rente – und wie man sie lösen könnte.
Länger arbeiten, mehr Zuwanderung, Umverteilung: Erst vor ein paar Wochen hat der Sachverständigenrat für Wirtschaft Vorschläge für die Reform des Rentensystems gemacht. Veränderungen werden notwendig sein, denn der gesetzlichen Altersvorsorge droht eine Schieflage. Fünf Herausforderungen – und welche Reformvorschläge es gibt.
1. Es gibt mehr Rentner und weniger Erwerbsfähige
Deutschland wird alt. Der demografische Wandel beschleunigt sich. Das liegt auch daran, dass die Geburtenrate eingebrochen ist. Kamen 1966 statistisch gesehen noch 2,53 Kinder pro Frau zur Welt, waren es 2020 nur noch 1,53. In nächster Zeit gehen die sogenannten Babyboomer-Jahrgänge in Rente. Danach folgende Generationen sind nicht annähernd so geburtenstark gewesen. Wenngleich auch der Anteil der alten Bevölkerung in den kommenden Jahren weniger stark ansteigt, als zunächst erwartet worden war.
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Zwischen 2000 und 2035 soll es den Prognosen zufolge dennoch annähernd zu einer Verdopplung des sogenannten Altenquotienten kommen. Derzeit liegt das Verhältnis zwischen erwerbsfähigen Personen und Menschen im gesetzlichen Rentenalter noch bei drei zu eins. 2080 könnte es nur noch bei zwei zu eins liegen. Dann kämen auf 45,5 Millionen Erwerbsfähige 21,3 Millionen Rentner.
2. Die Deutschen werden älter
Laut Sachverständigenrat liegt die Lebenserwartung ab Geburt momentan bei durchschnittlich etwa 81 Jahren in Deutschland – und legt weiter zu. Das Gremium schlug zuletzt vor, das Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung zu koppeln: Für jedes Jahr mehr Lebenserwartung sollten die Deutschen acht Monate länger arbeiten. Alle zehn Jahre würde sich somit der Renteneintritt um ein halbes Jahr nach hinten verschieben.
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Derzeit ist die Lage der Renten-Finanzen noch günstiger als einst angenommen. In der 15-Jahre-Prognose des Rentenversicherungsberichts 2009 hatte die Bundesregierung für 2023 einen Beitrag von 20,6 Prozent vorhergesagt. Tatsächlich liegt der Beitrag schon seit sieben Jahren bei 18,6 Prozent und das soll bis einschließlich 2027 bleiben. Doch der Sachverständigenrat der Wirtschaft geht davon aus, dass der Beitragssatz langfristig ansteigen wird. Für 2080 könnte er laut Prognose bei 24,1 Prozent des Bruttolohns liegen. Gleichzeitig könnte das gesetzlich festgeschriebene Rentenniveau von derzeit 49,5 auf dann 44,0 Prozent sinken.
3. Mütterrente und „Rente mit 63“ setzen gesetzliche Altersvorsorge unter Druck
Gerade die „Rente mit 63“ ist unter Senioren beliebt: Die Zahl der Anträge auf die abschlagsfreie Rente nach 45 Arbeitsjahren stieg 2023 auf Rekordniveau. Kritiker bemängeln die Kosten. Zuletzt hatte die Haushaltsdebatte die Diskussion noch einmal befeuert. Die abschlagsfreie Frührente sei für die Rentenkasse eine Herausforderung, sagt der Wissenschaftler Johannes Geyer vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin): „Die langfristige Finanzierbarkeit der Rente hat ein solches Instrument auf jeden Fall nicht besser gemacht.“ Zu einem ähnlichen Schluss kommt der Rentenexperte hinsichtlich der Mütterrente, bei der vor allem Frauen, die wegen der Kinder auf eine Berufstätigkeit verzichtet haben, zusätzliche Rentenpunkte erhalten. Es gibt Stimmen, die fordern, diese Zusatzleistung bei künftigen Rentnern einzusparen.
4. Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt wachsen
2021 zahlte der Bund knapp 79 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt als Zuschuss in die gesetzliche Rentenversicherung ein. Das waren rund 16 Prozent des Haushalts und etwa 2,2 Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts (BIP). 1991 lag der Zuschuss aus dem Haushalt noch bei lediglich 1,2 Prozent des BIP. Sollen die jetzt geltenden Haltelinien und das aktuelle Rentenniveau gehalten werden, könnte auch der Zuschuss aus dem Haushalt steigen. Geld würde an anderen Stellen fehlen.
5. Betriebliche und private Altersvorsorge fristen Nischendasein
Gut 30 Prozent der Deutschen haben laut DIW-Wissenschaftler Geyer weder eine betriebliche noch eine zusätzliche private Altersvorsorge. „Ihnen fehlt dann zur gesetzlichen Rente eine weitere Säule“, sagt der Experte. Aber Vorsorgeprodukte mit staatlichem Zuschuss wie die Riester-Rente sind nie der Nische entwachsen. „Da gibt es Reformbedarf“, befindet Geyer. Weil auskömmliche Renten künftig ohnehin nicht mehr ausschließlich über das Umlagesystem finanziert werden können, will die Bundesregierung auch auf den Kapitalmarkt setzen. Für ein „Generationenkapital“ sollen künftig zehn Milliarden Euro pro Jahr in einen Fonds fließen. Wegen des Haushaltslochs soll damit aber erst im nächsten Jahr begonnen werden.
Und diese Reformvorschläge liegen auf dem Tisch
Neben der Aktienrente und einer Erhöhung des Renteneintrittsalters gibt es weitere Reformvorschläge, um die gesetzliche Vorsorge auf breitere Füße zu stellen. Eine stärkere Arbeitskräftezuwanderung aus dem Ausland wird als Baustein gesehen, ebenso die Arbeitszeiterhöhung, insbesondere von Frauen. „Es arbeiten noch immer sehr viele Frauen in Teilzeit und Minijobs. Sie in vollzeitnahe Teilzeit zu bringen, würde auch die Rente stabilisieren“, sagt Forscher Geyer.
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Zudem gibt es Stimmen, auch Selbstständige und Beamte in die gesetzliche Rente einzahlen zu lassen. Schnell bringt das allerdings keine Verbesserung bei den Rentenfinanzen. „Der Grund ist einfach: Wenn man zwei Alterssicherungssysteme zusammenfasst, die beide ganz überwiegend aus laufenden Einnahmen, also Beiträgen oder Steuern, finanziert werden, kann dies die Finanzierung des einen Systems nur verbessern, wenn man im anderen System noch größere Finanzierungslöcher aufreißt“, sagt Martin Werding, Mitglied des Sachverständigenrates, dieser Redaktion. Ein einheitliches System würde aber dafür sorgen, dass alle Rentenreformen automatisch auch auf die Beamten übertragen würden, so Werding, der sich auch für weniger Verbeamtungen ausspricht.
Darüber hinaus hatten Teile des Sachverständigenrats zuletzt eine Debatte um eine Umverteilung angestoßen: Besserverdiener könnten einen Teil ihrer Rente abgeben, um die Renten von Geringverdienern zu erhöhen.