Taschkent/Duschanbe. Lisa Achatzi aus Bad Laasphe ist im Norden Usbekistans angekommen. Jetzt geht es auf den legendären Pamir-Highway und zum „Tunnel des Todes“.
Sonntagmorgen, 5.20 Uhr im Norden Usbekistans. Lisa Achatzi erwacht in ihrem Zelt am Ufer eines Sees. Es ist schon hell, auf dem türkisenen Wasser spiegeln sich die ersten Sonnenstrahlen. „Genau meine Zeit!“, denkt sich Achatzi. Von hier aus bricht die Laaspherin in Richtung Tashkent auf (100 Km), von wo aus es nach Samarkand gehen soll (420 Km), um schließlich über die Grenze Tadschikistans nach Duschanbe zum legendären Pamir Highway zu gelangen (700 Km). Die Flugstrapazen in Istanbul sind vergessen, Mensch und Material konnten sich ausruhen, das Gefühl vollkommener Abenteuerlust kehrt zurück. „Es läuft wie geschnitten Brot!“, schreibt Achatzi.
Hundert Völkerschaften
Als sie Tashkent hinter sich lässt, ist es morgens schon 33 Grad heiß, keine Wolke durchstreift den Himmel. Die Wege sind beschwerlich, die Bedingungen schlecht. „Es ist unglaublich, wie die Einheimischen Auto fahren. Man fühlt sich inmitten eines Autorennens. Wildeste Überholmanöver, die einen an den äußeren Rand des nichtvorhandenen Seitenstreifens drängen“, erzählt die 34-Jährige. Abgesehen davon seien die Menschen alle sehr nett und vor allem hilfsbereit. Einer kauft Achatzi extra Wasser und Energy-Drinks an einem Kiosk, immer wieder wollen Menschen Selfies mit ihr machen. „Ich weiß nur nie, auf welcher Sprache ich dann Hallo, Tschüss und Danke sagen soll, da alle einen Mix aus Usbekisch oder Russisch sprechen“, erklärt Achatzi über eine Bevölkerung, die aus über hundert Völkerschaften besteht und mit Usbekisch und Karakalpakisch gleich zwei offizielle Amtssprachen innehat. Doch genau in diesen Momenten wird Achatzi klar: „Dann merke ich, dass das Reisen mit dem Rad genau das Richtige für mich ist, weil ich so am meisten vom Land, den Leuten und der Kultur mitbekomme. So sehe ich eben nicht nur schöne Bilder auf Instagram, sondern auch Armut, Tierleid oder die Auswirkungen der Klimakrise.“ Unversehrt erreicht Achatzi schließlich Samarkand, die mit 540.000 Einwohnern viertgrößte Stadt Usbekistans.
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Wölfe, Bären, Landminen
Tadschikistans Hauptstadt Dushanbe und der Pamir Highway sind nun in greifbarer Nähe. Damit geht für Achatzi ein Traum in Erfüllung. Denn was für Alpinisten der Gipfel des Mount Everest bedeutet, ist für Radreisende eine Tour über die Hauptverkehrsstraße des Pamir-Gebirges. Wo auch immer Achatzi auf der Welt mit Gleichgesinnten über Radtouren und ihre Ziele sprach, sorgte diese 1252 Km lange Route stets für Gesprächsstoff. Mit 4655 Metern ist der Highway die zweithöchstgelegene Fernstraße der Erde. Sie ist wunderschön und grausam, bedeutet Überwindung und Grenzerfahrung und oft nicht nur Anfang, sondern auch Ende einer Reise. Das weiß auch Achatzi und plant zwei bis drei Wochen ein: „Es wird eine Herausforderung - mental und physisch, aber auch für das Rad. Schlaglöcher, Wellblechpisten und Sandabschnitte. Laut Berichten sieht man teilweise nur drei bis fünf Autos am Tag. Man soll immer Proviant für längere Zeit dabeihaben und bei jeder Möglichkeit Wasser auffüllen. Davon werde ich wegen der Höhe eh mehr brauchen als sonst. Die Radsaison startet eigentlich erst Mitte Juni, vielleicht werde ich es also mit Schnee und Matsch zu tun bekommen.“ Wenn Achatzi sonst mit ihrer Kraft am Ende war, schlug sie einfach irgendwo ihr Zelt auf. Hier ist die Lage jedoch anders. Es gibt Wölfe und Bären, auch wird vor Landminen gewarnt. 2018 wurden südlich von Duschanbe vier Radreisende von IS-Terroristen getötet. Achatzis Eltern sorgen sich in Bad Laasphe also nicht ohne Grund.
Lisa Achatzis bisherige Reise in Fotos
Tunnel des Todes
Am Grenzübergang nach Tadschikistan klappt alles problemlos. Die Landschaft ändert sich mit jedem Kilometer. Zwei Drittel der Landesfläche sind Hochgebirge, fast die Hälfte liegt auf einer Höhe von 3000 Metern und höher. „Es ist so wunderschön hier!“ schreibt Achatzi, als sie nach viel Rauf und Runter die vielen schneebedeckten Gipfel sieht. Vor ihr liegt der Ansob-Tunnel, auch „Tunnel des Todes“ genannt. „Hier kann ich nicht weiterfahren, das wäre auch Selbstmord“, sieht Achatzi ein. Seit 2016 ist der „gefährlichste Tunnel der Welt“ (travelbook.com) immerhin beleuchtet, zuvor staute es sich fünf Kilometer lang im Dunkeln. Wie es Achatzi dennoch nach Dushanbe und auf den Pamir Highway schafft, schildert sie in der nächsten Ausgabe.