Salta/Argentinien. Lisa Achatzi sammelt auf ihrer Fahrradtour durch Südamerika Spenden für Kriegsflüchtlinge. Über ihre Erlebnisse berichtet sie uns einmal im Monat.

In Uruguay gibt es ein Sprichwort: „Ein hartgekochtes Ei wird niemals zum Spiegelei.“ So könnte man auch Lisa Achatzi umschreiben, wenn auf ihrer langen Reise auftreten. Und diese gibt es auf zwei Rädern zuhauf. Herausforderungen basieren hier nicht auf Fehlern oder Schuld, sondern auf natürlichen Gegebenheiten. Das merkte Achatzi erneut, als sie zum Beispiel wegen eines Unwetters sprichwörtlich vom Weg abkam, und in Uruguays Hauptstadt Montevideo Schutz und Unterkunft suchte. Es geht weiter, wenn es die Natur zulässt – das hat Achatzi gelernt.

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Für den guten Zweck

10.500 Kilometer legte Lisa Achatzi in sieben Monaten für SOS-Kinderdörfer mit dem Fahrrad durch Südamerika zurück. Im März 2020 musste sie ihre Tour wegen der Corona-Pandemie beenden. Nun fährt sie erneut für einen guten Zweck: Aufgrund des Ukraine-Krieges startet sie die erste Spendenperiode für die UNO-Flüchtlingshilfe . Spenden kann man über ihren Reiseblog www.wheelsoffortune.org oder im Fotofachgeschäft Achatzi in Bad Laasphe.Einmal im Monat berichtet unsere Zeitung von Achatzis Tour, per Sprachnachrichten schildert die Laaspherin ihre Erlebnisse.

Vor einem Monat kam sie mit einer Fähre in Uruguay an. Über Colonia de Sacramente (älteste Stadt des Landes) und Montevideo, ist sie inzwischen dort eingetroffen, wo sie sich am wohlsten fühlt: „Mein Herz sehnt sich nach den richtigen Bergen - den Anden.“ Als sie vor ein paar Tagen an deren Ausläufer ankommt, realisiert sie endgültig, dass sie „wieder auf der Straße ist und nicht in einem dreiwöchigen Urlaub“.

1000 Pesos und Gratis-Tee

Uruguay Argentinien
Uruguay Argentinien © stepmap | stepmap

Bis dahin hat Achatzi bereits viel erlebt. Da waren die knallgrünen Vögel, die plötzlich in Scharen über ihren Kopf sausten, die Kuhherden, die sie „anstarren, als hätten sie sowas wie mich noch nie gesehen.“ Und zwischen all dem trifft sie immer wieder Menschen, die wenig haben und viel geben möchten. Wer bist du? Was machst du? Kann man dir helfen? Einer wollte Achatzi 1000 Pesos (ca. acht Euro) schenken, ein anderer fragte, ob sie Katholikin sei, weil er ihr gerne ein Kreuz-Kettchen mit auf den Weg geben würde. Da war der Rennradfahrer, der ihr drei Energieriegel zusteckte, und die Bäckerin, die zwei Gratis-Teilchen in die Tüte tat. Und dann gibt es noch Menschen wie Victor, den Inhaber einer Herberge, über den Achatzi sagt: „Kennst du das, wenn man im Blick der Menschen sofort merkt, dass sie herzlich sind? Das war bei ihm so.“ Als sie Victor von ihrer Tour erzählt, antwortete er sofort: „Dir möchte ich nichts abknüpfen!“ Nicht nur die Übernachtung, sondern auch der Tee sind fortan kostenlos. „Fast väterlich“ warnt er sie zum Abschied noch vor den engen und nebligen Straßen, die auf sie zukommen würden.

Löcher in der Haut

In Victors Herberge konnte Achatzi kostenlos übernachten - Tee und Herzlichkeit gab es inklusive. <p/>
In Victors Herberge konnte Achatzi kostenlos übernachten - Tee und Herzlichkeit gab es inklusive.

© Lisa Achatzi/Privat | Lisa Achatzi/Privat

Wer mit dem Rad reist, lernt nicht nur Wege und Nebel, sondern auch Insekten kennen. Auf einem Video sieht man das ganze Ausmaß einer Attacke. Achatzis Beine sehen aus wie eine Kraterlandschaft: „Keine Ahnung, was das für Viecher waren. Sie sehen aus wie kleine Fruchtfliegen, kommen zu hunderten und reißen richtige Löcher in deine Haut.“ Weil Achatzis mobile Apotheke für solche Ausmaße nicht ausreichte, schmierte sie aus der Verzweiflung heraus Herpes-Creme auf die Pusteln – mit Erfolg. Auch ihr Humor bleibt in solchen Momenten nicht auf der Strecke. Auf die Frage nach dem aktuellen Kilometerstand antwortet Achatzi: „2188 – wie die Zahl der Insektenstiche.“

Achatzi oder Jesus?

Als Achatzi sich der Kleinstadt Trinidad im Südwesten Uruguays nähert, bemerkt sie, wie immer mehr Menschen am Straßenrand stehen, in Klappstühlen sitzen und sie begrüßen. „Das ist ja nett hier! So ein Willkommens-Komitee hatte ich ja noch nie“, denkt Achatzi und genießt den Ritt über den „roten Teppich“. Doch als dann aus kleinen Gruppen immer größere werden, fragt sich Achatzi, womit sie all das Rampenlicht verdient hat. Da zu diesem Zeitpunkt Ostern ist und dies in Südamerika einen enormen Stellenwert hat, vermutet sie das Eintreffen einer „großen Jesus-Parade“. So berühmt ist Achatzi dann doch nicht.

Aber es kommt alles anders. Plötzlich heulen Polizei-Sirenen auf, lautes Hupen durchzieht die Straßen. Einheimische erzählen ihr, dass auf der Straße jetzt die „Vuelta del Uruguay“ vorbeikäme, das traditionsreichste Radrennen des Landes. „Da hätte ich doch glatt mal mitfahren können“, lacht Achatzi.

Hast du keine Angst?

Nachdem der Trubel vorbei ist und sie wieder allein im Staub fährt, stoppt sie bei einer der vielen Tankstellen: „Sie sind meine besten Freunde hier, tauchen im Nirgendwo auf, löschen Durst, stillen Hunger, bieten Schatten und manchmal einen kostenfreien Zeltplatz.“ Dort finden für Achatzi auch die meisten Gespräche statt - oftmals mit den gleichen Fragen: „Wie lange bist du schon unterwegs? Alleine? Als Frau? Hast du keine Angst?“ Die Antworten bleiben so gleich wie ihr Ansporn: „Ich möchte für eine Welt kämpfen, in der es normal ist, als Frau alleine durch die Welt zu reisen.“