Itanhaém/Brasilien. In Brasilien muss sie vorsichtig sein: So wird Lisa Achatzi vor der Tour durch Südamerika gewarnt. Doch eine andere Gefahr erwischt sie eiskalt.

Die letzte Passage endete für Lisa Achatzi an den Iguazú-Wasserfällen im Dreiländereck zwischen Argentinien, Paraquay und Brasilien. Dort wurde sie zwar Zeugin eines Naturwunders, aber auch von „Touristen aus der Hölle“. Dabei waren es nicht nur die schieren Massen, die vorrangig mit Instagram und Selfie-Sticks beschäftigt waren.

Solche Orte, so beeindruckend sie auch sind, offenbaren vor allem den menschlichen Durst nach Gewinnmaximierung. Auf künstlichen Wanderstegen schenkten sich die Menschen keinen Zentimeter Platz, in der Nähe prallten Hotelanlagen aufeinander, Kellner rieben dem vorbeilaufenden Volk auf der Straße Speisekarten unter die Nase. Die Bad Laaspherin Achatzi umschreibt den Ort rückblickend als „Macchu Picchu in nass“. Grund genug, um nach kurzer Zeit wieder auf das Rad zu steigen.

Sprache ist fast alles

Anfang Juli trifft Achatzi in Brasilien ein, dem letzten Land ihrer Südamerika-Reise. Größte Umstellung ist von jetzt an vor allem der Wechsel von spanischer zu portugiesischer Sprache, was Achatzi regelrecht „die Kommunikation nimmt“. Auf Anhieb fühlt sie sich ein Stück einsamer, einmal mehr wird ihr klar, dass Sprache weit mehr ist als ein Mittel zum Zweck: „Man kann nicht einfach mal mit jemandem reden, sich umarmen, über etwas aufregen oder gemeinsam die Lage diskutieren“, schildert Achatzi.

Die Iguazú-Wasserfälle und Itanhaém in Brasilien
Die Iguazú-Wasserfälle und Itanhaém in Brasilien © WP BAd Berleburg | Created with Datawrapper

Im Gegensatz zu Paraquay, laut Achatzi das „netteste Land Südamerikas“, hörte sie von Brasilien bislang viel Gefährliches.

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Natürlich müsse sie vor allem Großstädte mit dem „ganz besonderen Warnsystem einer alleinreisenden Frau“ anfahren, von Pauschalisierung hält Achatzi aber prinzipiell nichts: „Irgendwie ist in den Augen anderer immer irgendwer, irgendwas oder irgendein Ort gefährlich. Meistens ist das aber subjektiv. Denn ist es doch so, dass Negatives immer zur falschen Zeit am falschen Ort passiert. Deshalb möchte ich mir unbedingt mein eigenes Bild machen.“

Zwischen Wut und Demut

Was keine subjektive Meinung, sondern immer wieder traurige Gewissheit ist, sind die wiederkehrenden Bilder von Armut. Regelmäßig kommt sich Achatzi „fast bekloppt vor“. Zum Beispiel, als sie einen Bioladen betritt und zwischen veganen und zuckerfreien Produkten auswählt, und dann draußen ein Kind zum Schuhe putzen wartet: „Oder wenn ich auf einem 2000-Euro-Fahrrad an Menschen vorbeifahre, die auf dem Gehweg liegen und von der Mittagssonne gebraten werden. Die Schere zwischen Arm und Reich lässt einen oft verzweifeln und macht mich immer wieder aufs Neue traurig und wütend, aber auch zutiefst demütig.“

Als der Tacho auf 16500 Kilometer springt, ist Lisa Achatzi glücklich und auch ein bisschen stolz. 
Als der Tacho auf 16500 Kilometer springt, ist Lisa Achatzi glücklich und auch ein bisschen stolz.  © WP | Lisa Achatzi

Vom südlich gelegen Blumenau und dem „europäischen Tal“, das im 19. und 20. Jahrhundert vor allem durch deutsche Einwanderungs- und Flüchtlingswellen geprägt wurde, visiert Achatzi São Paulo und schließlich Rio de Janeiro als Endstationen ein. Doch bereits nach 130 Kilometern gibt es Probleme mit der Gangschaltung.

Als sie Unterstützung von zwei anderen Radfahrern erhält, wird in São Francisco do Sul das Übel von einem Mechaniker entdeckt: „Warum auch immer, drückte meine hintere Radtasche auf ein Kabel. Wieder einmal musste ich nichts bezahlen und wurde stattdessen noch bis zu einem Campingplatz begleitet.“

Der Mann mit dem Hammer

Nach einem Pfad durch den Matsch eines Dschungels und den Attacken von „Miniviechern, die die Haut aufbeißen, dass Blut austritt“, erreicht Achatzi eine sogenannte Pousada, eine meist familiär geführte Pension im Nirgendwo. Für fünf Euro kommt sie in einer Bretterhütte mit Bad und eigenem Schlafzimmer unter. Als am Abend Männer mit Motorrädern eintreffen, entnimmt Achatzi aus den Gesprächen deutsche Wörter.

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Franz, Roberto, Irani und Edilson sind um die 60 Jahre alt, von Achatzis Reise sofort begeistert und sprechen ihr größten Respekt aus. Sie laden die Bad Laaspherin zum Abendessen ein und bestehen auch am nächsten Morgen auf ein gemeinsames Frühstück.

Ein typisches Bild des brasilianische Dschungels, in dem es Lisa Achatzi neben Matsch und Hitze vor allem mit Moskitos zu tun bekommt. 
Ein typisches Bild des brasilianische Dschungels, in dem es Lisa Achatzi neben Matsch und Hitze vor allem mit Moskitos zu tun bekommt.  © WP | Lisa Achatzi

Mitte Juli kommt Achatzi erneut an der Küste an. In Itanhaém, einer Stadt in der Größe Siegens, trifft sie auf den „Mann mit dem Hammer“, wie im Sportjargon ein plötzlicher Leistungseinbruch umschrieben wird. Ausgerecht hier findet Achatzi keine Unterkunft, ihm Kopf sagt sie sich nur: „Egal wie teuer – gebt mir ein Zimmer, ich muss schlafen!“ Am nächsten Morgen geht es Achatzi elendig. Hastig holt sie einen Corona-Schnelltest hervor und hält die Luft an.

Doch da sind sie: zwei dicke, fette Striche. Wie Achatzi mit diesem Worst Case umgeht, wird in der nächsten Ausgabe erzählt.