Bad Laasphe/Samos/Kusadasi. Lisa Achatzi fährt für den guten Zweck mit dem Rad durch die Türkei, Turkmenistan und Kasachstan – und erlebt so Schönes wie auch Schockierendes.

Eine Redensart besagt, dass man Reisende nicht aufhalten soll. Bei der Laaspherin Lisa Achatzi wäre allein der Versuch zum Scheitern verurteilt. Das wissen inzwischen nicht nur Freunde, sondern vor allem ihre Familie. Nach Reisen durch Europa, Mittel- und Nordamerika stellt sich bei ihr nicht mehr die Frage, ob das Touren auf zwei Rädern nur eine Phase oder vielmehr ein Lebenselixier ist. Denn wer mit dem Fahrrad über 17.000 Kilometer durch Südamerika fährt, um Salzseen, Anden und Feuerland zu erleben, tut dies aus Leidenschaft und Überzeugung. Vielleicht liegt darin auch die Seelenverwandtschaft zwischen Lisa Achatzi und berühmten Reisenden wie Bruce Chatwin, Katia und Maurice Krafft oder von Humboldt: Es geht nie um die bloße Flucht vor etwas Bestehendem, sondern immer um den Antrieb zu etwas Neuen hin. Deshalb konnte Achatzi nach ihrer Rückkehr aus Südamerika auch nicht einfach Stopp rufen. Wie Goethe sagte: Man reist ja nicht, um anzukommen, sondern um zu reisen.

Gefühl von Abenteuer

Also fährt Achatzi im September des vergangenen Jahres erstmal drauf los – wenn auch nicht von Bad Laasphe aus. In Barcelona steigt sie auf ihr Fahrrad mit dem Spitznamen „Little Black Panther“, fährt einen Monat durch Spanien, nimmt schließlich eine Fähre in Richtung Marokko und resümiert: „Hinter mir liegen tolle Momente, doch irgendwie hat sich das Radfahren in Spanien mehr nach Urlaub als nach Abenteuer angefühlt – bis der nette Mann auf der Fähre sagte, dass die Fähre gar nicht da anlegt, wo ich dachte.“

Nach ihrer Radreise durch Südamerika sitzt die Bad Laaspherin Lisa Achatzi erneut im Sattel. Dieses Mal geht es u.a. durch die Türkei, Turkmenistan und Kasachstan. Dabei fährt die 34-Jährige Spendengelder für die Non-Profit-Organisation „Samos Volunteers“ ein. 
Nach ihrer Radreise durch Südamerika sitzt die Bad Laaspherin Lisa Achatzi erneut im Sattel. Dieses Mal geht es u.a. durch die Türkei, Turkmenistan und Kasachstan. Dabei fährt die 34-Jährige Spendengelder für die Non-Profit-Organisation „Samos Volunteers“ ein.  © Heiko Rothenpieler | Lisa Achatzi

Achatzi wollte in Tanger an Land gehen, doch der Ort ist nach dem Anlegen nicht einmal in der Nähe. „Dahin kannst du an der Küste entlangfahren, aber da brauchst du starke Beine!“, ruft ihr der Mann zu. 42 Kilometer und 550 Höhenmeter später kommt Achatzi in Tanger an. „Da ist es wieder, das Gefühl von Abenteuer. Ich spreche kein Arabisch, kenne die Kultur nicht und freue mich darauf, sie kennenzulernen.“

Herzerwärmende Momente

Um das zu tun, führt ihr Weg in das Naturwunder Atlasgebirge hinein, das mit einer Länge von 2300 Kilometern drei Länder verbindet. Es geht nur bergauf, mit jedem Höhenmeter wird die Landschaft atemberaubender. Achatzi durchquert knallgrüne Oasen inmitten staubtrockener Berge und kann ihr Glück kaum fassen: „In den Dörfern freuen sich die Menschen, mich zu sehen. Vor allem die Kinder kreischen und winken, rennen auf mich zu, um abzuklatschen oder fahren neben mir her. Bei all den grausamen Dingen auf der Welt, wärmen diese Momente mein Herz so sehr, dass es fast platzt.“

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Südlicher fährt Achatzi nicht mehr, über Taroudant geht es entlang der atlantischen Küste zurück zur Fähre. Mit im Gepäck befinden sich inzwischen neue Pläne, die das Leben auf dem Rad vorübergehend ruhen lassen werden. Von Spanien aus geht es aber zunächst teils mit dem Fahrrad, teils auf Fähren und in Fernreisebussen nach Italien und schließlich die griechische Insel Samos, wo Achatzi fortan neun Wochen lang als Freiwillige in einem Flüchtlingscamp der Hilfsorganisation „Samos Volunteers“ arbeitet.

Auf ihrer Reise lernt sie viele Menschen kennen.
Auf ihrer Reise lernt sie viele Menschen kennen. © Heiko Rothenpieler | Lisa Achatzi

Schicksale und Neustart

Es sind Bilder, die Achatzi nie vergessen wird. Sie trifft auf einen jungen Mann, der 37 Versuche brauchte, um nach Samos zu gelangen. Ein anderer schildert, wie vor zwei Tagen sein Vater ertrunken ist. Inzwischen gibt es dort ein neues Camp, wo es statt Zelte immerhin Container gibt.

Übernachten im Zelt – für Lisa Achatzi nichts Neues.
Übernachten im Zelt – für Lisa Achatzi nichts Neues. © Heiko Rothenpieler | Lisa Achatzi

Einmal schaut sich Achatzi das alte Camp an, in dem sechs Jahre lang bis zu 8000 Menschen lebten – mitten im Dreck, zwischen Insekten und Schlangen. Ein Mann in Achatzis Alter erzählt ihr: „Ich habe dort zwei Jahre gelebt! Umgeben von einer Armee aus Ratten. Ich bin dort drogensüchtig geworden. Jetzt bin ich aber clean und habe einen Job, weil ich einen positiven Bescheid bekommen habe!“ Die Schicksale gleichen sich, sind individuell aber umso unerträglicher für Achatzi: „Jeden Tag bricht mein Herz aufs Neue.“

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Inzwischen ist es Anfang April, als Achatzi das Camp verlässt. Während andere bleiben müssen, kann sie mit ihrem Fahrrad weiterziehen. Mit der Fähre setzt sie nach Kusadasi, hundert Kilometer südlich von Izmir, in die Türkei über. Hier beginnt nun ihr großer Trip, der bis nach Kasachstan gehen soll. Doch zunächst steht der Nationalpark Göreme und die Felsbauten von Kappadokien auf dem Plan. Was dieses UNESCO-Welterbe so einmalig macht, wird Achatzi in der nächsten Ausgabe schildern.