Feudingen. Erika Haar hat in Feudingen eine Heimat gefunden. Und ihren Job hinter der Theke liebt sie. Das hat ihr auch über schwere Zeiten hinweg geholfen.
Zwischen Dönerbude und Blumenhandel findet man In der Gasse das ,,Haus Six“, Feudingens einzige noch verbliebene Kneipe. Eine klassische Dorfkneipe, wie man sie sich im Kopf vermutlich ausmalt: Ein Billardtisch und eine alte Jukebox gehören zum Inventar. Würfelbecher hinter der Theke, die nur darauf warten, ein glückliches ,,Schock aus!“ zu verkünden. Und Fotos von fröhlich feiernden Menschen an den Wänden, die mehr erzählen, als jede Instagram-Story es könnte.
Erika Haar, die Wirtin, war an jedem dieser Abende dabei und erinnert sich lebhaft an so manchen davon. Sie steht hinter der Theke, zapft gerade für einen ihrer Gäste ein frisches Bier. Immer ein Lächeln im Gesicht und stets bereit, mit alten Bekannten und Stammgästen zu plaudern, aber auch mit der jüngeren Generation ins Gespräch zu kommen. „Ich kann mir ein Leben ohne das alles hier einfach nicht vorstellen“, sagt sie.
Ein Ort für Jedermann
Bei ihr trifft sich Jung und Alt für ein gemütliches Beisammensein. Ob nun Männer, die sich zum Kartenspielen zusammenfinden, die beiden Freunde, die gerne eine Partie Billard spielen oder die Fußballmannschaft, die nach ihrer Trainingseinheit gemeinsam den Abend ausklingen lassen will.
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Selbstverständlich wird auch das ein oder andere Glas getrunken. Besonders beliebt bei den Gästen ist Erikas hausgemachter ,,Mexikaner“ – Ein Likör, den sie aus Wodka, Tabasco und anderen Zutaten nach eigenem Rezept an jedem Abend frisch zubereitet.
Seit sechs Jahren fester Bestandteil des Ortes
Die Wirtin Erika Haar stammt aus Ungarn, aber seit nun fast sechs Jahren ist sie mit ihrer Kneipe ein fester Bestandteil in Feudingen. Ihr ist jeder einzelne Gast wichtig. Ob nun ihre „Fußballjungs“, die Stammtische oder jemand, der spontan auf ein frisch gezapftes Bier vorbeischaut. „Ich freue mich über Jeden, der bei mir Gast sein will. Aus Gästen werden Stammgäste. Aus Stammgästen werden Freunde. Und aus Freunden eine zweite Familie“, sagt sie. Dennoch sind die Zeiten, als die Menschen sich noch werktags nachmittags oder früh am Abend Zeit für einen kleinen Besuch in der Dorfkneipe genommen haben, längst vorüber. „Das Ausgehverhalten der Leute hat sich einfach geändert. Viele haben auch nicht mehr so viel Geld zur Verfügung“, sagt sie. Eine besondere Herausforderung wurde die Corona-Pandemie, die Ende 2019 ihren Anfang nahm. Mit dem ersten Lockdown musste Erika ihre Kneipe noch im ersten Quartal 2020 schließen. Im Sommer desselben Jahres entspannte sich das Infektionsgeschehen jedoch etwas und Erika durfte ihre Kneipe wieder öffnen, wenn auch unter Auflagen. Die Freude hielt jedoch nicht lange und mit dem zweiten Lockdown ab November 2020 stand sie erneut ohne Perspektive da. „Ich war nervlich komplett am Ende“, erinnert sie sich. Die versprochenen Corona-Hilfen trafen zwar ein, aber angesichts der laufenden Kosten wirkten diese nur wie ein Tropfen auf dem heißen Stein. „Viele können sich gar nicht vorstellen, wie schwierig es in dieser Zeit war, wenn man in der Gastronomie arbeitet und damit natürlich auch seinen Lebensunterhalt sichern will.“
Gegen den Trend investiert
Erika dachte jedoch nicht daran aufzugeben und wurde kreativ. Sie investierte in einen kleinen Ofen und nach einem ganzen Jahr ohne regelmäßigen Betrieb startete sie vorübergehend von dem Kneipen-Gebäude aus einen Fensterverkauf von Ringkuchen und anderen ungarischen Spezialitäten. Die Gäste kehrten zurück, wenn auch erst einmal nicht an die Theke. „Die Leute hier haben mich so toll unterstützt. Ich musste vor Freude weinen“, sagt sie heute. Darüber hinaus erhielt sie Unterstützung vom örtlichen Einzelhandel in Form von Spenden. Mitte 2021 wurde der zweite Lockdown aufgehoben und Erika freute sich darauf, ihre Gäste wieder an der Theke begrüßen zu dürfen. Und die Nachfrage für einen Besuch bei ihr war direkt sehr groß. Doch damit standen auch neue Hürden vor der Tür. Viele Lockerungen galten zunächst nur für Genesene und Geimpfte, zudem musste sie den Betrieb ihrer Kneipe zusätzlich einschränken, da zu große Zusammenkünfte noch verboten waren. Mit großer Ernüchterung blickt Erika auf diese Zeit zurück. „Die ganzen Regeln waren anfangs unfassbar schwierig zu verstehen. Ich musste nicht nur meine Gäste für jeden Öffnungsabend telefonisch reservieren lassen, sondern auch jeden vor dem Einlass kontrollieren. So etwas musste ich bisher noch nie.“
Optimistisch in die Zukunft
Auch die Energie- und weitere Nebenkosten stiegen währenddessen kontinuierlich an. Für die Kneipenwirtin trotz der Möglichkeit, wieder öffnen zu dürfen, eine große Herausforderung, ihren Betrieb zu führen. Mittlerweile ist für sie jedoch weitgehend wieder die Normalität eingekehrt. „Finanziell alles wieder aufzuholen, ist natürlich schwierig. Aber meine Gäste haben mir die Treue gehalten. Sie melden ihre Stammtische an, wollen ihren Geburtstag bei mir feiern oder schauen einfach so regelmäßig wieder bei mir vorbei. Dafür bin ich so unendlich dankbar.“
Für die Zukunft hat Erika zudem auch noch Pläne. So denkt sie darüber nach, einen Karaoke-Abend oder noch einmal ein Billardturnier zu veranstalten, welches in der Vergangenheit sehr großen Anklang fand. Ein Leben ohne ihre Kneipe? Für sie keine Option. Immer mehr Gastronomen schließen ihren Betrieb, entweder aufgrund des allgemeinen Wandels der Gastronomie oder angesichts der stark gestiegenen Preise. Erika gibt sich optimistisch und klar fokussiert: „Ich will weitermachen, bis ich alt und grau bin. Mein Herz hängt hier dran.“