Bad Berleburg. Ernst Schneck ist 91 Jahre alt und erinnert sich gut an die Zeit, in der er sein Gasthaus in Berleburg betrieb. Vieles hat sich verändert.

Bunte Gardinen zieren die Fenster. Teller aus Zinn, kleine und große Bilder und Geweihe hängen an den Wänden des Hotels Stadt Berleburg in der Oberstadt. Dunkle Holzmöbel, gedeckt mit grünen und roten Tischdecken sorgen für urige Gemütlichkeit. Wir befinden uns im früheren Gastraum des einstigen Gasthauses. Bilder zeugen auch heute noch von den gemütlichen Räumlichkeiten, die Ernst Friedrich Ludwig Schneck mit seiner Familie lange Zeit mit Leben füllte.

Wie? Als Gastronom und als Freund. Als Zuhörer und Spaßmacher. Wir haben mit dem ehemaligen Gastronom über das frühere Hotel am Goetheplatz 5 in Bad Berleburg gesprochen, über den Tourismus und das Kneipenleben.

Das Hotel

„Die ruhige Lage in der Oberstadt in unmittelbarer Nähe des Schlosses und des Schlossparks machen das Hotel Stadt Berleburg mit seiner Freiterrasse zu einem beliebten Aufenthaltsort“, heißt es in einer Broschüre, die Familie Schneck damals herausbrachte. Hellblau, Din A6 groß und zusammengeklappt ist sie. Darin geht es aber nicht nur um das Hotel, sondern auch um die Stadt Berleburg, die Kneipp-Angebote, den Tourismus und vieles mehr.

Heute befindet sich in dem Gebäude am Goetheplatz – dort wo sich einst das Hotel Stadt Berleburg befand – das Restaurant „Poseidon“.
Heute befindet sich in dem Gebäude am Goetheplatz – dort wo sich einst das Hotel Stadt Berleburg befand – das Restaurant „Poseidon“. © Privat | Privat

Der heute 91-jährige Schneck hat die Broschüre neben Bildern und Aufzeichnungen aufbewahrt. So auch ein Notizbuch: Darin befinden sich Beobachtungen aus den 50er Jahren und aus Erzählungen: „Meine Eltern und ich übernahmen am 15. April 1954 den Gasthof Stadt Berleburg von Ludwig Baumner und seiner Tochter Grete Baumner“, erinnert sich Schneck noch gut an die Zeit zurück.

Der Gasthof wurde 1911 von Baumner erworben – von der Familie Bürger. In den Räumlichkeiten befand sich einst die ehemalige Hofmetzgerei. „Jedes Gebäude am Alten Marktplatz hat seine Geschichte – sei es die ehemalige Kirche, die Apotheke oder die Pfarrhäuser.“

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Der Herbstmarkt

In der ersten Woche im Oktober 1915 wurde der Gasthof eröffnet – an diesem Tag war auch in Berleburg Herbstmarkt auf dem Alten Marktplatz. „Der Herbstmarkt fand immer am 1. Dienstag im Oktober statt. Nach dem Schützenfest ein besonderer Tag.“ Die Händler und Marktbetreiber kamen aus dem Marburger Land, aus Wetzlar, Iserlohn und anderen Gegenenden in die Odebornstadt und boten ihre Waren an.

Das Gemälde des Schlosses hängt heute noch im Gastraum.
Das Gemälde des Schlosses hängt heute noch im Gastraum. © Privat | Privat

„Es gab Nähzeug, Obst, Kartoffeln, Hosenträger und auch Stände mit Zuckerwaren und vieles mehr“, schreibt Schneck in seinen Erinnerungen. „Montagabends reisten die meisten Marktbetreiber bereits an, um die besten Plätze zu bekommen. Die Marktmeister Sandkuhl und Benfer waren um 6 Uhr bei uns im Gasthof. An einem langen Tisch wurden die Plätze verteilt. Die Aussteller verlangten dann ihr Frühstück und so begann die Arbeit sowohl bei den Kollegen als auch bei uns.“

Der Herbstmarkt war nicht nur ein Verkaufs- und Einkaufstag, sondern ein „Tag der Dörfer“. „Zu der Zeit gab es keine Autos – ganz selten besaß man ein eigenes Telefon – man traf sich auf dem Herbstmarkt , unter anderem auch bei Bratwurst, Sauerbraten und Bierstunden im Gasthof. Es wurde so manches Bier gezapft.“ Bevor die Familie Schneck nach Bad Berleburg kam, besaßen sie einen Gasthof im Siegerland. Im Krieg jedoch wurde er „innerhalb weniger Minuten“ zerstört. „Ich erinnere mich noch genau daran – in nur 5 Minuten waren wir ausgebombt.“

Die Gemütlichkeit

In der Odebornstadt wagten sie dann den Neustart. Denn: Familie Schneck sind Gastronomen aus Leidenschaft. Das Schöne an dem Beruf? „Die Gemeinschaft unter den Menschen. Man saß nach Feierabend gemütlich zusammen oder eben nach dem Markt. Man bekommt an der Theke vieles mit und entwickelt ein Gespür für die Menschen. Es ist ein schöner und interessanter Beruf. Ich habe aber auch gerne mal einen Witz gemacht.“

Ernst Friedrich Ludwig Schneck (links) mit seiner Frau und seinen Eltern im Hotel Stadt Berleburg: Der heute 91-Jährige denkt gerne an die Zeit zurück, als er noch hinter der Theke stand.
Ernst Friedrich Ludwig Schneck (links) mit seiner Frau und seinen Eltern im Hotel Stadt Berleburg: Der heute 91-Jährige denkt gerne an die Zeit zurück, als er noch hinter der Theke stand. © Privat | Privat

1980 hat die Familie Schneck das Anwesen verkauft – heute befindet sich dort das Griechische Restaurant Poseidon. „Ich bin gerne dort zu Gast. Es ist schön, dort zu sitzen“, sagt er. Auch nach seiner Zeit als Gastronom hat er den Tourismus unterstützt – mit Führungen im Schloss und im Raumländer Schieferschaubergwerk. „Die Arbeit mit Menschen machte mir eben Spaß.“

Das Kneipenleben

Doch was hat sich in den Jahren verändert – in Sachen Kneipenleben und Dingen wie der Suche nach Personal? „Es war schon früher schwierig, Personal zu finden. Damals aber waren die Ansprüche noch nicht so hoch wie heute. Früher war das so: Wenn geschlachtet wurde, gab es ein Schlachtfest oder es gab eben ein paar Schnittchen. Die Esskultur hat sich in den Jahren geändert.“

Und nicht nur das. „Die Vereinsgastronomie hat der Gastronomie geschadet – viele Vereine haben eine eigene Einrichtung mit Theke. Die Leute gehen nicht mehr in die Gaststätte.“