Siegen/Bad Berleburg. Für Wisentgegner ist Paul Breuer ein „rotes Tuch“ trotzdem will er das Projekt retten, weil die Wildrinder den „Wald der Zukunft“ gestalten.

Im Streit um die frei umherstreifende Wisentherde im Rothaargebirge meldet sich nun erneut Paul Breuer zu Wort. Der ehemalige Landrat des Kreises Siegen-Wittgenstein war der erste 1. Vorsitzende des Trägervereins und ist einer der Wegbereiter des Artenschutzprojektes. Gleichwohl ist er auch umstritten. Vor allem für die gegen das Projekt klagenden Waldbauern ist Breuer ein „rotes Tuch“.

Doch Paul Breuer will, dass alle wieder an einen Tisch kommen – und eine dauerhafte, tragfähige Lösung für die Zukunft mit Wisenten im Rothaargebirge erarbeiten.

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„Wir haben eine große Verantwortung für den Artenschutz“, sagt Breuer und hebt auch die Bedeutung des Wisents für die Entwicklung des Waldes der Zukunft hervor, in dem Bison Bonasus – wie der Wisent lateinisch heißt – seinen Lebensraum gestaltet. Breuer sieht die Notwendigkeit von Entschädigungen für Waldbauern, betont aber auch, dass die Schälschäden, die Wisente anrichten, im Vergleich zu denen von Rotwild und Rehwild gerade einmal zwei bis fünf Prozent der Schäl- und Verbiss-Schäden insgesamt ausmachten. Umgekehrt verweist der Vorkämpfer für die Wildrinder auch auf Untersuchungen zu den Auswirkungen des Projektes: „Der Wisent verändert den Wald positiv. „Wir sind mit dem Projekt sehr, sehr bei der Gewinnung von Erkenntnissen. Und da sind wir auch stolz drauf.“ (Siehe Zweittext)

Wisent: „Aus biologischer Sicht bereichernd“

Auf der Internetseite des Trägervereins www.wisent-welt.de und in der Naturwald Akademie hat die wissenschaftliche Koordinatorin des Auswilderungsprojektes, Kaja Heising, die Wirkung beschrieben, die Wisente auf ihre Umwelt haben.

„Im Ökosystem spielt der Wisent eine Rolle, die während seiner Abwesenheit durch keinen anderen großen Pflanzenfresser ersetzt werden konnte. Mit ihrem Fress-, Sozial- und Wanderverhalten tragen Wisente zu einer reicheren Biodiversität bei. Je diverser die Artenvielfalt, desto intakter das Ökosystem. Wisente bereichern ihre Umwelt durch verschiedene Aspekte.“ Durch das Wälzen an denselben Stellen kreieren sie beispielsweise Mikro-Lebensräume für Pionierpflanzen, Insekten und Reptilien. So entstehe ein gedeckter Tisch für kleine Raubtiere, Vögel oder Fledermäuse. Über sein Fell trägt der Wisent Saat mit sich, wodurch sich die Pflanzenwelt vermehrt und ausbreitet. Als Äser fressen Wisente nicht nur Gras, sondern auch Laub, Waldfrüchte oder Rinde. Rinderartige wie der Wisent benötigen faserreiche Nahrung. Diese Struktur ist in Rinde zu finden. Das ist keine Besonderheit. Dass den Wisenten im Rothaargebirge angeblich Nährstoffe fehlen könnten, ist eine von vielen Hypothesen, die widerlegt wurde. Wir arbeiten mit Universitäten und Studierenden zusammen, um kontinuierlich Informationen zu dem Thema zu erheben. Wenn man von Schälschäden an Bäumen spricht, muss klar zwischen wirtschaftlichen Schäden und biologischem Einfluss unterschieden werden. Aus biologischer Sicht kann man nicht von Schälschäden sprechen. Die bisherigen Erkenntnisse zeigen, dass es keinen Anlass zur Annahme gibt, dass der Wald als Ökosystem gefährdet sei. Vielmehr kann selbst eine Verjüngung der Buche, also das selbstständige Nachwachsen junger Bäume, festgestellt werden. Die Vitalität der Bäume ist lediglich teilweise und an Hotspots beeinträchtigt. Allerdings wird mit den geschälten Stücken wiederum neuer Lebensraum geschaffen. Aus biologischer Sicht ist dies demnach selbst eine Bereicherung.“

Dass es schwierig wird, nach der Aufkündigung des öffentlich-rechtlichen Vertrages zwischen dem Trägerverein einerseits und dem Landesbetrieb Wald und Holz sowie den Kreisen Siegen-Wittgenstein und Hochsauerland andererseits alle betroffenen Parteien wieder an einen Tisch zu holen, sieht Breuer auch. Er meldet sich aber „als einfaches Mitglied des Vereins ohne Vorstandsamt“ zu Wort.

Zur Vertragsauflösung

Zunächst aber erklärt Breuer seine Sicht auf die Aufkündigung des Vertrages: „Die ist nach § 60 Verwaltungsverfahrensgesetz erfolgt, weil für den Trägerverein ein unzumutbarer Zustand erreicht worden ist.“ Mit unzumutbar meint Breuer zwei Umstände und greift dabei ebenso wie die Gegner des Projektes auf die Urteile des Oberverwaltungsgerichtes Hamm und des Bundesgerichtshofes zurück.

„Der BGH hat die Rechtsauffassung bestätigt, dass die Herde herrenlos werden könnte, weil sie ja bereits wild und frei im Rothaargebirge umherstreift.“ Sowohl der BGH als zuvor auch das OVG hätten die Argumente der klagenden Waldbauern vom Tisch gewischt, dass diese Wildrinder niemals herrenlos werden könnten. Und der BGH habe auch die Schutzfunktion gegenüber der durch die FFH-Richtlinie streng geschützten Tierart betont.

Den schwarzen Peter für die aktuelle Situation, in der der Trägerverein seine Tierhalter-Eigenschaft aufgegeben hat und die Herde nicht mehr managt, schiebt Breuer zurück zu den Waldbauern. Diese hätten sich einem neuen Vertrag verweigert, bei dem neben den bisherigen Partnern auch die Waldbauern Vertragspartei geworden wären, so Breuer. Er warf Georg Feldmann-Schütte vor, in dieser Zeitung etwas Falsches gesagt zu haben, als er von einem fehlenden zweiten Vertrag sprach. „Die Waldbauern haben den doch abgelehnt“, so Breuer.

Letztlich hätte der Trägerverein ohne neuen Vertrag und ohne neue Regelungen zur Schadensregulierung „ganz allein dagestanden“. Vor diesem Hintergrund habe man sich auf den § 60 Verwaltungsverfahrensgesetz bezogen und gekündigt.

Für Breuer ist auch klar, wer nun Verantwortung für die Tiere übernehmen müsse: Er sieht das Landesumweltministerium und Minister Oliver Krischer in der Pflicht. Als Beispiel führt Breuer die Regelung mit den einfliegenden Gänsen am Niederrhein an, für die jährlich mehrere Millionen Euro an Entschädigungen an Landwirte gezahlt werden.

Dringend Winterfütterung regeln

Übrigens sieht Breuer auch dringenden Handlungsbedarf: „Wir müssen die Winterfütterung der Wisente regeln.“ Damit könne man die Tiere zunächst einmal auch von den Grundstücken der geschädigten Waldbauern weghalten. Darüber hinaus unterstützt der Gründungsvorsitzende auch den Vorstoß für einen Versuch, die Tiere mittels akustischen Signalen wie dem Summen von aufgeregten Bienenvölkern zu lenken.

Diese Idee als „Aprilscherz“ abzutun, wie es der klagende Waldbauer Georg Feldmann-Schütte getan hat, bezeichnet Paul Breuer als „wissenschaftsfeindliche Haltung“. Gerade die Waldbauern sollten doch wissen, „dass nicht der Wisent ihr Gegner ist, sondern der Borkenkäfer. Und der Wisent wird unseren Wald klimastabiler machen.“