Bad Berleburg/Düsseldorf. Der NABU unterstützt „Herrenlosigkeit“ und forderte Herdenmanagement. Warum das nicht einfach wird und was dann mit Wisent-Mitarbeitern passiert.
Es gibt einen neuen mächtigen Unterstützer für die Wisente in freier Wildbahn. Nachdem der Trägerverein des Artenschutzprojektes die Tiere für „herrenlos“ erklärt hat und damit auch sein Herdenmanagement einstellen wird, hatte es scharfe Kritik vom Land NRW und anderen Beteiligten des Wisentprojektes gegeben, die die Aufkündigung des öffentlich-rechtlichen Vertrages für unzulässig erklären und den Verein weiter in der Pflicht sehen.
Mitten in diese Diskussion platzt am Donnerstag die Mitteilung des Naturschutzbundes Deutschland. Der reagiert mit „Unverständnis“ auf die Einstellung des Projektes durch den Kreis Siegen-Wittgenstein, bei dem die Leitung der Steuerungsgruppe des Projektes liegt.
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Zielsetzung war Herrenlosigkeit
Der NABU schreibt: „Als das Projekt zur Wiederansiedlung des Wisents im Jahr 2013 unter großem öffentlichem Interesse begonnen wurde, muss allen Beteiligten das angestrebte Ziel klar gewesen sein: Freilebende Wisente, die ähnlich wie Rothirsche, Rehe, Mufflons oder Wildschweine zukünftig als Wildtiere herrenlos in den Wäldern des Rothaargebirges leben werden.“
Was passiert mit den Wisent-Mirarbeiter?
Der Trägerverein des Wisentprojektes besteht nicht nur aus aktiven und fördernden Mitgliedern, sondern hat auch festangestellte Mitarbeitende im kaufmännischen Bereich, in bei der wissenschaftlichen Begleitung des Projektes sowie Wisentranger.
Wenn der Trägerverein das Herdenmanagement weiterhin ruhen lässt bzw. aufgibt, hat das Auswirkungen auf die Jobs rund das Artenschutzprojekt.
Dr. Michael Emmrich, Pressesprecher des Projektes, betont dazu aber: „Unsere Mitarbeiter werden weiter beschäftigt und haben weiterhin geltende Arbeitsverträge“. Allerdings steht langfristig hinter all dem ein Fragezeichen wegen der Zukunft des Projektes und der Finanzierung.
Außerdem beruft sich der NABU auf eine Position des Oberlandesgerichts Hamm, „das bereits in seinem Urteil vom 29. Mai 2017 feststellte, dass der ,Zustand der Herrenlosigkeit der Tiere längst eingetreten’ sei.“ Für NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger gibt es deshalb keinen Zweifel daran, dass die Wisente weiterhin dem strengen Schutz der europäischen Fauna-Flora-Habitatrichtlinie und des Bundesnaturschutzgesetzes unterliegen. „Wir sehen das nordrhein-westfälische Umweltministerium und die zuständigen Naturschutzbehörden in der Pflicht, den Artenschutz für die etwa 25 Wisente, die im Rothaargebirge wild leben, zu gewährleisten“.
NABU fordert Herdenmanagement
Es wäre aus Sicht des NABU beschämend, wenn ein Land wie die Bundesrepublik Deutschland, das sich auf internationaler Ebene für den Erhalt wildlebender Großtiere in Afrika oder Asien stark macht, nicht in der Lage oder willens ist, den Schutz einer einzigen wildlebenden Wisent-Herde zu garantieren. Allerdings fordert der NABU auch etwas im Gegenzug, das der Trägerverein aktuell ablehnt: „Unerlässlich ist ein geeigneter Managementplan mit entsprechenden Regelungen für entstandene Schäden durch die Herde“, betont Dr. Heide Naderer, Vorsitzende des NABU Nordrhein-Westfalen. Es sei unverständlich, dass es bisher hierfür keine befriedigenden Lösungen gebe, was ja letztendlich zur aktuellen Situation geführt hat.
Der Trägerverein des Projektes hat in der aktuellen Situation das Herdenmanagement eingestellt und lehnt die Zuständigkeit für die herrenlosen Tiere ab. Hintergrund ist die Aufkündigung des öffentlich-rechtlichen Vertrages, in dem die Aufgabe des Managements dem Verein zufällt. Allerdings war ursprünglich anderes geplant. Das erläutert der Sprecher des Trägervereins, Michael Emmrich: „Für ein Herdenmanagement müsste eine neue rechtliche Grundlage geschaffen werden, da die Tiere jetzt herrenlos sind und der Verein das wirtschaftliche Eigentum an den Tieren aufgegeben hat.“
Diese Situation unterscheidet sich etwas von der Ausgangsannahme: „Es war von Anfang an gedacht, dass die Herde weiter gemanagt werden muss.“ Hintergrund ist die vertragliche Fixierung der Herdengröße auf maximal 25 Tiere, die auch bei den freilebenden Wisenten eingehalten werden soll. Nun sieht der Trägerverein aber das Land NRW in der Pflicht, für ein weltweit beachtetes Auswilderungsprojekt eine Managementlösung zu finden und zu finanzieren. „Das muss aus Steuermitteln finanziert werden“, so Dr. Emmrich weiter. Entsprechende Hinweise habe auch das Gutachten des Instituts für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung an der Tierärztlichen Hochschule Hannover so vermerkt, sagt Emmrich weiter.
Gegen Abschießen oder Fangen
Zurück zum Naturschutzbund. Dr. Heide Naderer positioniert sich ganz klar. Einen Grund zum Abschuss oder Fang des kompletten Bestandes sieht sie nicht. Wichtiger sei es herauszufinden, wie sich Wisente erfolgreich lenken lassen, um sie so von Tabuflächen fernzuhalten.
Hierzu würde noch in diesem Jahr eine Pilotstudie an den Wisenten der „Wisent-Wildnis“ in Kooperation zwischen der Uni Siegen und der Wisent-Welt-Wittgenstein e.V. durchgeführt. Die Studie wird vom Ministerium für Landwirtschaft und Verbraucherschutz finanziell unterstützt. „Wir sollten in der Lage sein, dieses Artenschutzproblem im Einklang mit europäischem Artenschutzrecht zu lösen“, so die NABU-Landesvorsitzende. Der NABU werde die weitere Entwicklung jedenfalls sehr genau verfolgen.