Bad Berleburg/Siegen. Die Biologin Prof. Klaudia Witte will die Freiheit der Wisente im Rothaargebirge mit einem akustischen „Virtuellen Zaun“ erhalten.

Was haben Wisente und Elefanten gemeinsam? Noch ist es nicht erwiesen, aber eine zumindest vielversprechende Idee. Und die erinnert stark an den Virtuellen Zaun aus der Anfangszeit des Projektes. Damals wurde diese Lösung verworfen. Nun kommen aber neue Ansätze.

Die Siegener Professorin Dr. Klaudia Witte hat eine Vorstellung davon, wie man in die verfahrene Situation rund um die Auswilderung der Wisente Bewegung bringen könnte. Ein Bewegung von der sowohl das Artenschutzprojekt als auch die dagegen sturmlaufenden Waldbauern aus dem Sauerland etwas hätten.

„Ich bin kreativ und lösungsorientiert“, sagt die Biologin ganz selbstbewusst und präsentiert eine Lösung, mit der die Wisente von fremden Grundstücken und Bäumen ferngehalten werden könnten. Zumindest ist die Siegenerin sehr zuversichtlich. Sie stützt sich auf Erfahrungen mit Elefanten und Landwirten aus Afrika. Dort bedrohten die Elefanten die Äcker und Ernten der Menschen. Weil die grauen Riesen aber genauso wie die Wisente vom Aussterben bedroht sind, mussten Lösungen her, bei denen die Dickhäuter vertrieben werden könne, ohne sie zu verletzen oder zu töten.

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Prof. Dr. Klaudia Witte, will das Artenschutzprojekt erhalten und ist bereit ungewöhnliche Wege dafür zu gehen.
Prof. Dr. Klaudia Witte, will das Artenschutzprojekt erhalten und ist bereit ungewöhnliche Wege dafür zu gehen. © KLaudia Witte

Hilfreich ist dabei das Wissen, dass Elefanten keineswegs so dickhäutig sind, wie man es ihnen nachsagt. Im Gegenteil haben sie Angst vor winzigen stechenden Insekten. „Sie haben Angst vor Bienen und das ist auch verständlich, weil sie beispielsweise einen sehr empfindlichen Rüssel haben“, erklärt Klaudia Witte. Sie hatte gelesen, dass die Tiere auf das aggressive Brummen von Bienen, Wespen oder Hornissen reagieren. In Afrika hatten deshalb Landwirte damit begonnen, ihre Äcker mit Bienenstöcken zu schützen. Forscher hatten das aufgegriffen und den Elefanten Bienengesumm aus Lautsprechern vorgespielt und die Herde sie daraufhin weggelaufen. Auch die Duftstoffe der Bienen - so berichtet die Zeitschrift Der Spiegel bereits im Juli 2018 – haben Elefanten von den Feldern abgehalten.

Auf diese Studie möchte Klaudia Witte zurückkommen, und mit dem Geräusch, dass ein aufgeschreckter, aggressiver Bienenschwarm bei der Verteidigung seines Stocks macht, die Wisente vergrämen. Erste Test könnten bereits in diesem Winter an der Herde im Schaugehege erfolgen, erläutert Witte. „Wir werden das aber nur in enger Zusammenarbeit mit dem Trägerverein und Kaja Heising machen“. Die Idee ist, die Tiere mit Futter an einen Ort zu locken und die Tiere an diesen Ort zu gewöhnen. In einem zweiten Schritt werde ein Lautsprecher positioniert und man teste Lautstärke und Art des Geräuschs. Wenn die Wisente dann diesen Ort verlassen und auch meiden, wäre es ein Erfolg.

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Wisent Siggi wird als Maskottchen für die Universität Siegen zu Werbezwecken insbesondere im Ausland genutzt.  Klein-Siggi ist als Schlüsselanhänger im Uni-Shop erhältlich. Groß-Siggi gibt es nur in geringer Zahl für Repräsentationszwecke und ist in dieser Form nicht erwerbbar.
Wisent Siggi wird als Maskottchen für die Universität Siegen zu Werbezwecken insbesondere im Ausland genutzt.  Klein-Siggi ist als Schlüsselanhänger im Uni-Shop erhältlich. Groß-Siggi gibt es nur in geringer Zahl für Repräsentationszwecke und ist in dieser Form nicht erwerbbar. © Uni Siegen | Uni Siegen

Neben der zielgerichteten Vergrämung aus Tabuzonen können so auch eine Art virtueller Zaun entstehen. „Man könnte entlang einer Pufferzone alle paar Meter eine Box mit einem Sensor aufstellen. Wenn die Leitkuh und einige andere Tiere mit einem Senderhalsband versehen sind und in die Nähe der Boxen kommen, wird das Geräusch abgespielt.“ Einen großen Vorteil sieht Witte auch darin, dass man Lautsprecher genau ausrichten könne und so die Tiere von Tabuzonen weghalten könne. Eine Rolle spiele auch, dass das Bienen Geräusch ein natürliches sei und damit möglicherweise auch von Menschen oder Wanderern nicht als sehr störend wahrgenommen werde.

Nur eine Unwägbarkeit bleibt: Bislang weiß niemand, ob Wisente ähnlich wie die Elefanten reagieren und Angst vor stechenden Insekten haben.

So lief das mit dem Virtuellen Zaun

Schon in der Vorbereitung des Wiederansiedlungsprojektes für Wisente im Rothaargebirge gab es die Idee für einen Virtuellen Zaun. Vorbilder dafür waren Ideen aus der Schweiz. Dort sollten Tiere mit GPS-Halsbändern ausgestattet werden, die entweder anhand von Satellitendaten den Standort der Tiere feststellen und dann beim Verlassen einer Weidezone einen elektrischen Impuls vergleichbar einem Weidezaun abgeben, um das Tier zu erschrecken.

Erhebliche Kostenunterschiede

Bad Berleburg Virtueller Zaun für Wisent-Gehege
Bad Berleburg Virtueller Zaun für Wisent-Gehege © Manuela Nossutta/Funkegrafik NRW | Manuela Nossutta/Funkegrafik NRW

Eine zweite Möglichkeit wäre das Vergraben einer Induktionsschleife, bei der ein Transponder am Halsband zunächst ein Warnton und später einen elektrischen Impuls abgibt. Damit die Wildrinder außerdem eine gewisse optische Verknüpfung mit den Tabuzonen bekommen, sollten diese auch sichtbar gekennzeichnet sein. Damals war zum Beispiel von liegenden Baumstämmen die Rede. Der Vorteil dieser Technik läge darin, dass Touristen oder Wanderer dieses Einfriedungen nicht wahrnehmen und der Charakter einer freien Landschaft erhalten bliebe.

Eine Untersuchung der Cranfield Universität in England aus dem Jahr 2017, die das Schweizer Portal agroforst.ch zitiert, sieht aber erhebliche Kostenunterschiede zwischen herkömmlichen Zäunen und einer virtuellen Barriere. Die Schweizer zogen dieses Fazit: „Die Erfahrung im Epping Forest zeigt, dass die virtuelle Umzäunung von Rindern funktioniert, der Einsatz von GPS hilfreich bei der Lokalisierung der Rinder ist und die Besucher gleichzeitig ungehinderten Zugang auf der Waldweide haben. Für ein 25 Hektar großes System mit zehn Kühen wurde berechnet, dass virtuelle Zäune 44 Prozent teurer sind als Holz-Umzäunungen, vor allem wegen der angenommenen hohen Wartungskosten wie Kontrolle und Batteriewechsel. Diese höheren Kosten lassen sich im Epping Forest durch den hohen gesellschaftlichen Wert rechtfertigen, der darin besteht, allen Bürgern einen ungehinderten Zugang zu einem sehr beliebten Erholungsgebiet zu ermöglichen.“