Ständig ändert sich die Gesetzeslage. Das überfordert Kommunen. Und es gibt weitere Gründe, in diesem Punkt die Kontrolle abzugeben.

„Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben!“ Dieses Gorbatschow zugeschriebene Zitat geht mir aktuell nicht mehr aus dem Kopf – auch wenn es eigentlich gar nichts mit Windkraft zu tun hat.

Bis vor ein paar Jahren schaute man aus Bad Berleburg und Erndtebrück noch relativ gelassen auf die großen Probleme, die die Stadt Bad Laasphe damit hatte, Windkraft-Vorrangzonen auszuweisen. Die gibt es an der Lahn bis heute noch nicht. Dafür aber stehen dort bereits ein Dutzend große Anlagen – und weitere werden folgen.

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In Erndtebrück war es die Bundeswehr mit ihrer Radarstellung, die sich wie ein Schutzschirm über die Gemeinde legte. Auch das ist inzwischen kein Ruhekissen mehr, wie die Genehmigung für vier Anlagen auf Laaspher Gebiet bei Benfe zeigt. In Bad Berleburg waren Verwaltung und Politik über Jahrzehnte der Meinung, dass eine Vorrangzone mit vier Windrädern bei Weidenhausen ausreichen würde. Später erhoffte sich die Verwaltung, dass diese Windfarm zumindest Zeit für einen neuen Flächennutzungsplan verschaffen würde.

Und jetzt? Jetzt zwingen uns die Krisen, die in immer schnellerer Abfolge eintreten, schlicht zum Handeln. Der Krieg in der Ukraine dreht uns den Gashahn zu! Kohle? Erstens zu teuer und zweitens ebenso ein fossiler Energieträger wie Öl. Das kommt zumeist aus Diktaturen, mit denen wir keine Geschäfte machen sollten! Und Atomstrom? Tschernobyl und Fukushima zeigen zusammen mit dem Problem des Atommülls, dass wir damit nicht weitermachen dürfen – übrigens auch nicht in Belgien, Frankreich oder sonstwo.

Was bleibt uns also? Wind, Sonne und Wasserkraft ausbauen! Dass die Bundesregierung diese Aufgabe zu einem Ziel von überragender nationaler Bedeutung macht, ist folgerichtig. Dass damit nun auch bisher fixe Ausschlusskriterien auf den Prüfstand gestellt wurden, war zu erwarten.

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Das Problem: In den vergangenen Jahrzehnten hat ein absoluter Paradigmenwechsel stattgefunden: Windkraft war beispielsweise lange Zeit im Wald nicht möglich. Alles das hat sich rasend schnell verändert. Der Klimawandel und Naturkatastrophen wie Kyrill oder die inzwischen über Jahre andauernde Trockenheit und der Borkenkäfer machen das alles dringlicher – von zwei Seiten. Denn nun wollen Waldbesitzer diese Verdienstmöglichkeit nutzen.

Was also bleibt? Ich denke, wir müssen uns von der romantischen Vorstellung des Landschaftsbildes verabschieden. Und wahrscheinlich können wir uns auch von der Idee, dies alles steuern zu wollen, verabschieden. Das hätte auch den Effekt, dass die ganzen Ressourcen aus den Verwaltungen – Personal und Geld – in andere Projekte gesteckt werden können.

Die aktuelle Debatte um die „Selbstverwaltung der Kommunen“ wird langsam zum Scheinargument, zum Feigenblatt, mit dem sich Parteien und Verwaltung gegen die Gegner der Veränderung wappnen. So können sie zumindest sagen: Seht her, wir haben alles getan. Doch tatsächlich haben die Kommunen hier im Grunde nichts mehr zu regeln. Das nationale Interesse hebelt jedes Einzelinteresse von einzelnen Bürgern aus – oder auch von ganzen Kommunen. Wer daran festhält, der kommt zu spät.